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De bello Gallico - 2. Version - Referat
[1] Gallien in seiner Gesamtheit ist in drei Teile geteilt, von denen den einen die Belger bewohnen, den zweiten die Aquitanier und den dritten die, welche in ihrer eigenen Sprache Kelten, in unserer Gallier heißen. Diese alle sind nach Sprache, Einrichtungen und Gesetzen voneinander verschieden. Die Gallier trennt von den Aquitaniern der Fluß Garonne, von den Belgern die Marne und die Seine. Von diesen allen sind die Belger die tapfersten, deswegen weil sie von der Lebensweise und Bildung der römischen Provinz entfernt sind, keineswegs bei ihnen Kaufleute häufig ein- und ausgehen und das, was zur Verweichlichung der Gemüter dient, einführen, und weil sie am nächsten benachbart den Germanen sind, die jenseits des Rheines wohnen, mit denen sie ununterbrochen Krieg führen. Aus diesem Grunde übertreffen auch die Helvetier die übrigen Germanen an Tapferkeit, weil sie sich in fast täglichen Kämpfen mit den Germanen messen, indem sie entweder von ihren eigenen Grenzen sie abwehren oder selbst in deren Lande Krieg führen. Von ihnen ein Teil, den, wie gesagt, die Gallier innehaben, beginnt an der Rhone; er wird begrenzt von der Garonne, dem Ozean und von dem Lande der Belger; er berührt auch von der Seite der Sequaner, und Helvetier aus den Rhein; er liegt nach Norden zu. Das Gebiet der Belger beginnt an den äußersten Grenzen Galliens; es erstreckt sich bis zum unteren Teile des Rheines; es schaut nach Nordosten. Aquitanien erstreckt sich von der Garonne bis zum Pyrenäengebirge und demjenigen Teil des Ozeans, der bei Spanien ist; es schaut nach Nordwesten.
[2] Bei den Helvetiern war bei weitem am angesehensten und reichsten Orgetorix. Dieser, unter dem Konsulat des Marcus Messala und Marcus Piso von Verlangen nach der Königsherrschaft veranlaßt, stiftete eine Verschwörung des Adels an und überredete die Bürgerschaft, ihr Land mit allen Vorräten zu verlassen: es sei sehr leicht, da sie an Tapferkeit alle überträfen, sich der Herrschaft über ganz Gallien zu bemächtigen. Dazu überredete er sie um so leichter, weil die Helvetier auf allen Seiten durch die Natur des Landes eingeengt sind: auf der einen Seite durch den sehr breiten und sehr tiefen Rhein, der die Helvetiermark von den Germanen trennt, auf der anderen Seite durch das so hohe Juragebirge, das zwischen den Sequanern und Helvetiern liegt: auf der dritten durch den Genfer See und die Rhone, die unsere Provinz von den Helvetiern trennt. Dadurch kam es, daß sie sowohl weit weniger Streifzüge unternehmen als auch weniger leicht ihre Grenznachbarn angreifen konnten; in dieser Hinsicht waren die kriegslustigen Leute sehr bekümmert. Im Verhältnis zur Bevölkerungsmenge, ihrem Kriegsruhme und ihrer Tapferkeit glaubten sie ein zu kleines Land zu haben, das sich 240 Meilen in die Länge und 180 Meilen in die Breite erstreckte.
[3] Hierdurch veranlaßt und durch das Ansehen des Orgetorix bewogen, beschlossen sie, das, was ihrer Meinung zum Auszug gehörte, vorzubereiten, eine möglichst große Zahl Zugtiere und Karren aufzukaufen, möglichst große Saaten zu machen, damit unterwegs der Getreidevorrat lange, und mit den nächsten Stämmen Frieden und Freundschaft zu schließen. Zur Erledigung dieser Dinge genüge ihnen, glaubten sie, ein Zeitraum von zwei Jahren; auf das dritte Jahr setzen sie durch ein Gesetz den Aufbruch fest. Zur Ausführung dieser Maßnahmen wird Orgetorix gewählt. Dieser nahm die Gesandtschaft zu den Stämmen auf sich. Dabei überredet er den Casticus, des Catamantaloedes Sohn einen Sequaner, dessen Vater bei den Sequanern viele Jahre die Königsherrschaft innegehabt hatte und vom Senate des römischen Volkes "Freund" genannt worden war, sich in seinem Stamme des Thrones zu bemächtigen, den sein Vater vorher innegehabt hatte. Und ebenso überredet er den Häduer Dumnorix, den Bruder des Diviacus, der zu dieser Zeit die erste Stelle in seinem Stamme einnahm und beim Volke am meisten beliebt war, das gleiche zu versuchen, und gibt ihm seine Tochter zur Frau. Es sei sehr leicht auszuführen, macht er jenen klar, die Unternehmungen durchzuführen, deswegen weil er selbst in seinem Stamme die Macht übernehmen werde; es sei nicht zweifelhaft, daß von ganz Gallien die Helvetier die größte Macht besäßen; er versichert, er werde mit seinen Mitteln und seiner Heeresmacht ihnen zu Königsherrschaft verhelfen. Durch diese Rede verleitet, leisten sie untereinander den Treueid und geben sich der Hoffnung hin, daß sie nach Besitzergreifung der Königsherrschaft sich mit Hilfe der drei mächtigsten und stärksten Stämme ganz Gallien unterwerfen können.
[4] Dieser Plan wurde von den Helvetiern durch eine Anzeige gemeldet. Ihren Sitten gemäß zwangen sie Orgetorix, seine Sache gefesselt zu führen; daß dem Verurteilten die Strafe folgte, daß er verbrannt wurde, war erforderlich. An dem für die Verhandlung festgesetzten Tage ließ Orgetorix an der Gerichtsstätte seine gesamte Familie - an die 10000 Mann - von überall her sich einfinden, und alle seine Klienten sowie Schuldner, deren er eine große Menge hatte, führte er ebendort zusammen; durch diese befreite er sich davon, daß er sich verantwortete. Als der Stamm, deswegen erbittert, mit den Waffen sein Recht geltend zu machen versuchte und die Behörden eine Menge Menschen vom Lande zusammenbrachten, starb Orgetorix, und es liegt der Verdacht nicht fern, wie die Helvetier glauben, daß er selbst sich den Tod gegeben hat.
