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Gedichtinterpretation zu „Er hat mich geküsst“ (Gabrialla Mistral) - Referat



Gedichtinterpretation
Zu: Gabriella Mistral- "Er hat mich geküsst"

"Und der Herr machte den Menschen aus einem Erdkloß, und er blies ihm einem lebendigen
Odem in seine Nase. Und also ward der mensch eine lebendige Seele" (Genesis 2,7). Diese
Bibelstelle macht deutlich, dass er Atem für uns Menschen von existentieller Bedeutung ist,
da wir ohne ihn nicht leben könnten. Neben dem Atem gibt es jedoch auch noch andere
wichtige Dinge des Menschen, zum Beispiel die Liebe. Nahezu jeder Mensch hat das
Bedürfnis zu lieben und geliebt zu werden. Auch Gott hat uns die Fähigkeit geschenkt
einander zu lieben. So sind die Liebe und der Atem indirekt eigentlich sehr eng verbunden.
Viele Dichter aus den unterschiedlichsten Epochen haben den Atem als Motiv für ein
Liebesgedicht gewählt. Ich habe mich in dieser Arbeit mit einem Beispiel aus der modernen
Literatur befasst.

In dem Gedicht "Er hat mich geküsst" von der chilenischen Schriftstellerin Gabriella Mistral
aus dem Jahr 1950 erzählt ein lyrisches Ich von dem Erlebnis eines Kusses seines Partners.
Der Atem wird in diesem Gedicht in Verbindung eines Kusses dargestellt, den das lyrische
Ich von seinem Partner erhält und dadurch mit neuem Leben erfüllt wird. Die Veränderung
und Verwandlung des lyrischen Ichs durch den Atem wird an vielen Stellen im Gedicht auf
unterschiedliche Weise deutlich.

Ich werde nur einen kurzen inhaltlichen Überblick über das Gedicht geben.
Zu Beginn des Textes erzählt das lyrische Ich, dass es von seinem Partner geküsst wurde
und sich daraufhin sofort verändert hat. Es beschreibt körperliche Erscheinungen, die auf
diese Veränderungen hindeuten und erwähnt zuletzt den Atem des Partners, der
maßgeblich an diesen Veränderungen teilzuhaben scheint. Im Anschluss wird in der zweiten
Strophe weiterhin von der positiven Veränderung des lyrischen Ichs berichtet, die sich auch
in seinem eigenen Atem bemerkbar macht und offensichtlich allein durch den Partner
ausgelöst wurde. Das Gedicht besteht aus zwei Strophen ungleicher Länge. Während die
erste Strophe sechs Verse umfasst, besteht die zweite Strophe nur aus fünf Versen.
Im folgenden Teil werde ich das Gedicht unter Berücksichtigung verschiedener Aspekte
genauer analysieren und interpretieren.

Das Motiv des Atmens nimmt eine wichtige Rolle ein. Durch den Kuss des Partners wird auf
das lyrische Ich indirekt dessen Atem und damit ein neues Lebensgefühl übertragen.
Bereits zu Beginn des Gedichts wird deutlich, dass die Veränderungen des lyrischen Ichs
durch den Kuss des Partners hervorgerufen werden. Es heißt hier: "Er hat mich geküsst und
schon bin ich einer andere" (V.1f). Diese Textstelle belegt eindeutig, das das lyrische ich
1durch diesen Kuss verändert ist. Dass der Kuss an dieser Stelle für den Atem steht, wird
später im Text deutlich, wenn da lyrische Ich fortführt: "Eine andere durch den Atem, der in
meinem Atem fühlbar ist" (V. 5f). Daraus kann man schließen, dass das lyrische Ich durch
den Kuss den Atem des Partners aufgenommen hat und dadurch "verwandelt" wurde. Dem
Odem wir hier also eindeutig eine lebenserfüllende Bedeutung zugeschrieben. Das lyrische
ich berichtet an späterer Stelle: " Und selbst in meinem Hauch finde ich einen berückenden
Duft von Blumen" (V.8f). Daraus wird erneut deutlich, dass sich der Atem des lyrischen Ichs
und damit auch seine Gesinnung durch diesen Kuss bleibend verändert haben. Es bleibt ein
positiver Eindruck zurück, was durch die Metapher deutlich wird, da der Duft von Blumen ja
in der Regel als wohltuender Geruch empfunden wird. Am Ende des Textes wird noch
einmal klar, dass all diese Veränderungen durch den Partner und seinen Kuss ausgelöst
wurden, wenn das lyrische Ich sagt: "alles durch ihn, der sanft in meinem Schoße ruht" (V.
10).

Der Partner haucht dem lyrischen Ich durch den Kuss also seinen Odem ein und verwandelt
es dadurch in positiver Weise mit einer bleibenden Wirkung. Diese Verwandlung scheint
alleine durch den Kuss hervorgerufen zu sein. Der Atem wirkt dadurch fast schon wir ein
Lebenselixier, das das lyrische Ich mit neuem Leben erfüllt.

Das weibliche lyrische Ich spricht positiv über ein ein männliches Du in der dritten Person,
zu dem es scheinbar eine innige Liebesbeziehung führt.

