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Bernstein, Leonard: Mass - Theaterstück für Sänger - Referat



MASS –
“THEATERSTÜCK für SÄNGER, SCHAUSPIELER
und INSTRUMENTALISTEN”
von L E O N A R D B E R N S T E I
N


MASS – vom Komponisten als “Theaterstück für
Sänger, Schauspieler und Instrumentalisten” bezeichnet, wurde 1971
vollendet und am 8.September 1971 zur Eröffnung des John F. Kennedy –
Center for the Performing Arts in Washington D.C. uraufgeführt.
In “Mass” hat Bernstein ein sehr religiöses Werk
geschaffen, in dem man hebräische Segnungssprüche, Texte aus der
römisch-lateinischen Liturgie, moderne jüdische und christliche Verse
ineinander verschränkt findet.
Für “Mass” hat Bernstein selbst einige Texte
verfaßt, Stephen Schwartz schrieb zusätzliche Texte. Bernstein
behandelt die liturgischen Meßtexte ganz frei. In den Texten kommen
zunächst Orientierungslosigkeit, Unsicherheit und Zweifel zum Ausdruck,
dann werden vor allem die Vorwürfe thematisiert, die in der Protestbewegung
der 1960er Jahre an die katholische Amtskirche gerichtet wurden.Vom Beginn des
“Spektakels” an, das zwischen “Kult und Show”
angesiedelt ist, verstrickt sich die Messe immer mehr in kultische Affirmation.

Da werden Volkstümliches und Symphonisches, Musica viva und Rock nicht
mehr auseinandergehalten, vielmehr durcheinandergemischt, Bernsteins Blues- und
Rockpartien nehmen oft dissonant – geschärfte Töne an. Die
Komposition von “Mass” vereinigt zahlreiche sehr unterschiedliche
musikalische Stile. Am auffallendsten ist, daß die säuberliche
Trennung in sogenannte E- und U-Musik, wie sie im Musikleben funktioniert, nicht
aufrecht erhalten wird, sondern beide Musikarten in dem Stück
vorkommen.Es läßt sich nämlich feststellen, daß die
U-Musik–Formen in erster Linie zu den freien englischen Texten
herangezogen werden. Dabei kommen dem Zelebranten einfache, ruhige,
harmonisch-melodische Musikstücke zu. Lediglich in seiner
“Wahnsinnsszene” weicht die Musik situationsgemäß von
diesem Charakter ab, kehrt aber im Schlußstück zu dem Anfangstonfall
zurück. Die provokativen Texte sind den Blues- und Rocksängern
zugeteilt.
Hier werden nicht nur zwei Aufführungsorte ganz unterschiedlicher
musikalischer Tradition in eins gesetzt, Kirche und Theater, hier werden nach
herkömmlichem Verständnis unvereinbare Gattungen
zusammengebracht.
Leonard Bernstein wollte in “Mass” ein religiöses Werk
schreiben; es ist im Rahmen einer christlichen Messe konzipiert und es behandelt
die Krise des Glaubens als zentrale Krise des Jahrhunderts. Kirchlicher und
sinfonischer Stil wird mit Rock gemischt, genau wie sakrale Texte und
aufsässige Kritik miteinander abwechseln.
“Ein Kunstwerk gibt keine Antwort auf Fragen, es fordert sie
heraus”, schrieb Bernstein.
“Mass” zeigt in bewegender Weise die Entwicklung von der
improvisierten Laudatio zur Zeremonie und ihrer späteren Dekadenz und endet
im Ausdruck der Hoffnung einer Erneuerung, einer Wiederkehr der spontanen,
offenen, dankbaren Freude an den Segnungen des Lebens.
In Leonard Bernsteins “Mass” wirken Rock und Blues und ihre
Sänger als Revolte gegen die bestehende kirchliche Ordnung: “Wenn ich
beichten könnte, würde ich gerne alles, was mich bedrückt
loswerden”, singt ein Rock-Sänger, “aber wie Gott – ich
weiß es nicht. Was ich sage, fühle ich nicht. Was ich fühle,
zeige ich nicht. Was ich zeige, ist nicht echt. Gott, nein, nein,.... ich
weiß nicht.”
Am Ende aber vereinen sich lateinisch und hebräisch singende Beter,
verbinden Zelebranten und Volk zum gemeinsamen "Laudate Deum".
ÜBER DIE URAUFFÜHRUNG:
Als das letzte “Amen” in der Uraufführung von
“Mass” in Washington am 8.September 1971 erklungen war, blieb die
Hörerschaft im Saal an die drei Minuten – die wie eine Ewigkeit
schienen – wie gebannt auf den Plätzen sitzen. Dann erhob sie sich
und applaudierte begeistert fast eine halbe Stunde lang; über sicherlich
viele Bedenken hinweg hatte man die “Botschaft” des Werkes in sich
aufgenommen, war auch von einer grandiosen bühnentechnischen und
musikalischen Realisation ergriffen.
Die Uraufführung selbst dirigierte Maurice Peress, es sang der Norman
Scribner Choir und der Berkshire Boy Choir, den Zelebranten sang Alan Titus.