[5] Nach dessen Tode versuchen die Helvetier nichtsdestoweniger, das, was sie beschlossen hatten, auszuführen, daß sie nämlich aus ihrem Lande ausziehen. Sobald sie nun glaubten, sie seien dazu gerüstet, stecken sie alle ihre Städte, an Zahl etwa zwölf, ihre etwa 400 Dörfer und die übrigen Einzelgehöfte in Brand, verbrennen alles Getreide, außer dem, das sie mitzunehmen gedachten, damit sie, wenn die Aussicht auf eine Rückkehr in die Heimat genommen sei, bereiter zum Ertragen aller Gefahren seien, und befehlen, daß nur für drei Monate gemahlenes Getreide ein jeder für sich von daheim mitnehme. Sie überreden die Rauricer, Tulinger und Latobriger, ihre Grenznachbarn, denselben Plan benutzend nach Einäscherung ihrer Städte und Dörfer zusammen mit ihnen zu ziehen, und die Bojer, die jenseits des Rheines gewohnt hatten, in die Norische Mark hinübergezogen waren und Noreja belagert hatten, machen sie als bei sich aufgenommene sich zu Bundesgenossen.
[6] Es gab im ganzen nur zwei Wege, auf denen die Helvetier die Heimat verlassen konnten, einen durch das Gebiet der Sequaner, schmal und beschwerlich, zwischen dem Jura und der Rhone, wo die Karren kaum einzeln fahren konnten; ein sehr hoher Berg aber hing herüber, so daß mit Leichtigkeit sehr wenige sperren konnten; der andere, durch unsere Provinz, viel leichter und bequemer deswegen, weil zwischen dem Lande der Helvetier und dem der Allobroger, die unlängst erst bezwungen worden waren, die Rhone fließt und diese an einigen Stellen durch eine Furt überschritten wird. Die letzte Stadt der Allobroger und nächste dem Helvetiergebiete ist Genf. Aus dieser Stadt führt eine Brücke zu den Helvetiern. Sie würden die Allobroger, so glaubten die Helvetier, entweder überreden, weil sie noch nicht gut gesinnt gegen das römische Volk zu sein schienen, oder mit Gewalt zwingen, daß sie gestatteten, durch ihr Gebiet zu ziehen. Nachdem alles zum Aufbruch vorbereitet ist, setzen sie einen Tag fest, an dem sich alle am Rhoneufer einfinden sollen. Dieser Tag war der 5. vor den Kalenden des Aprils im Konsulatsjahre des Lucius Piso und Aulus Gabinius.
[7] Als Caesar das gemeldet wurde, das sie durch unsere Provinz zu ziehen versuchten, beeilt er sich, von der Stadt aufzubrechen und reist, so schnell er kann, ins jenseitige Gallien und trifft in der Gegend von Genf ein. Der gesamten Provinz befiehlt er, eine möglichst große Anzahl Soldaten zu stellen - es stand im ganzen im jenseitigen Gallien nur eine Legion -, die Brücke, die bei Genf war, läßt er abbrechen. Sobald die Helvetier von seiner Ankunft benachrichtigt worden sind, schicken sie als Gesandte zu ihm die Vornehmsten ihres Stammes, in welcher Gesandtschaft Nammejus und Veroclötius die erste Stelle einnahmen, die sagen sollten, sie hätten im Sinne, ohne irgendwelche Gewalttätigkeit durch die Provinz zu ziehen, deswegen, weil sie keinen anderen Weg hätten: sie bäten darum, daß es ihnen erlaubt sei, das mit seiner Genehmigung zu tun. Weil sich Caesar erinnerte, daß von den Helvetiern der Konsul Lucius Cassius getötet und sein Heer geschlagen und unters Joch geschickt worden war, glaubte er, nicht einwilligen zu dürfen; auch glaubte er nicht, daß Leute von feindlicher Gesinnung, wenn die Gelegenheit, durch die Provinz zu ziehen, geboten sei, einer Rechtsverletzung und Gewalttat enthalten würden. Damit jedoch eine Zeit dazwischen vergehen könne, bis die Leute, die er verlangt hatte, zusammenkämen, antwortete er den Gesandten, er werde sich eine Frist zum Überlegen nehmen; wenn sie etwas wollten, sollten sie an den Iden des Aprils wiederkommen.
[8] Unterdessen legt er mit der Legion, die er bei sich hatte, und mit den Soldaten, die aus der Provinz zusammengekommen waren, vom Genfer See, der in die Rhone fließt bis zum Juragebirge, das das Gebiet der Sequaner von den Helvetiern trennt, eine Mauer von 19000 Doppelschritt Länge und 16 Fuß Höhe an und einen Graben davor. Nachdem dieses Werk vollendet ist, stellt er an verschiedenen Punkten Schutzpfosten auf und läßt Bastionen errichten, damit er um so leichter abwehren könne, falls sie wider seinen Willen überzusetzen versuchen sollten. Sobald der Termin, den er mit den Gesandten vereinbart hatte, gekommen ist und die Gesandten zu ihm zurückgekehrt sind, erklärt er, er könne nach Herkommen und Brauch des römischen Volkes keinem den Zug durch die Provinz erlauben, und macht klar, daß er es verhindern werde, falls sie Gewalt anzuwenden versuchen sollten. Die Helvetier, in dieser Hoffnung getäuscht, versuchten auf zusammengekoppelten Schiffen und mehreren dazu gezimmerten Flößen, andere an seichten Stellen der Rhone, wo die Tiefe des Flusses am geringsten war, bisweilen bei Tage, häufiger bei Nacht, ob sie durchbrechen könnten, wurden aber durch die Stärke der Verschanzung, den Zusammenlauf der Soldaten und die Geschosse zurückgetrieben und standen von diesem Versuch ab.
[9] So blieb nur der Weg durch das Land der Sequaner übrig, auf dem sie aber wegen seiner Enge gegen den Willen der Sequaner nicht ziehen konnten. Da sie diese von sich aus nicht überreden konnten, schicken sie Gesandte an den Häduer Dumnorix, um es durch seine Fürsprache von den Sequanern zu erwirken. Dumnorix besaß durch Beliebtheit und Freigiebigkeit bei den Sequanern einen sehr großen Einfluß und war den Helvetiern Freund, weil er aus diesem Staate des Orgetorix Tochter als Gattin heimgeführt hatte, aus Verlangen nach der Königsherrschaft auf Neuerungen sann und möglichst viele Stämme durch persönliche Gunstbezeichnung verpflichtet haben wollte. Daher übernimmt er die Sache und erreicht von den Sequanern, daß sie die Helvetier durch ihr Land ziehen lassen, und setzt durch, daß sie untereinander Geiseln stellen: die Sequaner, damit sie die Helvetier nicht am Marsche hindern, die Helvetier, damit sie ohne Gewalttat und Unbill hindurchziehen.
[10] Caesar wird gemeldet, die Helvetier hätten im Sinne, durch die Mark der Sequaner und Häduer ins Gebiet der Santoner zu ziehen, die nicht weit vom Gebiet der Tolosaten entfernt sind, eines kriegerischen Stammes in der Provinz. Caesar sah ein, daß es, wenn dies geschehe, mit großer Gefahr für die Provinz verbunden sein werde, daß sie mit kriegslustigen Menschen, Feinden des römischen Volkes, mit ihrem offenen und ganz besonders getreidereichem Gelände als Grenznachbarn habe. Infolgedessen stellte er diejenige Befestigung, die er hatte anlegen lassen, unter den Befehl des Legaten Titus Labienus; er selbst reist in Eile nach Italien, hebt daselbst zwei Legionen aus, führt die drei Legionen, die bei Aquileja überwintern, aus dem Winterlager heraus und beeilt sich, wo der nächste Weg ins jenseitige Gallien über die Alpen führte, mit diesen fünf Legionen zurückzukehren. Dort versuchen die Ceutronen, Grajoceler und Caturigen nach Besetzung der Anhöhen das Heer am Weitermarsche zu hindern. Nachdem diese in mehreren Gefechten geschlagen worden sind, gelangt Caesar von Ocelum, welches die letzte Stadt der diesseitigen Provinz ist, ins Gebiet der Vocontier in der jenseitigen Provinz am siebenten Tage: von dort führt er sein Heer ins Gebiet der Allobroger, von den Allobrogern zu den Segusiavern. Diese sind außerhalb der Provinz jenseits der Rhone die ersten.
[11] Die Helvetier hatten bereits ihre Scharen durch den Engpaß und das Gebiet der Sequaner hindurchgeführt, waren ins Gebiet der Häduer gelangt und verwüsteten deren Äcker. Da die Häduer sich und das Ihrige vor ihnen nicht schützen konnten, schicken sie Gesandte zu Caesar, um Hilfe zu erbitte; So hätten sie sich jederzeit um das römische Volk verdient gemacht, daß beinahe im Angesicht unseres Heeres die Äcker nicht hätten verwüstet werden, ihre Kinder nicht hätten in die Sklaverei weggeführt werden und die Städte nicht hätten erobert werden dürfen. Zu derselben Zeit teilen die Ambarrer, Schützlinge und Blutsverwandte der Häduer, Caesar mit, daß sie nach Verwüstung ihrer Fluren nicht leicht von ihren Städten den Ansturm der Feinde fernhalten. Ebenso flüchten sich die Allobroger, die jenseits der Rhone Dörfer und Ländereien besaßen, zu Caesar und tuen dar, daß ihnen außer ihrem Grund und Boden ihres Landes nichts übrig sei. Durch diese Mitteilungen bewogen, sagte sich Caesar, daß er nicht warten dürfe, bis die Helvetier nach Vernichtung der gesamten Habe seiner Bundesgenossen ins Gebiet der Santoner gelangten.
[12] Es gibt den Fluß Arar, der durch das Land der Häduer und Sequaner der Rhone zufließt in unglaublicher Langsamkeit, so daß man mit den Augen nicht beurteilen kann, nach welcher Seite er fließt. Die Helvetier waren gerade dabei, ihn auf Flößen und zusammengekoppelten Kähnen zu überschreiten. Sobald Caesar durch Kundschafter erfuhr, daß die Helvetier bereits drei Viertel ihrer Streitkräfte über diesen Fluß geführt hatten, daß etwa ein Viertel noch diesseits der Saone übrig sei, gelangte er, noch während der dritten Nachtwache mit drei Legionen auf dem Lager aufgebrochen seiend, zu dem Teile, der noch nicht den Fluß überschritten hatte. Er griff sie, die nicht kampfbereit und ahnungslos waren, an und machte einen großen Teil von ihnen nieder; die Übrigen flohen und verbargen sich in den nächsten Wäldern. Dieser Gau hieß Tigurinischer: denn die gesamte helvetische Bevölkerung zerfällt in vier Gaue. Dieser eine Gau hatte, als er die Heimat zur Zeit unserer Väter verlassen hatte, den Konsul Lucius Cassius getötet und sein Heer unters Joch geschickt. So mußte, sei es durch Zufall oder nach dem Ratschluß der unsterblichen Götter, derjenige Teil der helvetischen Bevölkerung, der dem römischen Volke eine empfindliche Niederlage beigebracht hatte, zuerst büßen. Dabei rächte Caesar nicht nur staatliches, sondern auch privates Unrecht, weil seines Schwiegervaters Lucius Piso Großvater, den Legaten Lucius Piso, die Tiguriner in demselben Treffen wie den Cassius getötet hatten.
[13] Nachdem dieses Treffen stattgefunden hatte, läßt Caesar, um die übrigen Scharen der Helvetier einholen zu können, eine Brücke über die Saone schlagen uind führt so sein Heer herüber. Die Helvetier, durch sein plötzliches Erscheinen beeindruckt, da sie einsahen, daß das, was sie selbst in zwanzig Tagen nur mit größter Mühe fertiggebracht hatten, daß sie nämlich den Fluß überschritten, jener an einem Tage geschafft hatte, schicken Gesandte zu ihm; dieser Gesandtschaft Führer war Divico, der im Kriege mit Cassius Führer der Helvetier gewesen war. Dieser verhandelte folgendermaßen mit Caesar: Wenn das römische Volk mit den Helvetiern Frieden schließe, so würden die Helvetier dorthin ziehen und dort sich aufhalten, wo Caesar sie ansiedele und wünsche, daß sie sich aufhielten: suche er sie aber weiterhin mit Krieg heim, so möge er sowohl des alten Mißgeschickes des römischen Volkes als auch der alten Tapferkeit der Helvetier gedenken. Wenn er unversehens einen einzigen Gau angegriffen, da diejenigen, die den Fluß überschritten hätten, den ihrigen keine Hilfe bringen konnten, so solle er deswegen entweder nicht stolz auf seine Tätigkeit sein oder sie selbst geringschätzen. Sie hätten es so von ihren Vätern und Ahnen gelernt, daß sie mehr mit Tapferkeit kämpften als sich auf List oder Hinterhalt verließen. Deshalb solle er nicht Veranlassung geben, daß der Ort, wo sie stünden, von einer Niederlage des römischen Volkes einen Namen erhalte und die Erinnerung daran überliefere.
