Lerntippsammlung Headergrafik
Linie
Abstandshalter

Suchbegriff:

Der Vorleser - Innerer Monolog Michael - Referat



Michael ist jeden Tag bei Hannas Prozess dabei. Er spricht seine Gedanken für Hanna auf eine Kassette, um die Situation zu verarbeiten.

Hanna, jeden Tag bin ich beim Prozess dabei. Das müsste ich eigentlich nicht, sondern könnte wie die anderen nur ab und zu kommen. Aber ich mach es trotzdem. Die anderen fragen sogar schon, wer die Frau sei, die ich immerzu anschauen würde. Tag für Tag sitze ich auf meinem Platz im Gerichtssaal und nehme an deinem Schicksal teil. Ich weiß selbst nicht so genau warum ich das tue. Schließlich hast du mich vor Jahren einfach ohne ein Wort verlassen. Aber trotzdem wollte ich dich, wollte, dass du zurückkommst, obwohl ich nicht einmal wusste, wohin und vor allem warum du gegangen bist. All meine folgenden Beziehungen nach der unseren scheiterten. Wenn ich eine andere Frau berührte, mit ihr sprach - es fühlte sich alles falsch an, immer hatte ich dein Gesicht und die Erinnerungen an dich vor Augen. Was ich auch tat - ich kam nicht von dir los. Doch ich musste mein Leben weiterleben. Du warst weg und daran konnte ich nichts ändern. Ich weiß nicht, ob ich dich je wiedergesehen hätte, wenn du nicht hier vor Gericht stehen würdest. Ich weiß nicht, ob mir dann je so klar geworden wäre, was dein Problem ist. Warum du gegangen bist, warum du dir immer vorlesen lassen hast, warum du im Restaurant nach wenigen Sekunden die Speisekarte weggelegt hast und einfach dasselbe genommen hast was ich bestellte, warum du gelogen hast, als du sagtest, du hättest meinen Zettel nicht gefunden, denn ich schrieb dir bevor ich Frühstück holte. Aber vor allem warum du gelogen hast, als man im Gericht einen Handschriftvergleich von dir verlangte. Ich habe gesehen, wie die anderen Aufseherinnen versuchten, dir alle Schuld zu geben. Hanna, ich weiß, dass du nicht lesen und schreiben kannst. Das ist mir klar geworden, als du den Handschriftvergleich nicht machen wolltest. All die anderen kleinen Merkwürdigkeiten in unsere Beziehung fielen mir plötzlich wieder ein und es fiel mir wie Schuppen von den Augen. Erst wollte ich zum Richter gehen, ihm sagen, dass du Analphabetin bist, dass du den Brief darum nicht geschrieben haben kannst. Aber ich ließ es letztendlich doch bleiben. Ich glaube, du willst nicht, dass jemand bemerkt, dass du Analphabetin bist. Du schämst dich dafür, nimmst lieber alle Schuld auf dich. Aber das ist falsch. Ich erzähle es dem Richter nicht, weil du selbst über deinen Schatten springen musst. Bitte geh selbst zu ihm und erkläre ihm die Umstände. Tu es für mich, für dich. Das ist es nicht wert, dafür lebenslänglich im Gefängnis zu verbringen.



Kommentare zum Referat Der Vorleser - Innerer Monolog Michael: