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Die Swing-Jugend - Referat
„Wer den Swing in sich trägt, kann niemals mehr im Gleichschritt marschieren.“ – Coco Schumann, Swing-Musiker
Was ist Swing?
-1936: Erstmals Begriff „Swing-Musik“ – eleganter, tanzbarer Jazz
-Begriff lange unklar, man sprach von Niggermusik – Musik-Echo-Redaktion: „gemeint ist wahrscheinlich die (…) Art, schlecht zu musizieren. Denn selbst Negermusik ist häufig vollkommen melodiös, da sie oft religiösen Gesängen entnommen ist“
Tatsächlich, denn:
-Jazz: ursprünglich von Afroamerikanern (ehemaligen Sklaven) in den Südstaaten der USA ; 19./20. Jahrhundert, Jazz ging aus Blues hervor
-Blues: Weltliche Form des Spiritual (u.a. Gospel-Gesänge: heiteres, freudiges Gegenstück zum protestantischen Kirchenlied)
--> Musik der Unterdrückten
-aufgrund wachsender Popularisierung der Schallplatten und des Radios: Jazz erlangt internationale Bekanntheit, auch in Deutschland vorherrschende Unterhaltungsmusik
Swing und Marsch im Vergleich
Rhythmik:
Swing – meist 4/4 Takt, Betonung auf den Offbeats (eins ZWEI drei VIER), punktierte Achtel, Synkopen, oft auch walking bass
Marsch – 2/4 oder 2/2 bzw. 4/4 Takt, aber immer Akzent auf Taktschwerpunkt (EINS), Betonung durch nachschlagende Achtel-/Sechzehntelnoten
Harmonik:
Swing – Blues-Tonleiter
Marsch – einfache Dur-Harmonik (Kraft durch Freude), Kadenzharmonik: Tonika, Subdominante, Dominante, Tonika
Musikalische Besetzung
Swing: Gesang aufgrund des Aufkommens des Mikrofons/Verstärkung der Stimme – Gesang trotz Bigband; Bigband besteht aus Rhythmusgruppe (min. Klavier, Gitarre, Bass, Schlagzeug, auch weniger schwerfällige Perkussionsinstrumente dank Verstärkern), Holz- (Saxophon, Klarinette, Flöte) und Blechbläsern (Trompete, Posaune) – alles mehrfach besetzt
Marsch: Trommel, Blasorchester (u.a. Posaunen, Trompeten, Hörner), Männerchor (symbolisiert Soldaten)
Funktion der Musik
Marsch: ursprünglich Militärmusik: Regelung der Bewegung einer großen Menschenmenge Zusammengehörigkeitsgefühl soll gestärkt werden, im Nationalsozialismus auch unterhaltend, aber propagandistischer Hintergrund, dauerhafte Vermittlung von Disziplin (germanischer Lebensstil), hauptsächlich KdF, HJ, BDM
Ziel: Marschieren im Gleichschritt (kaum anders möglich, deutliche Betonung auf den ersten Schlag: linker Fuß geht nach vorne)
Swing: gezielte Abgrenzung, Ausdruck von Freiheit und Individualismus, ausschweifender, hedonistischer Lebensstil (geht nur um Spaß im Moment) – darum wurde viel getanzt, "Tanz zum Austoben" (sagt Horst Lange – Schriftsteller)
AUS: Bericht des Reichsjustizministeriums über "jugendliche Cliquen und Banden" von Anfang 1944 ; Protokoll einer HJ Streife in Hamburg 1940: [gekürzt]
„Der Anblick der etwa 300 tanzenden Personen war verheerend. Kein Paar tanzte so, dass man das Tanzen noch als einigermaßen normal bezeichnen konnte. Es wurde in übelster und vollendetster Form geswingt. In Hysterie geratene Neger bei Kriegstänzen sind mit dem zu vergleichen, was sich dort abspielte. Alles sprang wild umher und lallte den englischen Refrain mit. Kein Mitglied der Kapelle saß mehr, sondern jeder hottete wie wild auf dem Podium herum.“
Der Lebensstil Swing
"Jazz stand für Freiheit und damit im Gegensatz zu dem, was da oben war. Leute, die mit den Nazis nichts zu tun haben wollten, haben sich im Jazz - sagen wir mal - abstrakt artikuliert." (AUS: Ritter, Franz (Hg): Heinrich Himmler und die Liebe zum Swing, Leipzig 1994, S. 153)
Lebensgefühl: Modern, kulturell auf der Höhe der Zeit und trotzdem elitär und individuell durch Hedonismus – den Moment genießen (nicht an Zukunft denken), oft auch vor Wehrdienst noch Freiheit auskosten
-andere Motivation: Zwang der HJ gefällt einem nicht, aus Prinzip/persönlichen Gründen (Jugendliche wollen oft aus Prinzip nicht, dass man ihnen reinredet) – Ausgleich: Private Swing-Partys
Rolle Amerikas
USA (woher Swing kam)– Demokratie; Filme vermitteln: Amerika ist modern, abenteuerlich (Cowboys) fortschrittlich (Hochhäuser), Menschen haben Spaß, sind lässig, trinken, rauchen, Möglichkeit, individuell Karriere zu machen – in Deutschland nicht: Propagandistisch gewünschter Lebensstil sieht Massenorganisationen für Jugendliche vor, alle gleich, auch äußerlich uniform:
Jungs: kurze Haare, Mädchen: Zöpfe, ungeschminkt
Swing-Jugendliche: Genau das Gegenteil, Mädchen geschminkt und kurze Haare, lange Haare für Jungs (ca. 30cm), Mädchen entweder extra androgyn und/oder geschminkt
-Mode möglichst individuell, nach englischem Vorbild: elegant, fast weiße Mäntel (wie Außenminister Chamberlain), Regenschirm (auch bei Sonnenschein), möglichst verrücktes Muster auf dem Sakko
--> Provokation gegen gesamte Ideologie: Gegen Schönheitsideal, prüde Moral (keine sexuellen Ausschweifungen bei den Nazis), lässiges Hotten statt diszipliniertem Tanzschritt
Rezeption der Swing-Bewegung - Wie sind die Nazis mit der Swing-Jugend umgegangen?
