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Der Tod in Venedig - Thomas Mann - Referat



Der Tod in Venedig – Thomas Mann

Einleitung: S.50 – Erste Begegnung Aschenbachs mit Tadzio
„Mit Erstaunen bemerkte Aschenbach, daß der Knabe vollkommen schön war. Sein Antlitz, bleich und anmutig verschlossen, von honigfarbenem Haar umringelt, mit der gerade abfallenden Nase, dem lieblichen Munde, dem Ausdruck von holdem und göttlichem Ernst, erinnert an griechische Bildwerke aus edelster Zeit, und bei reinster Vollendung der Form war es von so einmalig persönlichem Reiz, daß der Schauende weder in Natur noch bildender Kunst etwas ähnlich Geglücktes angetroffen zu haben glaubte.“

→ Die gerade vorgelesene Textstelle aus dem Buch „Der Tod in Venedig“ von Thomas Mann beschreibt die erste Begegnung Gustav Aschenbachs mit Tadzio.

1. Personen
2. Aufbau und Inhalt
3. Interpretation
4. Autobiografischer Bezug und weitere Inspirationsquellen
5. Quellen

1. Personen:

Gustav Aschenbach:
- Hauptfigur
- sehr disziplinierter Schriftsteller
- Vater: hoher Justizbeamter; Mutter: Tochter eines böhmischen Kapellmeisters
- wohnt in seiner Wahlheimat München
- wurde zum 50. Geburtstag von deutschen Fürsten geadelt
- Witwer, hat Tochter, die bereits Gattin ist


Tadzio:
- polnischer Abstammung
- 14 Jahre
- wird im Verlauf der Novelle zum Objekt der Begierde Aschenbachs

Andere/Todesboten:
- Wanderer am Friedhof in München
- Gondoliere in Venedig
- Gitarrist im Hotel

2. Aufbau:
Die Novelle ist ähnlich wie eine Tragödie in fünf Abschnitte unterteilt, wobei jedoch das 2. Kapitel mit dem ersten ausgetauscht werden müsste, um die Geschichte in eine chronologische Reihenfolge zu bringen.

Inhalt:

Der etwa 50 Jährige Schriftsteller Gustav Aschenbach wird bei einem Spaziergang auf dem Münchner Nordfriedhof auf einen Mann aufmerksam, der in ihm eine Reiselust weckt. Deswegen beschließt Aschenbach Mitte bis Ende Mai für drei bis vier Wochen nach Italien zu reisen. Er reist von Triest nach Pola, und von dort schließlich nach Venedig. Kaum in seinem Strandhotel am Lido angekommen, erblickt Aschenbach beim Abendessen eine polnische Familie mit einem etwa 14 Jährigen Knaben, namens Tadzio. Aschenbach fühlt sich auf irgendeine Weise zu dem Jungen hingezogen. Anfangs versucht er seine Gefühle für Tadzio noch zu unterdrücken und will verfrüht aus Venedig abreisen, doch er kann sich von dem Jungen nicht losreißen und bleibt in Venedig. Nach kurzer Zeit lässt er schließlich seinen Gefühlen freien Lauf und er beginnt Tadzio zu beobachten. Etwa drei Wochen nach Aschenbachs Ankunft in Venedig bricht die Cholera aus. Auch Aschenbach infizierte sich und stirbt schließlich am Strand von Venedig.

3. Interpretation:

A. Homosexualität
Die Novelle behandelt ja ein der damaligen Zeit sehr heikles Thema: die Homosexualität. Was heute immer mehr akzeptiert und toleriert wird, und für einige auch ganz normal ist, war damals strafrechtlich verfolgbar und auch gesellschaftlich außerordentlich rufschädigend und ein absolutes Tabu.
Deswegen stellt sich jetzt die Frage, wie Thomas Mann es geschafft hat, dass sein Werk trotz des provokanten Themas so erfolgreich war.
Er benutzt dazu verschiedene „Methoden“ :

Knabenliebe auf Distanz: Aschenbach redet nie ein Wort mit Tadzio, und hat auch nie Körperkontakt mit ihm. Das einzige was die beiden verbindet ist ein kurzzeitiger Augenkontakt
Knabenliebe – ästhetisch philosophisch: Während Aschenbach sich im Liebesrausch befindet, wird immer wieder auf die griechische Philosophie hingewiesen, in der Knabenliebe akzeptiert war
Knabenliebe – entsexualisiert: Tadzios Körper wird von Aschenbach als „DAS Schöne“ stilisiert; Aschenbach ist also nicht in die Person Tadzio verliebt, sondern sieht in ihm DAS Schöne selbst
Knabenliebe – Krankheit und Tod: Aschenbach erhält durch seinen Tod eine Strafe, für seine Begierde; Tod hat also Sühne-Charakter

B. Psychoanalyse – Einfluss Sigmund Freuds und Wilhelm Jensens
Wenn diese Frage geklärt ist, bleibt aber die Frage, wie es passieren kann, dass ein so fleißiger, disziplinierter und geachteter Mann wie Aschenbach, seine Würde für eine solche aussichtslose homoerotisches Liebe aufgibt ?

Um dies zu begründen, muss ich auf Sigmund Freud verweisen, der die Psychoanalyse stark geprägt hat. Teil dieser Psychoanalyse ist auch die Triebtheorie bzw. Trieblehre.
→ Diese besagt, dass alles Verdrängte (v.a. Gefühle) wieder zurück kommen.

