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„Vision nach der Predigt“ und „Straße mit Zypressen“ - Referat
Das Bild „Vision nach der Predigt“ des französischen Postimpressionisten Paul Gauguin (1848-1903) entstand im Jahre 1888. Der rote Bildhintergrund wird diagonal durch einen Baum geteilt und am linken und am unteren Bildrand von einigen betenden Frauen in bretonischer Tracht sowie einem Priester gerahmt. Hauptakteure sind ein Engel mit gelben Flügeln und ein Mann, welche miteinander im rechten oberen Bildfeld ringen. Zwischen den Menschen links und dem Baumstamm befindet sich eine Kuh.
Das Bildmotiv des mit einem Engel ringenden Mannes ist aus dem alten Testament übernommen. Es handelt sich um den im Buche Genesis (25, 20-34) erzählten Kampf zwischen Jakob und Gott, ein in der französischen Kunst des 19. Jh. häufig verwendetes Thema, welches insbesondere mit der Säkularisierung und den religiösen Krisen in Verbindung gesetzt wurde. Gauguins Komposition der Kämpfenden wurde wohl durch eine Ringerstudie des japanischen Meisters Katsushika Hokusai angeregt, dessen Holzschnitte als Inspirationsquelle für viele damalige Künstler dienten.
Farblich setzt Gauguin auf den starken Gegensatz des leuchtenden Rots des Hintergrundes und des in klaren Konturen gefassten Weiß der Kopfbedeckungen. Die Augen der Betenden sind geschlossen, wodurch angegeben wird, dass sich der Ringkampf in der Phantasie abspielt. Der mächtige, quer durch das Bild verlaufende Baumstamm unterstreicht die Trennung von realer und imaginärer Welt, von meditativer Ruhe und bewegtem Kampfgeschehen.
Die „Straße mit Zypressen“ entstand 1890 im letzten Lebensjahr Vincent van Goghs (1853-1890). Es handelt sich um eine Landschaftsdarstellung mit nächtlichem Himmel (Mond, Stern). Ein breites Kornfeld verjüngt sich nach rechts hin und läuft spitz auf ein Haus am rechten Bildrand zu. Den rechten unteren Bildbereich nimmt eine Straße ein auf der sich ein Wagen und zwei Fußgänger in Richtung des Betrachters bewegen. In der Mitte ragt eine Zypresse, deren Spitze vom Bildrand abgeschnitten wird, über mehr als zwei Drittel der Bildhöhe empor. Kleinere Zypressen befinden sich hinter dem Haus.
Van Gogh verwendet kurze, breite Pinselstriche: Im Kornfeld weisen diese wirr in verschiedene Richtungen, in Bereich der Straße verlaufen sie aneinandergereiht in Form von langen, geschwungen Linien, im Himmel bilden sie spiralförmige Wirbel. Die Konturlinien sind geschwungen. Das an sich starre Landschaftsmotiv erscheint somit äußerst bewegt und unruhig. Eine Verbindung mit van Goghs Geisteszustand und Gemütslage ist naheliegend. Der Künstler verwendet in diesem Bild vor allem Grün-, Blau- und Orangetöne. Die Vorliebe zu Komplementärfarben ist kennzeichnend für seine Werke.
Während Gauguin große, einfärbige, klar abgegrenzte Flächen verwendet, treten bei van Gogh die einzelnen, verschiedenfarbigen Pinselstriche klar hervor. Statt klarer Konturen gehen Mond und Stern in den Himmel über. Beide Maler verzichten auf eine naturalistische Farbsetzung. Die Bilder werden Ausdruck innerer emotionaler Erregung. Insofern erweisen sich beide Maler trotz verschiedener Stilmittel als Vertreter einer Epoche und eines gemeinsamen künstlerischen Ausdruckswillens.
Verwendete Literatur:
S. Carr-Gomm, Die geheime Sprache der Kunst. Die Bedeutung von Symbolen, Zeichen und Figuren der abendländischen Malerei (München 2006) 94-95
W. Beckett, Die Geschichte der Malerei. 8 Jahrhunderte in 455 Meisterwerken (Köln 2004) 316-324
Dieses Referat wurde eingesandt vom User: flughoernchen
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