Das gewaltige Presse – Echo war geprägt von kontroversiellen
Diskussionen über die Rolle Gottes in unserer Zeit. Bernstein selbst sagte:
“Ich hatte weder wirklich den Anspruch, eine lateinische Messe zu
schreiben, noch habe ich ein streng religiöses Werk erwogen, obwohl sich
“Mass” in gewisser Weise als genauso religiös wie meine Kaddish
– Symphonie entpuppt hat, mit der Ausnahme, daß “Mass”
ein Theaterwerk ist....”
Zur Hauptfigur des Stückes, dem Zelebrant, sagt Bernstein: “Ich
habe ihn nie als eine Charakterrolle angesehen..... Er repräsentiert die
Qualität, die dich auffordert, weiterzuleben. Ich vermute, daß man
dies teilweise mit dem Wort “Glauben” definieren kann, teilweise mit
dem Wort “Hoffnung”, teilweise mit dem Wort
“Erwartung”.”
MASS-AUFFÜHRUNGEN IN ÖSTERREICH:
“Mass”, eines der Hauptwerke Bernsteins, wurde in
Österreich erstmals 1973 in einem Gastspiel der Yale University im Wiener
Konzerthaus aufgeführt, unter der Leitung des Dirigenten John Mauceri,
worauf eine Produktion von Marcel Prawy in seiner deutschen
Übersetzung 1981 an der Wiener Staatsoper folgte.
“Mass” wurde nun erstmals am 10. Mai 1993 in Linz
aufgeführt, anläßlich des 75. Geburtstages (25.August 1993) von
Leonard Bernstein.

Montag, 10. Mai 1993, 20 Uhr, Brucknerhaus,
Brucknersaal

Leonard Bernstein: MASS
Einführende Worte: MARCEL PRAWY
Zelebrant: JOHN CASHMORE, Stadttheater Aachen
Street-Chorus (Sänger und Tänzer der VEREINIGTEN BÜHNEN
WIEN)
Bernstein – Orchester des Brucknerhauses Linz
Mozartchor des Linzer Musikgymnasiums
St. Florianer Sängerknaben
Marching-Band, Blues-Band, Rock-Band
Szenische Gestaltung: PETER WISSMANN, Stadttheater Aachen
Dirigent: CASPAR RICHTER, Vereinigte Bühnen Wien

Leonard Bernstein wünschte sich: “Mass soll aufrütteln,
wachmachen, zum Protest treiben.
Aber zum Protest
gegen Willkür und Grausamkeit.”