[14] Diesen antwortete Caesar folgendermaßen: Umso weniger gebe es für ihn Bedenken, weil er das, was die helvetischen Gesandten erwähnt hätten, noch im Gedächtnis habe, und er empfinde es um so schmerzlicher, je weniger es sich durch das Verschulden des römischen Volkes ereignet habe: wenn sich dieses nämlich irgendeines Unrechts bewußt gewesen wäre, so wäre es nicht schwer gewesen, auf der Hut zu sein; aber darin habe es sich getäuscht, insofern es wieder einsehe, daß von ihm etwas begangen sei, weshalb es sich zu fürchten habe, noch glaube, ohne Grund zu fürchten zu sein. Wenn er aber auch die alte Schmach vergessen wolle, könne er etwa auch die Erinnerung an die eben erst verübten Gewalttätigkeiten, daß sie gegen seinen Willen gewaltsam versucht hätten, durch die Provinz zu ziehen, daß sie die Häduer, daß sie die Ambarrer und daß sie die Allobroger heimgesucht hätten, aus seinem Gedächtnisse tilgen? Wenn sie sich ihres Sieges so ungebührlich rühmen und wenn sie sich wunderten, daß sie so lange straflos mit ihren Gewalttätigkeiten durchgekommen seien, so weise das gleichfalls darauf hin. Die unsterblichen Götter seien es nämlich gewöhnt, damit Menschen um so heftigeren Schmerz infolge eines Wechsels ihres Geschicks empfänden, denjenigen, die sie für ihre Ruchlosigkeit büßen lassen wollten, bisweilen größeres Glück und längere Straflosigkeit zu bewilligen. Obgleich dem so sei, werde er dennoch mit ihnen Frieden schließen, wenn Geiseln von ihnen ihm gestellt würden, damit er einsehe, daß sie das, was sie versprächen, tun würden, und wenn sie den Häduern für die Gewalttätigkeiten, die sie ihnen selbst und ihren Bundesgenossen zugefügt hätten, ebenso wenn sie den Allobrogern Genugtuung leisteten. Divico antwortete: So seien die Helvetier von ihren Vorfahren unterwiesen worden, daß sie Geiseln anzunehmen, nicht zu stellen gewohnt seien: dessen sei das römische Volk Zeuge. Nachdem er diese Antwort gegeben hatte, ging er weg.
[15] Am folgenden Tage brechen die Helvetier von diesem Platze auf. Das gleiche tut Caesar, und er schickt die gesamte Reiterei, an Zahl etwa 4 000 Mann, die er aus der gesamten Provinz und den Ländern der Häduer und ihrer Bundesgenossen zusammengezogen hatte, voraus, die sehen soll, nach welchen Seiten die Feinde ziehen. Diese, der Nachhut zu hitzig nachgesetzt habend, geraten auf ungünstigem Gelände mit der Reiterei der Helvetier ins Gefecht, und nur einige wenige von den Unsrigen fallen. Durch dieses Treffen übermütig gemacht, weil sie mit nur 500 Reitern eine so große Menge von Reitern geworfen hatten, begannen sie, mit größerer Kühnheit von Zeit zu Zeit haltzumachen und mit ihrer Nachhut die Unsrigen zum Kampfe herauszufordern. Caesar hielt seine Leute von einem Kampfe zurück und begnügte sich für den Augenblick damit, den Feind an Räubereien, Streifzügen nach Futter und Verwüstungen zu hindern. Etwa 15 Tage marschierte man in der Weise, daß zwischen der Nachhut der Feinde und unserer Vorhut nicht mehr als fünf oder sechs Meilen Zwischenraum war.
[16] Inzwischen verlangte Caesar täglich von den Häduern das Getreide, das sie im Namen ihres Stammes versprochen hätten. Denn wegen der kalten Witterung, weil Gallien nach Norden, wie oben erwähnt, liegt, war nicht nur das Getreide auf den Feldern nicht reif, sondern es war auch nicht einmal an Grünfutter eine genügend große Menge vorhanden; dasjenige Getreide aber, das Caesar auf der Saone in Schiffen nachgeführt hatte, konnte er deshalb weniger verwenden, weil die Helvetier von der Saone abgebogen waren, von denen er nicht weggehen wollte. Von Tag zu Tag zogen die Häduer die Sache hin: man liefere ab, man speichere auf, das Getreide sei da, sagten sie. Sobald Caesar einsah, daß er zu lange hingehalten wurde und daß der Tag bevorstand, an dem man den Soldaten ihr Getreide zuteilen mußte, nachdem ihre Fürsten zusammengerufen waren, von denen er eine große Menge im Lager hatte, unter diesen Diviacus und Liscus, der das höchste Amt verwaltete, den die Häduer Vergobret nennen, der jährlich gewählt wird und Gewalt über Leben und Tod den Untergebenen gegenüber besitzt - klagt er sie schwer an, daß er, obgleich weder gekauft noch von den Feldern genommen werden könnte, in so gefährlicher Zeit, bei solcher Nähe der Feinde von ihnen nicht unterstützt werde, zumal da er, zu einem großen Teile durch ihre Bitten veranlaßt, den Krieg unternommen habe, viel schwerer noch beklagt er sich, daß er hintergangen sei.