Bei dem lyrischen Ich handelt es sich um eine weibliche Person, was man daran erkennen
kann, dass es von sich selbst immer als "eine andere" (V.2) spricht. Sie scheint eine sehr
enge Beziehung zum Du
zu führen. Dies erkennt man daran, dass das lyrische Ich erzählt:
"Er hat mich geküsst" (V.1) und "alles durch ihn, der sanft in meinem Schoße sitzt" (V.10).
Diese Aussagen deuten auch darauf hin, dass das lyrische Ich auch körperlich in einer eher
intimen Beziehung zum Du steht. Das lyrische ich scheint, dieses Beziehung für gut zu
befinden, da es durch sie ein neues, positives Lebensgefühl erhält. Es sagt zum Beispiel, es
sei infolge des Kusses "eine andere durch das Klopfen, das meiner Adern Pulsschlag
verdoppelt" (V.3f). Dies deutet, darauf hin, dass das lyrische Ich den Kuss als positiv
empfindet und durch die mir ihm verbundenen Gefühle verwandelt und fast schon beflügelt
wird. "Mein Leib ist schon edel wie mein Herz..." (V.7), lautet eine spätere Aussage des
lyrischen Ichs. Auch diese Vergleiche verdeutlichen erneut, dass sich das lyrische Ich durch
die positiven Gefühle, die durch den Kuss des Partners hervorgerufen werden, komplett
verwandelt. Diese beiden Textbelege weisen eindeutig darauf hin, dass das lyrische Ich
durch die Beziehung zum Du glücklich ist und dieses als sehr positiv ansieht.

Das lyrische Ich scheint durch die Beziehung zum Du beflügelt zu werden. Dieses nimmt für
das lyrische Ich dadurch die Rolle eines Helden ein, das sein Leben durch die Liebe so sehr
bereichert. Dies ist ein Beispiel für eine feministische Liebeskonzeption, die dem Mann die
Rolle eines Prinzen, Königs, Helden,... zuspricht.

Durch ein freies Metrum mit markanter Betonung auf bestimmten Wörtern wir das zentrale
Thema des Gedichts, die Verwandlung des lyrischen Ichs, formal untermalt.
Bei genauer Betrachtung des im Gedicht verwendeten freien Metrums fällt eine wiederholte
Betonung des Wortes "andere" auf. Durch die metrische Hervorhebung dieses Wortes wird
erneut die Veränderung des lyrischen Ichs betont. Wenn das lyrische Ich erzählt: "Und
schon bin ich eine andere: eine andere durch das Klopfen (...). Eine andere durch den
Atem(...)" (V.2ff), wird bereits aus dem Inhalt die klar, dass sich das lyrische Ich durch den
Kuss des Partners verändert hat. Da man beim Sprechen des Gedichts zusätzlich das Wort
"andere" stets auffällig betont, wird diese Verwandlung verdeutlicht und rückt in das Zentrum
des Gedichts. Außerdem ist noch auffällig, dass auch sämtliche Wörter, aus dem Wortfeld
des Atmens und der Luft stammen, wie z.B. "Atem" (V.5), "Hauch" (V.8) oder "Duft" (V.9),
immer betont werden. Dies bewirkt, dass man als Zuhörer genau erkennen kann, dass auch
der Atem von großer Relevanz für den Inhalt des Textes ist.

Die durchweg vorliegende Betonung des Wortes "andere", sowie von Wörtern aus dem
Bereich des Atmens stellen zentralen Aspekte des Gesichts, die Veränderung des lyrischen
Ichs und das Motiv des Atems, in den Vordergrund, da der Zuhörer dadurch auf sie
aufmerksam wird.

Abschließend möchte ich die Ergebnisse meiner Gedichtinterpretation zusammenfassen.
In dem Gedicht geht es im Wesentlichen um die Veränderung, die das lyrische Ich durch
den Kuss des Partners erfährt. Der Kuss steht hierbei sinnbildlich für den Odem, der dem
lyrischen Ich eingehaucht wird und ihn mit neuem Leben erfüllt, was sehr bildlich anhand
von Metaphern und Vergleichen dargestellt wird. Die Liebe zum Partner nimmt für das
lyrische Ich daher eine lebensbeflügelnde Rolle ein. Die Verwandlung des lyrischen Ichs tritt
sowohl inhaltlich, als auch formal, z.B. durch ein auffälliges Metrum, ins Zentrum des Textes.
Anhand dieser Ergebnisse kann ich die von mir aufgestellte Deutungshypothese bestätigen,
welche bereits auf die Veränderungen des lyrischen Ichs durch den Kuss des Partners,
welche an verschiedenen Stellen im Gedicht deutlich werden, hindeutete.

Dieser äußerst optimistische und lebensbejahende Text bracht während der Nachkriegszeit
bestimmt frischen Wind in die Literatur. Während bei sich vielen Autoren dieser Zeit die
Verzweiflung, welche nach dem zweiten Weltkrieg herrschte, in ihren Werken abzeichnet,
könnte Mistrals Gedicht den Menschen vielleicht die positiven Dinge des Lebens vor Augen
geführt haben.



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