“Mass” ist nicht nur spektakulär; es ist geradezu ein
religiöser Zirkus.
Bernstein gab dem Werk den Untertitel “Ein Theaterstück für
Gesang, Instrumente und Schauspiel”, eine recht bescheidene Umschreibung
für das erforderliche riesige Angebot an Akteuren: “Gesang” in
allen möglichen Formen, live und vom Band, “Instrumente” in
Form eines herkömmlichen Symphonieorchesters und einer schwungvollen
Marschkapelle.
Das Werk ist seit der Uraufführung mehrfach wiederaufgeführt
worden, aber es konnte sich –wohl wegen des übergroßen Aufwands
- keinen festen Platz im Repertoire erobern.
Die wohl verblüffendste Zusammenstellung verschiedener Stilrichtungen
findet sich kurz nach Beginn dieses zweistündigen Spektakels. Dann ein
“Kulturschock”: Der Hauptakteur tritt auf, der Jeans statt eines
Meßgewandes trägt, singt “A Simple Song”. Obwohl dieser
dramaturgische Umschwung an sich schon interessant ist, ist es doch vor allem
der Text, der zum Nachdenken anregt: “Singt Gott ein einfaches Lied...,
einfach wie es dir in den Sinn kommt..., denn Gott ist von allem das
Einfachste.”
Dies ist natürlich keine Lästerung, sondern ein unkomlizierter
Lobgesang auf Gottes Allgegenwart. Das Werk versucht dies zu vermitteln, was ja
im übrigen der Grundgedanke der Messe ist.
Bernstein macht sich nur zeitgemäße Mittel zu eigen, zum
Beispiel Bandaufnahmen, unkonventionelle Instrumente und moderne Gesangsstile;
auch Bühnenbild und Kostüme sind zeitgenössisch.
Das Werk endet, wie alle Messen enden: mit der Entlassung der
Gläubigen.
Eine Stimme ertönt vom Band, anonym und gleichsam aus der
Höhe:”Die Messe ist zu Ende; geht in Frieden.”


M A S S - A N A L Y S E:

“Mass” beginnt bei dunkler Bühne mit dem “Kyrie
eleison”, das man vom Tonband hört.
Aus dem Lautsprecher ertönt eine hohe Soprankoloraturstimme, vom
Glockenspiel, Xylophon und kleinem Becken begleitet; ein für das ganze Werk
charakteristisches Ausgangsmotiv aus kleiner aufsteigender Terz und
zurückfallender großer Sekund wird gleichzeitig mit dem ersten Ton
des Gesanges und bald darauf auch von der Gesangsstimme aufgenommen.
Das Koloratur – Kyrie wird von einer zweiten Kyrie – Melodie,
von einer Baßstimme gesungen, abgelöst; sie wird von drei Pauken
begleitet. Diese Melodie stellt eine Ausschmückung des Sopran – Kyrie
dar. Von Sopran- und Altsoli gesungen, tritt nun ein “Christe