[17] Jetzt erst bringt Liscus, durch die Rede Caesars veranlaßt, vor, was er vordem verschwiegen hatte: Es gebe einige, deren Ansehen beim niederen Volke sehr viel gelte, die als Privatleute größeren Einfluß besäßen als selbst die Behörden. Diese hielten durch aufrührerische und boshafte Rede die große Masse davon zurück, das Getreide zu liefern, das sie liefern sollten: es sei besser, wenn sie schon die Führung in Gallien nicht behaupten könnten, das Regiment der Gallier als das der Römer zu ertragen; auch zweifelten sie nicht daran, daß die Römer, wenn sie die Helvetier überwunden hätten, zusammen mit dem übrigen Gallien den Häduern die Freiheit rauben würden. Von denselben würden unsere Pläne und was im Lager vor sich gehe den Feinden verraten; diese könnten von ihm nicht im Zaume gehalten werden. Ja, was er, durch die Notlage gezwungen, Caesar mitgeteilt habe, so sehe er ein, unter welch großer Gefahr er das getan habe, und aus diesem Grunde habe er, so lange er gekonnt, geschwiegen.
[18] Caesar merkte, daß durch diese Rede des Liscus Dumnorix, der Bruder des Diviciacus, gemeint sei, aber, weil er nicht wollte, daß diese Angelegenheiten in Anwesenheit mehrerer erörtert würden, entläßt er schnell die Versammlung, den Liscus behält er zurück. Er befragt ihn unter vier Augen über das, was er in der Zusammenkunft geäußert hatte. Er äußert sich freier und kühner. Nach dem gleichen erkundigt sich Caesar im geheimen bei anderen; er fand, daß es wahr war. Dumnorix selbst sei es, von äußerster Verwegenheit, von großer Beliebtheit beim niederen Volke wegen seiner Freigiebigkeit und begierig nach Neuerungen. Mehrere Jahre habe er die Zölle und alle übrigen staatlichen Einkünfte der Häduer für einen geringen Preis gekauft und zwar deswegen, weil, wenn er biete, niemand dagegen zu bieten wage. Dadurch habe er sowohl sein persönliches Vermögen vergrößert als auch reiche Mittel zum Schenken erworben; eine große Zahl Reiterei unterhalte er immer auf eigene Kosten und habe sie um sich, und nicht nur in der Heimat, sondern auch bei den Nachbarstämmen sei sein Einfluß groß, und dieses Einflusses wegen habe er seine Mutter im Lande der Bituriger an einen äußerst vornehmen und mächtigen Mann verheiratet, er selbst habe eine Frau aus Helvetien und eine Schwester von mütterlicher Seite sowie seine weiblichen Verwandten in andere Stämme verheiratet. Wegen dieser Verwandtschaft sei er den Helvetiern günstig gesinnt und gewogen, er hasse auch aus persönlicher Gründen Caesar und die Römer, weil durch ihre Ankunft seine Macht geschwächt und sein Bruder in seine alte Stellung von Gunst und Ansehen wieder eingesetzt worden sei. Wenn den Römern etwas widerfahre, so komme er in die höchste Hoffnung, mit Hilfe der Helvetier die Königsherrschaft zu erlangen; unter der Herrschaft des römischen Volkes gebe er die Hoffnung nicht nur auf die Königsherrschaft auf, sondern auch auf die Behauptung des Einflusses, den er besitze. Caesar bekam auch bei der Untersuchung nach und nach heraus, daß in dem unglücklichen Reitertreffen vor wenigen Tagen der Anfang mit seiner Flucht von Dumnorix und seinen Reitern gemacht worden sei - denn die Reiterei, die die Häduer Caesar zu Hilfe geschickt hatten, stand unter dem Befehle des Dumnorix', durch deren Flucht sei die übrige Reiterei erschreckt worden.
[19] Nachdem dies in Erfahrung gebracht worden war, da zu diesen Verdachtsgründen die völlig sicheren Tatsachen hinzukamen, daß er die Helvetier durchs Land der Sequaner geführt habe, daß er unter ihnen habe Geiseln stellen lassen, daß er dies alles nicht bloß seinen und des Stammes Befehl, sondern sogar ohne ihr Wissen getan habe und daß er von dem Oberhaupte der Häduer beschuldigt werde, glaubte Caesar, es sei genügend Grund vorhanden, daß er gegen ihn entweder selbst einschreiten werde oder dem Stamme einzuschreiten befehle. Diesen Gründen allen stand nur das eine dagegen, daß er seines Bruders Diviciacus Ergebenheit dem römischen Volke gegenüber, als die höchste, seine ausgezeichnete Treue, Gerechtigkeit und Maßhaltung kennegelernt hatte; denn er füchtete, durch seine Hinrichtung Diviciacus zu kränken. Daher läßt er, bevor er etwas unternimmt, Diviciacus zu sich rufen, und nach Entfernung der alltäglichen Dolmetscher bespricht er sich mit ihm durch Vermittlung des Gajus Valerius Procillus, eines Fürsten der Provinz Gallien, eines guten Freundes von ihm, dem er in allen Dingen das höchste Vertrauen schenkte; zugleich erinnert er daran, was in seiner Gegenwart in der Versammlung der Gallier über Dumnorix gesagt worden ist, und offenbart, was jeder einzeln über ihn bei ihm gesagt hat. Er bittet und fordert ihn auf, daß er ohne eine Kränkung seinerseits entweder selbst inbetreff seiner nach Untersuchung der Sache beschließen oder dem Stamme zu beschließen befehlen dürfe.
[20] Diviacus, unter vielen Tränen Caesar umarmend, begann ihn zu beschwören, er möge nicht zu streng gegen seinen Bruder vorgehen. Er wisse, daß jenes wahr sei und niemand empfinde darüber mehr Kummer als er, und zwar deshalb, weil, während er selbst den größten Einfluß in seiner Heimat und im übrigen Gallien besessen habe jener wegen seiner Jugend ganz wenig gegolten habe und durch ihn emporgekommen sei: diese Machtmittel und diesen Einfluß benutze er nicht nur zur Schwächung seines Ansehens, sondern beinahe zu seinem Verderben. Er jedoch lasse sich durch Bruderliebe und die Meinung des Volkes bewegen. Wenn ihm nun etwas zu schweres von Caesar widerfahre, obgleich er selbst diese freundschaftliche Stellung bei ihm einnehme, werde niemand glauben, er sei nicht mit seinem Willen geschehen; die Folge davon werde sein, daß sich des gesamten Galliens Gesinnung von ihm abwenden würde. Als er dies mit mehr Worten weinend von Caesar erbat, ergreift dieser seine Rechte; er tröstet und bittet ihn, seinem Bitten ein Ende zu machen; er weist darauf hin, daß ihm seine Beliebtheit bei ihm so viel gelte, daß er sowohl das Unrecht dem römischen Staate gegenüber, als auch seine persönliche Kränkung seinem Wunsche und seiner Fürbitte gleichsam schenke. Dumnorix ruft er zu sich; den Bruder zieht er hinzu; was er an ihm zu tadeln hat, legt er da; was er selbst wahrnimmt, worüber sich der Stamm beschwert, tut er ihm kund; für die Zukunft möge er all Veranlassungen zu Verdacht vermeiden; das Vergangene, so erklärt er, verzeihe er dem Bruder Diviacus zuliebe. Dem Dumnorix stellt Wächter, damit er, was er tut, mit wem er sich bespricht, wissen kann.