Wenn man sich jetzt die Frage noch einmal anschaut, kommt man zu dem Schluss, dass die Disziplin und der Liebesrausch einen Gegensatz bilden müssten. Nach Freuds Trieblehre ist dies aber kein Widerspruch, sonder die Disziplin ist mehr oder weniger Auslöser, damit Aschenbach überhaupt in einem Liebesrausch verfallen
kann.

Konkret: Aschenbach hatte durch seine disziplinierte Haltung jahrelang seine eigentlichen Gefühle unterdrückt. Als er Tadzio erblickte konnte er diesem inneren Druck nicht mehr standhalten und sein bildlich gesehener Gefühlsdamm ist gebrochen.

C. Mythos: Das Apollinische und Dionysische
In Thomas Manns Werk tauchen immer wieder Persönlichkeiten, Begriffe und Symbole aus der griechischen Mythologie auf. Besonders wird auf den Gott des Rausches und des Chaos Dionysos und den Gott der Erkenntnis und Klarheit Apoll hingewiesen. Friedrich Nietzsche entwickelte aus diesen beiden Göttern eine Kunstform: das dionysische und das apollinische. Die beiden bilden einen Gegensatz.In Anlehnung an Nietzsche kann man sagen: Aschenbach entwickelt sich von einem apollinischen Künstler zu einem dionysischen.

Apollinisch:
- Aschenbachs Biographie: Selbstdisziplin, Fleiß, Bürgerlichkeit
- Aschenbachs künstlerische Ideale: Form, Maß, Klassizität
- Legt hohen Wert auf gesellschaftliche Anerkennung

Dionysische:
- Verführung, Wiederkehr des Verdrängten (Trieblehre)
- Verfällt homoerotischer Liebe → befindet sich im Liebesrausch
- Gleichgültigkeit gegenüber der öffentlichen Meinung

Zuerst legte er Gewicht auf: Form, Maß, Haltung, Würde, gesellschaftliche Anerkennung, Fleiß, Bürgerlichkeit, Klassizität Regelhaftigkeit
Mit der Zeit Wandel zum dionysischen: verliert den Bezug zur Realität, Alltag, Ansehen, Würde, Haltung und befindet sich in einem Liebesrausch

D. Todesmotive/ -symbole
Wie schon zu Beginn gehört endet die Novelle mit dem Tod Aschenbachs. Dies wird durch einige Motive und Symbole während des Lesens immer deutlicher.

Die Todesboten:
Aschenbach begegnet auf seiner Reise mehrere Gestalten, die man als Todesboten interpretieren kann. In der Kunst wurde der Tod ja je nach Zeit unterschiedlich dargestellt und die Todesboten weisen durch ihre Beschreibung starke Parallelen zu diesen künstlerischen Darstellungen auf:

Porträt des Todes ↔ Merkmale der Todesboten, die darauf schließen können:
- Der mittelalterliche Tod ↔ „mäßig hochgewachsen, mager“
- Der Teufel /Satan ↔ rothaarig
- Dionysos (Gott des Rausches /der Entgrenzung) ↔ Fremdartig, herrisch
- Hermes ( Toten-/ Seelenführer) ↔ Hut

Weitere Todessymbole:
Das Wetter: Die gesamte Zeit über ist das Wetter recht chaotisch; erst ungemütlich und trüb, dann auf einmal tropisch schwül. → Dieses Chaos spiegelt sich auch in Aschenbachs Gefühlen und Gedanken wieder (Stichwort: Trieblehre)

Die Stadt Venedig: Am Anfang wird sie als „glücklich gewähltes Reiseziel“ beschrieben. Doch dann bricht in Venedig die Cholera aus, die schließlich auch Aschenbach das Leben kostet; zudem war Venedig auch schon zur damaligen Zeit am verfallen

Weitere Symbole:
- Sein Name ist der Tod schlechthin. Ein Bach der Asche führt, das erinnert an die Vergänglichkeit
- Die venezianische Gondel mit der Schwärze eines Sarges erinnert Aschenbach an den Tod bzw. eine Toten-Bahre
- Der Granatapfel-Saft, den Aschenbach nach der Vorstellung der Straßenmusikanten zu sich nimmt. Dazu gibt es einen Mythos aus der griechischen Mythologie: Wer vom Granatapfel des Hades abbiss, konnte nicht mehr in die Oberwelt zurück, ganz egal ob Mensch oder Gott.

4. Der Autobiografische Bezug und weitere Inspirationsquellen
Zu guter Letzt möchte ich noch auf den autobiografischen Bezug und weitere Inspirationsquellen eingehen.

- Vorbilder für die Handlung: „Gradiva. Ein pompejanisches Phantasiestück“ und Freuds Interpretation

- Vorbilder für die Figur „Gustav von Aschenbach“:
Gustav Mahler (1860-1911): Vorname, Physiognomie , ungefähres Sterbealter

Friedrich Nietzsche: Kannte Venedig und lieferte die Kunstform des apollinischen und dionysischen

August Graf von Platen: Thomas Mann nimmt innerhalb der Novelle Bezug auf den „schwermütig-enthusiastischen Dichter“, der eine Vorliebe für Venedig hatte und homosexuell war; zudem zählte Er zu Manns Lieblingsautoren

Thomas Mann: Arbeitsweise, Werke, Wohnort München
→ wurde auf Figur Aschenbachs übertragen

Quellen:
Mann, Thomas, Der Tod in Venedig, Ausgabe: 252015
Königs Erläuterungen, Ausgabe: 12012,42008
Reclam Lektüreschlüssel, Ausgabe: 2005
Furst, Lilian R., Through the Lens of the Reader: Explorations of European Narrative, S. 40ff.
wikipedia.de
Kiefer, Dr. Sascha, Thomas Mann: Der Tod in Venedig – Aspekte der Interpretation



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