eleison” hinzu. Von Tenor- und Baritonsolo angestimmt, beginnt eine neuer
“Christe eleison” – Teil; die kunstvolle quadrophonische
Polyphonie steigert sich bis zum stärksten fortissimo und bricht
plötzlich mitten in Text und Musik ab.
Man sieht vor dem Vorhang auf der Bühne den Zelebranten, einen jungen
Mann in Blue Jeans. “Singt Gott einen einfachen Gesang”, stimmt er
an: “Gott liebt alles, was einfach ist, Gott ist das Einfachste von
allem.”
Der Vorhang öffnet sich, Chorknaben erscheinen, die ihm ein einfaches
Meßgewand überziehen. In freier Kadenz singt der Zelebrant sein
“Lauda”, wird zunächst leise dann in anschwellender
Lautstärke von sechs Solostimmen unterbrochen, die man aus den
Lautsprechern im Saal im Swing – Stil singen hört.
Die Bühne ist plötzlich überflutet von Menschen, Lichtern
und “Musik”.
Chor und Bläser “von der Straße” marschieren ein und
intonieren ihr eigenes “Kyrie” in jazzigem Marschtempo, eingeleitet
und immer wieder bekräftigt durch das dreitönige
“Kyrie” – Thema vom Beginn des Werkes.
“In nomine Patris” erklingt vom Tonband mit
Instrumentalbegleitung; am Ende erfleht der Zelebrant Gottes Segen für das
Haus.
Nach dem Chor-Choral (“Almighty Father”) leitet ein Oboensolo
vom Tonband zum 4.Teil “Confession” über.
Der Chor beginnt “Confiteor” in teilweise stark dissonanten
Akkorden nach dem traditionellen liturgischen Text. Das “Confiteor”
wird nun von einer Rockband und einem Rocksänger als “Heavy
Blues” aufgenommen. Es melden sich die Zweifel an der Ehrlichkeit und
Wirksamkeit der Beichte: “Ich könnte beichten – aber wie Gott,
ich weiß es nicht.”
Weitere Rock – und Bluessänger folgen
(“Straßenchor”). Der erste Rocksänger richtet ein eigenes
leises Gebet an Gott: “Wenn du so groß bist, zeige mir, wohin zu
gehen, zeige es mir jetzt, ich kann nicht warten, vielleicht ist es zu
spät, ich weiß es nicht.”
“Gott vergebe dir, Gott sei mit dir”, spricht der Zelebrant,
und einer der Bluessänger singt ein leises “Confiteor”. Anstatt
eines Gebetes folgt eine Meditation für Orchester, aus der L. Bernstein die
erste der “Drei Meditationen” für Violoncello und Orchester
für Mstislaw Rostropowitsch gestaltet hat.
Nach der Meditation beginnt der “Gloria” – Satz. Eine
Gruppe von Chorknaben erscheint, der Zelebrant beginnt den Gloria – Text
zu singen, wobei jede Phrase von den Chorknaben wiederholt oder variiiert wird.