[21] An demselben Tage von Aufklärern benachrichtigt, die Feinde hätten am Fuße des Berges eine Stellung bezogen, 8000 Doppelschritte (12 km) von seinem eigenen Lager entfernt, schickte er Leute aus, die erkunden sollten, wie beschaffen die Natur des Berges und wie beschaffen ringsum der Anstieg sei. Es wurde zurückgemeldet, er sei leicht. Caesar befiehlt dem Titus Labienus, seinem stellvertretendem Legaten, noch während der dritten Nachtwache mit zwei Legionen und unter Führung derer, die den Weg erkundet hatten, den Gipfel des Berges zu ersteigen; was sein Plan ist, erklärt er. Er selbst rückt noch währen der vierten Nachtwache auf demselben Wege, auf dem die Feinde gezogen waren, gegen sie in Eile an und schickt die gesamte Reiterei vor sich her. Publius Considius, der als sehr erfahren im Kriegswesen galt und im Heere des Lucius Sulla und danach in dem des Marcus Crassus gedient hatte, wird mit Aufklärern vorausgeschickt.
[22] Bei Tagesanbruch, als der Gipfel des Berges von Labienus besetzt gehalten wurde, Caesar selbst vom Lager der Feinde nicht weiter als 1500 Doppelschritte entfernt war und, wie er später von Gefangenen erfuhr, weder seine Ankunft noch die des Labienus erkannt worden war, kommt Considius in vollem Galopp zu ihm gesprengt und meldet, der Berg, von dem er gewollt habe, daß er von Labienus besetzt werde, werde von den Feinden gehalten; das habe er an den gallischen Waffen und Abzeichen erkannt. Caesar läßt seine Truppen auf den nächsten Hügel rücken, stellt sie in Schlachtordnung auf. Labienus wartete nach Besetzung des Berges auf die Unsrigen und enthielt sich des Kampfes, wie ihm von Caesar befohlen war, nicht anzugreifen, wenn nicht seine Truppen in der Nähe des Lagers der Feinde gesehen worden wären, damit von allen Seiten sie Feinde gleichzeitig angegriffen würden. Spät am Tage erfuhr Caesar schließlich durch Aufklärer sowohl, daß der Berg von seinen Leuten besetzt gehalten werde, als auch, daß die Helvetier weitergezogen seien und daß Considius, durch Angst erschreckt, was er nicht gesehen habe, als gesehen ihm gemeldet habe. An diesem Tage rückt Caesar in dem Abstand, in dem er es gewohnt war, den Feinden nach und schlägt 3000 Doppelschritte von ihrem Lager entfernt sein Lager auf.
[23] Am Tage nach diesem Tage glaubte Caesar, weil überhaupt nur noch zwei Tage übrig waren, bis man dem Heere das Getreide zumessen mußte, und weil er von Bibracte, der weit größten und reichsten Stadt der Häduer als 18000 Doppelschritte entfernt war, für die Verpflegung sorgen zu müssen; er bog von den Helvetiern ab und zog in Eile auf Bibracte zu. Das wird durch Flüchtlinge von Lucius Ämilius, eines Zugführers der gallischen Reiter, den Feinden gemeldet. Die Helvetier, sei es, weil sie glaubten, daß die Römer sich aus Furcht von ihnen absetzten, um so mehr, weil sie tagszuvor, obgleich sie die Höhen besetzt hatten, nicht angegriffen hatten, oder sei es deshalb, weil sie darauf vertrauten, daß sie von der Verpflegung abgeschnitten werden konnten, änderten den Plan, machten kehrt und begannen, die Unsrigen von der Nachhut her zu verfolgen und anzugreifen.
[24] Nachdem Caesar dies bemerkt hat, führt er seine Truppen auf den nächsten Hügel und schickte die Reiterei vor, die den Angriff der Feinde auffangen sollte. In der Zwischenzeit stellte er auf halber Höhe des Hügels die dreifache Schlachtreihe seiner vier alten Legionen auf, aber oben auf dem Hügel befahl er die zwei Legionen aufzustellen, die er im diesseitigen Gallien ganz vor kurzem ausgehoben hatte, sowie alle Hilfstruppen, und den ganzen Berg von Menschen dicht zu besetzen und das ganze Gepäck inzwischen an eine Stelle zu schaffen und sie von diesen zu sichern. Die Helvetier, die alle mit ihren Karren gefolgt waren, brachten ihren Troß an eine Stelle; in dichtgedrängter Schlachtstellung warfen sie unsere Reiterei zurück, bildeten eine Phalanx und rückten gegen unser erstes Treffen von unten an.
[25] Caesar ließ zuerst sein Pferd, dann die Pferde aller aus dem Gesichtskreise entfernen, um die Gefahr aller gleich zu machen und die Aussicht zu nehmen, feuerte seine Leute an und begann den Kampf. Die Soldaten durchbrachen ohne Mühe mit ihren von oben geworfenen Pilen die Phalanx der Feinde. Nachdem diese gesprengt war, machten sie mit gezückten Schwertern einen Angriff auf sie. Diesen war es für den Kampf ein großes Hindernis, daß, wenn mehrere ihrer Schilde durch einen Pilenwurf durchbohrt und aneinandergeheftet waren, da sich die Eisenspitze umgebogen hatte und sie es weder herausreißen noch infolge der Verhinderung ihrer Linken nicht ordentlich kämpfen konnten, so daß viele, nachdem der Arm lange geschüttelt worden war, es vorzogen, den Schild wegzuwerfen und mit ungedecktem Körper zu kämpfen. Schließlich begannen sie, durch Wunden erschöpft, zu weichen, und weil ein Berg in der Nähe war, in einer Entfernung von etwa 1500 Doppelschritten sich dorthin zurückzuziehen. Als der Berg besetzt war und die Unsrigen von unten nachrückten, griffen die Bojer und die Tulinger, die mit ungefähr 15000 Mann den Zug der Feinde schlossen und der Nachhut zu Deckung dienten, unmittelbar vom Marsch aus auf der ungedeckten Seite an und suchten sie zu umzingeln, und das gesehen habend, begannen die Helvetier, die sich auf den Berg zurückgezogen hatten, wiederum vorzudringen und den Kampf zu erneuern. Die Römer trugen die gewendeten Feldzeichen nach zwei Seiten: das erste und zweite Treffen, um den Geschlagenen und Zurückgeworfenen Widerstand zu leisten, das dritte, um die Anrückenden aufzuhalten.
[26] So wurde in einer Doppelschlacht lange und hitzig gekämpft. Als sie die Angriffe der Unsrigen nicht länger aushalten konnten, zogen sich die einen, wie sie begonnen hatten, auf den Berg zurück, die anderen begaben sich zum Gepäck und ihren Karren. Denn in dieser ganzen Schlacht hat, obwohl von der 7. Stunde bis gegen Abend gekämpft worden ist, einen fliehenden Feind niemand sehen können. Bis in die tiefe Nacht wurde auch beim Gepäck gekämpft, deshalb weil sie die Karren statt eines Walles entgegengestellt hatten und von dem höheren Orte aus auf die anrückenden Unsrigen schossen und weil einige aus den Zwischenräumen der Karren und Räder ihre Wurfspeere und Wurfspieße von unten her schleuderten und verwundeten. Als lange gekämpft worden war, bemächtigten sich die Unsrigen des Gepäcks und des Lagers. Hier wurden die Tochter der Orgetorix und einer seiner Söhne gefangengenommen. Aus dieser Schlacht blieben ungefähr 130000 Menschen übrig, und sie zogen noch in dieser ganzen Nacht ohne Aufenthalt weiter; nachdem der Marsch auch keinen Teil der Nacht ausgesetzt worden war, gelangten sie am vierten Tage ins Gebiet der Lingoner. Da die Unsrigen sowohl wegen der Wunden der Soldaten als auch wegen der Bestattung der Gefallenen einen Aufenthalt von drei Tagen gehabt und ihnen nicht hatten folgen können. Caesar schickte zu den Lingonen Boten mit einem Schreiben, sie möchten sie nicht mit Getreide und nicht mit etwas anderem unterstützen; andernfalls werde er sie auf dieselbe Weise wie die Helvetier behandeln. Er selbst begann nach Verlauf von drei Tagen mit allen Truppen diesen zu folgen.
[27] Die Helvetier, durch Mangel an allem bewogen, schickten Gesandte betreffs Unterwerfung an ihn. Als diese ihn auf dem Marsch getroffen und sich ihm zu Füßen geworfen hatten und er ihnen befohlen hatte, an derjenigen Stelle, wo sie jetzt seien, auf sein Kommen zu warten, gehorchten sie. Nachdem Caesar dorthin gelangt war, verlangte er Geiseln, ihre Waffen und die Sklaven, die zu ihnen übergelaufen seien. Während dies zusammengesucht und zusammengebracht wurde und es inzwischen Nacht geworden war, verließen etwa 6000 Mann desjenigen Gaus, der Verbigenus heißt, zu Beginn der Nacht das Lager der Helvetier und zogen in Eile nach dem Rhein und dem Gebiet der Germanen, sei es aus Furcht, daß sie nach Ablieferung der Waffen niedergemacht würden, oder sei es durch die Aussicht auf Rettung bewogen, weil sie glauben mochten, daß bei der so großen Menge der Unterworfenen ihre Flucht entweder verborgen bleiben oder überhaupt nicht gemerkt werden könne.
[28] Sobald Caesar dies erfuhr, befahl er denen, durch deren Gebiet sie gezogen waren, sie sollten sie aufgreifen und zu ihm zurückführen, wenn sie in seinen Augen gerechtfertigt sein wollten. Die Zurückgeführten behandelte er als Feinde; die übrigen alle nahm er nach Auslieferung der Geiseln, Waffen und Überläufern als Untertanen auf. Den Helvetiern, Tulingern und Latovicern befahl er, in die Gebiete, von wo sie ausgezogen waren, zurückzukehren, und weil nach Verlust aller Feldfrüchte in der Heimat nichts mehr war, womit sie den Hunger ertragen konnten, wies er die Allobroger an, sie sollten ihnen Gelegenheit zu Getreide geben, ihnen selbst befahl er, die Städte und Dörfer, die sie eingeäschert hatten, wiederaufzubauen. Das tat er hauptsächlich aus dem Grunde, weil er nicht wollte, daß der Raum, aus dem die Helvetier weggezogen waren, freibleibe, damit nicht wegen der guten Beschaffenheit des Bodens die Germanen, die jenseits des Rheines wohnen, aus ihrem Gebiete herüberkämen und dann der Provinz Gallien und den Allobrogern benachbart wären. Den Häduern gestattete er auf ihre Bitte, die Bojer, weil sie durch hervorragende Tapferkeit bekannt waren, in ihrem Lande anzusiedeln; diesen gaben jene Grund und Boden, und später nahmen sie sie in das gleiche Verhältnis von Recht und Unabhängigkeit auf, in dem sie selbst standen.
[29] Im Lager der Helvetier fand man Listen in griechischer Schrift und brachte sie zu Caesar. Auf diesen Listen war ein Verzeichnis unter Angabe von Namen zusammengestellt, welche Zahl ausgewandert sei von denjenigen, die Waffen tragen könnten und ebenso gesondert die Jugendlichen, die Alten und die Frauen. Aller dieser Rubriken Gesamtzahl waren 263 000 Helvetier, 36 000 Tulinger, 14 000 Latovicer, 23 000 Rauricer und 32 000 Bojer, unter diesen 92 000, die Waffen tragen konnten. Die Gesamtzahl war etwa 368 000. Von denen, die in die Heimat zurückkehrten, wurde, als eine Zählung angestellt wurde, wie Caesar befohlen hatte, eine Zahl von 110 000 ermittelt.
