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"San Salvador" von Peter Bichsel - Referat
„San Salvador“ von Peter Bichsel
In der Kurzgeschichte „San Salvador“ von Peter Bichsel, erschienen im Jahr 1993 geht es um den Protagonisten Paul, der mit dem Gedanken spielt seine Frau Hildegard und seine Kinder zu verlassen, zögert jedoch bzw. traut sich nicht.
Die Kurzgeschichte beinhaltet typische Merkmale dieser Textsorte wie zum Beispiel einen unvermittelten Beginn (Z.1: „ Er hatte sich eine Füllfeder gekauft.“) und ein offenes Ende (Z. 33: „ Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht.“). Darüber hinaus ist der Text auf nur wenige Personen beschränkt (Paul und Hildegard), ist ein Ausschnitt aus der Lebenswirklichkeit und ist sachlich, in einfacher Sprache geschrieben. Der Text geht über 33 Zeilen, die in 5 Sinnabschnitte unterteilt sind.
Als Arbeitshypothese möchte ich festhalten, dass der Protagonist Paul von der alltäglichen Routine, der Eintönigkeit, der Monotonie fliehen möchte, doch dazu fehlt ihm der Mut. Darüber hinaus tritt bei Paul und seiner Frau eine mangelnde bzw. gestörte Kommunikation auf.
Die Kurzgeschichte erfahren wir von einem personalen Erzähler, der uns Einsicht in die Gedanken und Vorstellungen von Paul gibt.
Die Handlung spielt sich Mittwochs (Z.22) von neun Uhr bis halb zehn (Z. 18/31) in der ehelichen Wohnung von Paul und Hildegard ab, wobei Paul an einem Tisch sitzt und sich die Zeit vertreibt, indem er auf Papier „rumkritzelt“.
Über das äußere Erscheinungsbild des Protagonisten Paul erfährt man nichts, außer dass er schreiben kann (Z. 3-4), deutsch, englisch und französisch spricht (Z.27/28). Zu seinen Lebensumständen kann man sagen, dass er mit Hildegard verheiratet ist und mit ihr Kinder hat.
Paul sitzt am Anfang der Geschichte am Tisch und übt zunächst mit seiner neuen Füllfeder (Z.1)zu schreiben (Z.2-3), bis er sich schließlich einen neuen Bogen Papier nimmt und draufschreibt, dass es ihm hier zu kalt sei und dass er nach Südamerika gehe (Z.4) und unterschreibt auf dem Papier (Z.7/8). Die „neue Füllfeder“ (Z.1) ist symbolartig zu deuten, denn es steht für den Neuanfang den Paul jetzt machen möchte. Er schreibt auf das Papier „ Mir ist es hier zu kalt“ und „ ich gehe nach Südamerika“ (beides Z.4.), wobei „mir ist es hier zu kalt“ nicht auf die Temperatur bezogen ist, sondern auf die Gefühle, die von seiner Frau ausgehen. Paul nimmt keine liebenden, zärtlichen Gefühle der Frau auf, sodass Gefühlskälte entsteht. In „Südamerika“ verhofft sich Paul mehr Liebe und Geborgenheit, die er zu Hause offenbar nicht bekommt. Südamerika steht als Symbol für Wärme, Offenheit und Temperament. Paul möchte dort ein neues harmonisches und stressfreies Leben führen.
Während der ganzen Zeit langweilt sich Paul, was durch das Wort „dann“(vgl.Z.2/3/4/5/7/9/25&26) ausgedrückt wird. „Dann“ soll vor allem die Eintönigkeit darstellen, die in Pauls Leben herrscht. Der Protagonist vertreibt sich die Zeit mit sinnlosen Beschäftigungen wie zum Beispiel Zeitung wegräumen (vgl.Z.10), Kinoinserate lesen (vgl.Z.10), Füllfeder entleeren und wieder füllen (Z.11/12) oder die Gebrauchsanweisung viermal lesen (Z.26-28) „[…], las die Gebrauchsanweisung […]noch einmal-[…]-las den französischen Text, verglich den englischen mit dem deutschen[…]“. Während er auf Hildegard wartet, die um halb zehn kommen müsste, führt er ein Monolog mit der Vorstellung verbunden, wie Hildegard auf seine Nachricht „ich gehe nach Südamerika“ (Z.4) reagieren würde. Er stellt sich vor, wie seine Frau nach Hause kommen würde, sich über die Mitteilung erschräke, seine Hemden zählen würde und schließlich in den „Löwen“ telephonieren würde, der jedoch an dem Tag zu hätte, da es Mittwoch war.
Der Löwe soll wahrscheinlich eine Kneipe sein, wohin Paul öfters von zu Hause flieht, da sonst seine Frau dort nicht zu aller erst anrufen würde. Dort ist er frei, frei von Eintönigkeit ohne jegliche alltägliche Routine. Es könnte sein, dass sich Paul dort wie ein „Löwe“ mächtig und unabhängig fühlt, während er zu Hause seine Alltagspflichten erledigen muss. In seinem Gedankengang kann er sich jedes einzelne Detail von Hildegart’s Ankunft vorstellen, wie sie die Haare aus dem Gesicht streicht (vgl.Z.24) etc.. Die Ehe von Paul und Hildegard sind schon so sehr zur Gewohnheit geworden, dass er ihre Handlung voraussagen kann. Kurz bevor seine Frau dann endlich nach Hause kommt liest sich Paul (wie schon ein Mal erwähnt) die Gebrauchsanweisung mehrmals durch (Z.26-28), zum einen aus Langeweile, zum anderen aber auch weil er ratlos ist darüber, was er machen soll. Soll er nun nach Südamerika gehen oder soll er da bleiben bei seiner Frau und den Kindern? Er sucht förmlich in der Gebrauchsanleitung eine Antwort ohne jeglichen Erfolg.
Schließlich kommt Hildegard nach Hause (vgl.Z.31). Paul sitzt immer noch am Tisch und wartet. Schon als seine Frau reinkommt wird deutlich, dass die Kommunikation gestört ist, was sich dadurch auszeichnet, dass Hildegards erster Satz zu ihrem Mann lautet: „Schlafen die Kinder“ (Z.32), statt ihn zunächst zu begrüßen.
Die Geschichte endet damit, dass sich seine Frau die Haare aus dem Gesicht streicht, so wie es Paul vorhergesehen hat (Z.33).
Zur Gestaltung des Textes kann man sagen, dass er im Präteritum geschrieben ist, bis auf die Zeilen 1-3, denn diese sind im Plusquamperfekt geschrieben (Z.3 „gezeichnet hatte“) . Am Satzbau kann man erkennen, dass es oft einfache Sätze (Parataxen) sind oder Aufzählungen (siehe Z. 2-4/10-13). Jedoch sind auch Elemente der stilistischen Mittel zu finden wie zum Beispiel Ellipsen in Zeile 9 & 30: „Dann saß er da.“ bzw. „Saß da.“. Diese Ellipsen zeigen das Warten aber auch das Zögern von Paul.
Dialoge kommen fast nicht zustande, da Paul zunächst alleine am Tisch sitzt. Erst am Ende, als Hildegard nach Hause kommt, sagt die Frau: „Schlafen die Kinder ?“, was man aber auch nicht als Dialog zwischen dem Mann und der Frau nennen kann. In der Kurzgeschichte kommt jedoch ein Monolog vor (vlg.Z.18-25), indem er sich die Reaktion der Frau vorstellt. Auffällig ist die Wiederholung „seinen Namen Paul“ (Z.7/8 & 15/16). Das soll die Individualität zeigen die Paul gerne hätte, jedoch nicht hat.
Wenn man den Titel „San Salvador“ ins deutsche übersetzt so lautet dieser: Heiliger Retter oder Erlöser, San Salvador ist aber auch eine Stadt in El Salvador. Betrachtet man nun den Titel in Bezug auf den Inhalt des Textes, so sieht man, dass es auch für Paul zwei Bedeutungen hat. Zum einen liegt die Stadt im Süden von Mittelamerika zum anderen wäre diese Stadt seine Rettung vor der, von ihm gehassten, Eintönigkeit und Monotonie. In dem Anfangssatz Z.1:“ Er hatte sich eine neue Füllfeder gekauft.“ steht die Füllfeder für den Neuanfang von Paul, betrachtet man jedoch den Schlusssatz Z.33: „Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht.“ sieht man, dass Paul sich nicht getraut hat seine Frau zu verlassen, und sie nun wieder vor ihm steht und wieder die gewohnten Bewegungen macht.
Meine Deutungshypothese, dass der Protagonist Paul von der alltäglichen Routine, der Monotonie fliehen möchte, doch ihm dazu der Mut fehlt und dass eine mangelnde bzw. gestörte Kommunikation und eine Gefühlskälte zwischen Paul und Hildegard auftritt, hat sich bestätigt.
Meiner Meinung nach ist das ein gelungene Kurzgeschichte, die einen Ausschnitt aus der Lebenswirklichkeit wiedergibt. Sie ist in einfacher Sprache geschrieben, zwingt den Leser jedoch „zwischen den Zeilen zu lesen“, um den Inhalt/die Aussageabsicht vollständig und richtig zu verstehen.
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Dieses Referat wurde eingesandt vom User: Julika S.
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