Der vierstimmige Chor setzt im Fortissimo mit der Lobpreisung ein, dazu
begleitet das Orchester in Jazzrhythmen, in welche nach dem “Amen”
auch der “Straßenchor” einstimmt, jedoch mit einem anderen
Text: “Eine Hälfte des Volkes ist versteinert, die andere Hälfte
wartet auf die nächste Wahl. Eine Hälfte des Volkes ist ertrunken, die
andere Hälfte schwimmt in die falsche Richtung. Das nennen sie ein
herrliches Leben, und du, Schatz, wohin führt dich das, dich und
deinesgleichen?”
Dem Straßenchor, der diese Fragen stellt, antwortet der Chor der
Gläubigen in wilder, rhythmischer Jazzakzentuierung “Miserere
nobis”, während der Straßenchor diese Fragen wiederholt und
sich selbst die
Antwort gibt: “Nirgendwohin, nirgendwohin.”

Dieser sechste Teil endet mit einem Sopransolo der Danksagung und einem
Zweifel an der Danksagung: “Erstmals hatte ich das Gefühl des Dankes,
wenn ich Gratias Deo sang, aber ich singe es nicht mehr, ich weiß nicht,
wann es geschah, das Danke ist nicht mehr da...” worauf zum Abschluß
der Straßenchor pianissimo wispert: “Eine Hälfte des Volkes ist
ertrunken, die andere Hälfte schwimmt in die falsche
Richtung.”
“Laßt uns beten”, spricht wieder der Zelebrant, und es
folgt die 2. Meditation.
Der nächste Teil, “Epistel: The Word Of The Lord”, wieder
ohne Pause folgend, ermahnt einen Jungen, der zum Mann herangewachsen ist,
daß er das Wort des Herrn nicht aus der Welt schaffen kann. “Wir
erwarten”, singt der Zelebrant, “daß die Zeit des Wortes des
Herrn kommt, wir erwarten das Wort des Herrn”. Die “Kyrie”
– Motive sind im Gesang gegenwärtig. Der Zelebrant erinnert an die
Schöpfungsgeschichte.
Es melden sich wieder die Zweifler: Die Menschheit hat das, was Gott
geschaffen hat, nicht verstanden und nicht befolgt, hat es so ausgelegt, wie es
ihr paßt.
Der Prediger ermahnt: “Gott gab uns das Kreuz, wir verwandelten es in
ein Schwert. Wir nutzen seine Gebote, indem wir taten, was uns
gefiel...”
“Und es war gut!”, wird vom Straßenchor
herausgebrüllt und sie beginnen wild zu tanzen.
Als zehnter Teil folgt das “Credo”.
“Ich glaube an einen Gott”, spricht der Zelebrant; er wird vom
lateinisch intonierten Gebet des Chores unterbrochen, das vom Tonband zu
hören ist. Es ist unisono gesungen und wird von einer Vielzahl von
Schlaginstrumenten begleitet.
Auf der Bühne folgt dann eine textliche Variation (Baß):
“Non Credo, Et Homo Factus Est” – daß der Mensch nicht
das aus sich gemacht hat, was er werden sollte, wie kann also irgendjamand Credo
sagen?
Vom Tonband kommt der lateinische Messetext “Crucifixus etiam pro
nobis”, zu Schlagwerkbegleitung; diesen Gesang unterbricht eine
Mezzosopran-Solostimme, wieder eine Stimme der Klage: “You said
you’d come again – when – when things got really
rough?”
Und wieder ertönt Messetext vom Tonband “Sedet ad dexteram
Patris”, schließlich wird dieser vom “Chor der
Straße” unterbrochen: “Non erit finis” (einstimmig den
Text und das Motiv vom Tonbandchor aufnehmend) – “Welt ohne Ende
– wer sie verlassen hat, wartet auf die nächste Schöpfung...
Gott, macht es Dir nichts aus, wenn alles eines Tages endet?”
Die Szene endet nach einem bekräftigenden mehrmaligen
“Amen” in einem Rocksolo:
“I believe in one God, but does God believe in me? I believe each
note I sing, but is it getting through? I believe in F sharp, I believe in G,
but does it mean a thing to you or should I change my key? How do you like A
flat? Do you believe in C? Do you believe in anything that has to do with me?
Who’ll believe in me?”
Und wieder spricht der Zelebrant: “Let us pray – laßt uns
beten!”, worauf die 3. Meditation folgt, in der ein kanonisch einsetzender
Chor “De profundis” singt, sich dann 8-stimmig teilt und zur
Schlagwerkbegleitung das “Clamavi” herausschreit. Nachdem das
Orchester das chromatisch aufsteigende Thema im Kanon wiederholt hat, folgt der
2.Teil des Gessanges, der ebenfalls in schreiende Deklamation führt. Der
letzte Teil des Psalms wird wieder im Kanon gesungen.
Gegen Ende der Szene bringen Chorknaben dem Zelebranten die
Gefäße zur Kommunion.
Während des “Offertorium” – Gesanges geht der
Zelebrant ab.
Nach einem vielstimmigen Chorgesang folgt ein
“leidenschaftlicher” Tanz um die heiligen “Geräte”,
jedoch an dessen Ende kehrt der Zelebrant zurück und der Street –
Chorus verläßt die Bühne.
Im 13. Teil singt der Zelebrant das “Vater Unser”, nach dem
“Amen” singt er nachdenklich – was mag wohl geschehen, wenn
alles untergeht? Er wird weiterhin zelebrieren, den kommenden Tag erwarten, wird
Gott loben.
Leise verklingt sein “Lauda, Lauda”, das man vom “Simple
Song” her kennt.
Als 14. Nummer folgt “Sanctus”, vom Knabenchor 2-stimmig
intoniert; vom lateinischen, christlichen “Sanctus” geht nun der
Zelebrant in das hebräische “Kadosch” (=Heilig) über.