[30] Nachdem der Krieg mit den Helvetiern beendet war, fanden sich Gesandte fast ganz Galliens, die Fürsten der Stämme, bei Caesar ein, um ihre Glückwünsche zu bringen. Sie sähen ein, daß, obgleich er für die alten Übergriffe der Helvetier gegen das römische Volk von ihnen durch den Krieg Buße gefordert habe, dies dennoch nicht weniger vorteil-haft für das Land Gallien als für das römische Volk sich ereignet habe, und zwar deshalb, weil die Helvetier trotz der blühendsten Verhältnisse ihre Heimat verlassen hätten, in der Absicht, ganz Gallien mit Krieg zu überziehen, sich der Herrschaft zu bemächtigen, aus dem großen Bereiche die Gegend als Wohnsitz auszu-wählen, die sie von ganz Gallien für die günstigste und fruchtbarste hielten, und die übrigen Stämme alle als tributpflichtige zu haben. Sie baten darum, es möchte ihnen erlaubt sein, einen Landtag ganz Galliens für einen bestimmten Termin anzusagen und das mit Caesars Genehmigung zu tun; sie hätten etliches, worum sie ihn auf Grund allgemeiner Zustimmung bitten wollten. Nachdem dies erlaubt worden war, setzten sie einen Termin für den Landtag fest und bestimmten feierlich durch einen Eid untereinander, daß niemand eine Aussage machen sollte außer denen, die auf gemeinsamen Beschluß den Auftrag dazu erhielten.
[31] Nachdem dieser Landtag entlassen worden war, kehrten dieselben Stammesfürsten, die vorher dagewesen waren, zu Caesar zurück und baten darum, daß es ihnen erlaubt sein möchte, mit ihm ohne Zeugen über ihr eigenes Heil und das aller zu verhandeln. Als sie das erreicht hatten, warfen sie sich alle weinend Caesar zu Füßen. Ihr Streben und ihre Sorge seien nicht weniger darauf gerichtet, daß das, was sie sagten, nicht verraten werde, als darauf, daß sie das, was sie wollten, erlangten. Deswegen weil sie sähen, daß sie, wenn ein Verrat stattfinde, der schlimmsten Marter entgegengehen würden. Für sie führte der Häduer Diviciacus das Wort: Gesamtgalliens Parteien seien an Zahl zwei; die Führung der einen hätten die Häduer inne, die der anderen die Arverner. Als diese so erbittert um die Vormachtstellung unter sich viele Jahre stritten, sei es nahm gekommen, daß von den Arvernern und Sequanern Germanen als Söldner herbeigeholt wurden. Von diesen hätten zuerst etwa 15000 den Rhein überschritten; nachdem die wilden und barbarischen Gesellen an Land, Lebensweise und Wohlstand der Gallier Geschmack gefunden hätten, seien noch mehr herübergebracht worden; jetzt seien in Gallien an die 120 000. Mit diesen hätten sich die Häduer und ihre Klienten zu wiederholten Malen im Kampfe gemessen; geschlagen hätten sie eine schwere Niederlage erlitten; ihren gesamten Adel, ihren gesamten Rat und ihre gesamte Ritterschaft hätten sie eingebüßt. Durch diese Kämpfe und Niederlagen gebrochen seien sie, die sowohl durch ihre Tapferkeit als auch durch ihre Gast- und Staatsfreundschaft mit dem römischen Volke den größten Einfluß vorher in Gallien gehabt hätten, gezwungen worden, die Vornehmsten ihres Stammes den Sequanern als Geiseln zu geben und ihren Stamm durch einen Eid zu verpflichten, weder die Geiseln zurückzuverlangen noch das römische Volk um Hilfe anzuflehen noch sich zu weigern, unter der dauernden Botmäßigkeit und Herrschaft jener zu stehen. Er sei der einzige aus dem gesamten Stamme der Häduer, der nicht habe veranlaßt werden können, den Eid zu leisten oder seine Kinder als Geiseln zu geben. Deswegen sei er aus dem Stamme geflohen und nach Rom zum Senate gekommen, um Hilfe zu verlangen, weil er allein weder durch einen Eid noch durch Geiseln gebunden sei. Aber schlimmer sei es den siegreichen Sequanern als den besiegten Häduern ergangen, deswegen weil sich Ariovist, der König der Germanen, in ihrem Gebiet festgesetzt und ein Drittel des Sequanerlandes, das das beste ganz Galliens sei, besetzt habe und jetzt den Sequanern befehle, das zweite Drittel zu räumen, wegen weil wenige Monate zuvor 24 000 Mann Haruden zu ihm gekommen seien, denen Raum und Wohnsitze verschafft würden. Innerhalb weniger Jahre würden sie alle aus dem Lande Gallien vertrieben werden und alle Germanen den Rhein überschreiten; denn weder dürfe man das gallische Land mit dem der Germanen vergleichen noch die Lebensweise hier mit der dort. Ariovist aber führe, nachdem er einmal die Scharen der Gallier im Kampfe besiegt habe - ein Treffen, daß bei Magetobriga geliefert worden sei - ein stolzes und grausames Regiment, verlange die Kinder gerade des höchsten Adels als Geiseln und vollziehe an ihnen alle Arten von Strafen und Martern, wenn etwas nicht nach seinem Wink und Willen geschehen sei. Er sei ein roher, jähzorniger und leidenschaftlicher Mensch; es sei unmöglich, sein Regiment noch länger zu ertragen. Es sei denn, daß bei Caesar und dem römischen Volke etwas Hilfe zu finden sei, sonst müßten alle Gallier dasselbe tun, was die Helvetier getan hätten; sie müßten von daheim auswandern, eine andere Heimat, andere Wohnsitze, fern von den Germanen, aufsuchen und ihr Glück, wie es auch ausfalle, versuchen. Wenn dies Ariovist verraten worden sei, so zweifele er nicht, daß er an allen Geiseln, die bei ihm seien, die martervollste Todesstrafe vollziehen werde. Caesar sei imstande, sei es durch sein und seines Heeres Ansehen oder sei es durch seinen jüngst errungenen Sieg oder sei es durch den Ruf des römischen Volkes, davon abzuschrecken, daß eine noch größere Menge Germanen, über den Rhein herüberge-bracht werde, und ganz Gallien vor der Gewalttätigkeit Ariovists zu schützen.
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