Individualität und Freiheit im Jazz: Bedrohung für die Nazis
- Wer aus der Reihe tanzt, zersetzt die Wehrkraft -
-zurückdrängen durch Ignorieren und Totschweigen hat kaum Effekt, „Unerwünschtes“ ist interessant
-anderer Versuch: Anti-Jazz Radiosendung „Vom Cakewalk zum Hot“ – abschreckende Musikbeispiele haben auch konträre Wirkung
-willkürlich ausgeführte, meist personifizierte Zensur funktioniert kaum
-Kriegsbeginn: Regierung hin- und hergerissen; einerseits: Wehrmacht hatte tapfer gekämpft, dazu soll man sich nicht zuhause beim Tanzen amüsieren; andererseits: Schein der Normalität vor der anfangs (nach den Erfahrungen des 1. Weltkrieges) nicht sonderlich kriegsbegeisterten Bevölkerung - dazu gehört auch der Besuch kultureller Veranstaltungen, deshalb im Siegestaumel der gewonnenen „Blitzkriege“ oft Lockerungen der Tanzverbote oder Aufhebung
-ab 1939 englisch singen verboten
-ab 1940 erstmals 63 Swing-Jugendliche verhaftet, KZ
-keine Entschädigung nach Kriegsende, angeblich nicht politisch verfolgt
Die Swing-Jugend war also nicht politisch genug für die finanzielle Entschädigung - aber wie politisch war sie?
Natürlich Provokation - „Swing heil“ bei privaten Partys, Tanzstil provokant, Provokation durch Frisur, England (politischer Feind) als modisches Vorbild
Aber war das schon Widerstand? Wo fängt Widerstand an?
Definitionsfrage, hier: Stufenmodell des Historikers Detlev Peukert:
Erste Stufe: Nonkonformität: Haltung stimmt nicht überein, einfach nicht mitmachen (reicht schon „Guten Tag“ statt „Heil Hitler“), im Nationalsozialismus speziell gegen Gleichschaltung gerichtet, aber nur partielle Systemkritik (Theoretisch kann man sich nonkonform verhalten, aber trotzdem nationalistische Wirtschaftspolitik sinnvoll finden. Man kritisiert also nur Teile des Systems.)
Zweite Stufe: Verweigerung (Steigerung der Nonkonformität): z.B. nicht zu den Veranstaltungen der HJ erscheinen
Dritte Stufe: Protest - ist aktiver und öffentlicher und schon mehr generelle Systemkritik
(Vierte Stufe: Widerstand)
Was fehlt: Der Begriff der Opposition (zwischen zweiter und dritter Stufe)
Opposition:
Verweis auf Zitat aus Bericht des Reichsjustizministeriums über „jugendliche Cliquen und Banden“, Anfang 1944: „Der falsch verstandene Begriff der Freiheit führt sie in Opposition zur HJ.“
Opposite – gegenüber, gegenteilig – Widerspruch zwischen den Ideologien: Im Rhythmus der Musik, Gleichschritt zu Swing nicht möglich, Lebensstil: Swing – Spaß, Nazis – Disziplin, Kampf
Aber trotzdem noch nicht Widerstand:
Widerstand (nach Detlev Peukert): Bewusste Verhaltensformen, die sich bewusst fundamental gegen das gesamte Regime richten
Bewusst ja, Swing-Jugend hat bewusst ihr Leben auf’s Spiel gesetzt, aber: Keine Intention, das Regime zu stürzen.
Es ist bei passivem Widerstand, also Opposition geblieben.
Aber: Auch Opposition trägt zur Destabilisierung eines Regimes bei und kann einzelne ermutigen, aktiv Widerstand zu leisten.
Kommentare zum Referat Die Swing-Jugend:
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