Der Chor nimmt “Kadosch” auf und fährt in der
hebräisch-liturgischen Tradition mit dem “Heilig sei der Herr!”
in hebräischer Sprache fort: “Baruch ha – Ba bschem
Adonai” – Gesegnet sei, wer da kommt im Namen des Herrn.
“Sanctus!” rufen alle Stimmen auf der Bühne noch einmal,
diesem folgt “Agnus Dei” als 15. Teil. “Agnus Dei”
singen Solisten des Street-Chorus in Terzharmonien zu elektronischen
Klängen, die vom Orchester gespielt werden. Im “Agnus Dei”
bemächtigt sich die agressive Blues-Musik des liturgischen Textes, und mit
der Forderung “Dona nobis pacem” bringen die Sänger den
Zelebranten, der ihnen Brot und Wein anbietet, zur Verzweiflung.
Der Zelebrant bemüht sich während des immer weiter gesteigerten
Singens von “Dona nobis pacem” vergeblich, die Weihe der Hostie
durchzuführen.
Dem Ruf der Gemeinde nach Frieden schreit er plötzlich entgegen:
“PANEM!”
Die Menge ist verwirrt, und in ihr “Dona nobis pacem” hinein
singt ein Solotenor:
“Wir knien nicht, wir beten nicht... Wir wollen einen Frieden, an den
wir uns halten können... Gib uns unseren Frieden jetzt und nicht
später... Wir können das Schweigen des Himmels nicht länger
ertragen. Wenn wir die Welt, die wir erwünschen, nicht haben können,
müssen wir diese in Brand setzen.”
Zu diesen Worten wird der Chorgesang “Dona nobis pacem”
wiederholt, und es tritt das “Kyrie” – Tonband vom Beginn der
Messe dazu. Der Zelebrant unterbricht mit wildem Schreigesang: “Pacem!
Pacem! Pacem!” und schleudert wie von Sinnen die vorher erhobenen
Sakramente zu Boden. Es folgt betretene Stille, alle fallen nieder.
In der anschließenden Wahnsinnsszene reißt er sich die
liturgischen Kleider vom Leib. Die unterstellte Ohnmacht und Sinnlosigkeit des
alten Kultus werden nicht nur szenisch vorgeführt, sondern durch die
musikalische Umsetzung äußerst plastisch und wirksam dargestellt.
Bernstein beschreibt diese Szene folgendermaßen: “Auf dem
Höhepunkt der Kommunion bricht die Zeremonie zusammen und die Messe ist
zerschmettert. Jedem Individuum auf der Bühne bleibt es überlassen,
einen neuen Glaubenskeim in sich selbst zu finden.”
Der Zelebrant stammelt verwirrt: “Schaut – ist das nicht
merkwürdig? Roter Wein ist nicht rot, sondern etwas wie braun, braun und
blau... Was starrt Ihr her? Habt Ihr noch niemals ein Malheur
erlebt?”
Er hebt ein zerbrochenes Stück vom Boden auf und wirft es von neuem
krachend hin.
“Seht – Glas scheint heller, wenn es zerbrochen ist! Wie leicht
zerbrechen Dinge!”
Er wirkt verwirrter und wilder, und die Musik zeichnet seine Erregung nach.

Doch dann beginnt er zu singen: “Gebt es doch zu, es war Spaß.
Ihr wißt, es war aufregend zu sehen, was ich getan habe. Wie alles
zerbrochen ist – Ihr habt recht, Brüder und Schwestern – ich
war im Unrecht – ich sang so feierlich “Lauda, Lauda” –
man muß stark sein!”
Und er zerbricht Kerzen und andere Gegenstände, wirft sie vom Altar
hinunter: “Unser Vater im Himmel, hast Du niemals zuvor ein Malheur
mitangesehen?”
Aber dann ändert sich der Ton von Text und Musik: “Stille
– Gott ist sehr krank. Seine Stimme ist kaum noch zu hören, seid
leise, betet, laßt Gott nicht nochmals sterben. Gott, bleibe bei
uns!”
Dann springt er wild auf dem Altar herum und zerreißt, was ihm in die
Hände kommt, tanzt wie ein Wahnsinniger, reißt Roben von seinem
Körper, wirft sie in die Menge. In immer gesteigertem Wahnsinn wendet er
sich an alle Knaben, den Chor usw.: “Worauf warete Ihr? Warum schweigt
Ihr? Warum habt Ihr aufgehört zu beten? Warum singt Ihr nicht, lästert
nicht, schreit nicht, entweiht Ihr nicht?” Er tanzt wie ein Irrer umher,
stammelt Teile dieses und jenes Gebetes in allen verschiedenen Sprachen und
sinkt geschwächt nieder.
Die Musik klingt in einem leisen sechstönig – dissonanten Akkord
aus.
Nach kurzer Pause und Stille folgt der letzt Teil, mit dem Titel:
“Pax Communion”.
Es wird eingeleitet vom Spiel einer Solo – Flöte. Das
16-taktige, stark chromatische Solo endet mit den drei Noten des
“Kyrie”-Motivs. Es ist dieselbe zwölftönige, solistische
Partie, die in “Epiphany” von einer Oboe interpretiert über ein
Tonband eingespielt worden war, nun wird sie von einer Querflöte “on
stage” vorgetragen. Gegenüber der entpersönlichten, schrillen
ersten, alten Version ist die zweite, neue persönlich und wohlklingend.

Als “Pax”-Frieden und Versöhnung nimmt die Stimme eines
Knaben-Sopransolos das “Einfache Lied” (Simple Song) aus dem 1. Teil
der Messe auf. Ein Knabensolist wurde von Bernstein häufig für die
Darstellung der Unschuld verwendet.
Der Text ist geändert; anstatt “Sing God a simple Song”
heißt es nun “Sing God a secret Song” – es erklingt ganz
leise. Ein Mann vom Street-Chorus stimmt leise in den Lobgesang ein; immer mehr
Menschen singen nun “Lauda, Laudate”. Auch das Orchester wird immer
vollstimmiger, bis ein Fortissimo erreicht wird.
Der Frevler, der den Altar entweiht hat und an seiner eigenen Tat
wahnsinnig geworden war, hat sich selbst gerichtet, ist vergessen.
Am Höhepunkt des allgemeinen Lobgesangs erscheint er unauffällig,
so einfach gekleidet wie zu Beginn der Handlung, und stimmt mit ein in das
“Laudate Deum”, im kanonischen Zwiegesang mit dem Knabensolisten.

Der gesamte Gesang hatte die Form eines Kanons angenommen, der vor dem
Eintritt des Zelebranten durch einen leisen, geflüsterten Zuruf aller
Chöre “Pax tecum” – Friede sei mit Dir! –
unterbrochen wird. Daß den Künstlern eine besondere Rolle zukommt,
wird im Friedensgruß deutlich. Sie sind es, die die Botschaft des neuen
religiösen Bewußtseins weitergeben, sie verwenden dafür
schließlich sogar die lateinische Sprache, “Laudate Deum”,
“Pax tecum”. Mit einem “Gebetchoral” und einem leisen
Unisono-Amen schließt das Werk. Es ertönt die Stimme vom Tonband:
“The Mass is ended, go in peace!”
Bernstein war es in den Interviews zu “Mass” immer sehr wichtig
herauszustellen, daß die Botschaft bei Ausführenden und Zuhörern
angekommen sei.









MASS – AUFBAU:

ANDACHT VOR DER MESSE:
Kyrie Eleison vom Tonband
A simple Song (Zelebrant)
Alleluja vom Tonband
2.) ERSTER INTROITUS:

Kyrie, Christe Eleison (Street-Chorus und Marschkapelle)Kyrie
Eleison (Knabenchor + Knabensolo)

Kanon: Dominus vobiscum (Street-Chorus und
Knabenchor)

ZWEITER INTROITUS:
In nomine Patris (Zelebrant, danach Tonband)
Gebet für die Gemeinde (Chor)Choral: “Almighty
Father”

Epiphany (Oboensolo, Zelebrant)

SÜNDENBEKENNTNIS:
Confiteor (Chor)
Tropus: “I don’t know” (Rocksänger)
Tropus: “Easy” (Bluessänger +
Rocksänger)

MEDITATION No.1

GLORIA:
Gloria tibi (Knabenchor + Zelebrant)
Gloria in Excelsis (Chor)
Tropus: Half of the people (Street-Chorus)
Tropus: Thank you (Sopransolo)

MEDITATION No.2

LESUNG:
The word of the Lord (Zelebrant und Street-Chorus liest
Texte)

PREDIGT:
Gospel: God said (Preacher + Street-Chorus)


CREDO / GLAUBENSBEKENNTNIS:
Credo in unum Deum (Tonband)
Tropus: Non Credo (Bariton-Solo) Crucifixus etiam pro
nobis sub (Tonband)

Tropus: Hurry (Mezzosopran-Solo)Sedet ad dexteram Patris
(Tonband)

World without end (Mezzosopran-Solo)Et in spiritum Sanctum
(Tonband +Improvisationen des Street-Chorus)
e.) Tropus: I believe in God (Tenor-Solo)


MEDITATION No.3
De Profundis (Chor)

OFFERTORIUM/ GABENBEREITUNG:
Expectat anima mea (Knabenchor + Chor)

HOCHGEBET/ THE LORD’S PRAYER:
Our father (Zelebrant)
Tropus: I go on (Zelebrant)

SANCTUS:
Sanctus, Sanctus Dominus (Knabenchor)
Mi, Mi, Mi alone (Zelebrant)
Kadosh, Kadosh (Chor)

AGNUS DEI:
Agnus Dei (Street-Chorus)
Agnus Dei (Chor + Zelebrant gesprochen, Tenorsolo, Street-Chorus
improvisiert)

BROTBRECHUNG:
Things get broken (Zelebrant)

FRIEDEN/ KOMMUNION:
Flötensolo
Sing God a secret song, Lauda (Knabensolo + Soli des Street-Chorus,
später mit Chor)
( Knabensolo +Zelebrant)
c.) Almighty Father (Alle!)


DIE WICHTIGSTEN WERKE LEONARD BERNSTEINS:
3 Symphonien: JEREMIAH (für Altstimme und Orchester, 3
Sätze)
THE AGE OF ANXIETY ( für Klavier und
Orchester)
KADDISH ( für Sopran, Sprecher, Chor,
Knabenchor und Orchester; 3 Sätze)
Musicals: ON THE TOWN
WONDERFUL TOWN
WEST SIDE STORY
PENNSYLVANIA AVENUE
Opern: TROUBLE IN TAHITI (1 Akt)
CANDIDE ( zwischen Oper und Operette angesiedelt)
A QUIET PLACE (3 Akte)
Ballettmusik: FANCY FREE (7 Teile)
FACSIMILE
DYBBUK (3 Teile)

CHICHESTER PSALMS (für Chor, Knabensolo und Orchester; 3
Teile)
MISSA BREVIS für Acapella-Chor und Schlaginstrumente

Bernsteins kammermusikalische Werke entstanden zumeist anläßlich
besonderer Gelegenheiten: es sind Danksagungen und musikalische
Geschenke.
Deutlich zeigen dies die Anniversaries, kleine Stücke für Klavier
solo, die zu Gendenk- und Jahrestagen erdacht worden sind. Weiters gibt es noch
Klavier-, Violinsonaten und Klarinettensonaten.
Dieses Referat wurde eingesandt vom User: LumaLaLaine



Kommentare zum Referat Bernstein, Leonard: Mass - Theaterstück für Sänger: