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Horváths Geschichten aus dem Wiener Wald- literarische Erörterung - Referat




Literarische Erörterung

Ödön von Horváth- Geschichten aus dem Wiener Wald


Thema 2: „Nichts gibt so sehr das Gefühl der Unendlichkeit, als wie die Dummheit.

Stellen Sie drei Personen ihrer Wahl vor und überprüfen Sie anhand deren Verhaltens die dem Stück leitmotivisch vorangestellte Behauptung auf ihre Berechtigung.


Das von Horváth 1931 verfasste Volksstück „Geschichten aus dem Wiener Wald“ setzt sich kritisch mit der kleinbürgerlichen Gesellschaft nach dem ersten Weltkrieg und deren Funktion bei der Entstehung des Dritten Reiches, so wie dem Frauenbild und der beginnenden Emanzipation in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhundert auseinander. Der Wunsch nach Befreiung aus dem Rollenzwang wird durch die Figur Marianne verkörpert, der Tochter eines Spielwarenhändlers, die zu Beginn des Stückes den Metzgereibesitzer Oskar heiraten soll. Auf der Verlobungsfeier trifft sie auf den mittellosen Alfred, in dem sie ihre Befreiung aus den gesellschaftlichen Fesseln sieht. Im Verlauf des Stückes gerät sie in eine Spirale aus Misshandlung und Betrug, die augenscheinlich wieder endet wie sie anfing, jedoch neben dem Tod ihres Sohnes auch den endgültigen gesellschaftlichen Tod Mariannes bedeutet.

Seinem dreiteiligen Volksstück voran stellt Horváth das Motto: „Nichts gibt so sehr das Gefühl der Unendlichkeit als wie die Dummheit.“. Diese durch ihre Grammatik schon widersprüchliche Aussage versteht die Dummheit nicht nur in ihrem eigentlichem Sinne von fehlender Intelligenz, sondern insbesondere als Charakterlosigkeit, Schein- und Doppelmoral, Mangel an Selbstreflexion und Weitsicht und vor allem die geistige Begrenztheit die im Stück häufig durch Raffinesse und Lügen verdeckt wird. Horváths Verständnis von Dummheit kann daher als eine Bewertung der sozialen Einstellungen seiner Figuren gesehen werden, während das Gefühl der Unendlichkeit durch sämtliche Werte vermittelt wird, deren Gültigkeit und Tragweite immer wieder durch die Fehldeutung und die falsche Auslebung revidiert wird.

Mariannes Vater der Zauberkönig verkörpert die Dummheit wie keine andere Figur des Stückes. Zu Beginn der Geschichte versucht er Marianne mit dem Fleischhauer Oskar zu verheiraten. Die Verlobung resultiert aus seinen rein ökonomischen Interessen, denn sein Spielwarengeschäft kann den Auswirkungen der Wirtschaftskrise nicht standhalten und steht kurz vor dem Bankrott.“Elend sind wir dran, Herr Rittmeister, elend. Nicht einmal einen Dienstbot kann man sich halten. Wenn ich meine Tochter nicht hätt-“ (S. 21, Z. 3-5). Einzig seine Tochter hält das Unternehmen noch am Laufen und soll nun durch die Heirat mit Oskar die Existenz des Zauberkönigs sichern. „Ich bin nur froh, daß ich die Mariann angebracht hab, eine Fleischhauerei ist immer noch solid-“ (S. 35 Z 23-24). Dass sein Interesse weniger dem Bräutigam als dessen Besitz gilt zeigt sich nach der geplatzten Verlobung als er auf Alfred trifft. „Zauberkönig zu Alfred : Was sind Sie denn überhaupt? Alfred: Ich? Valerie: Nichts. Nichts ist er. Zauberkönig Ein Nichts. Auch das noch. Ich habe keine Tochter mehr.“ (S. 43 Z. 9-12). Seine Dummheit zeichnet sich nicht nur durch seine Scheinheiligkeit und materialistischen Absichten aus, sondern insbesondere durch sein patriarchalisches Gesellschaftsbild: „Zauberkönig verdutzt: Was hat sie denn? Oskar: Launen. Zauberkönig: Übermut! Es geht ihr zu gut! […] Zauberkönig: Aber eine solche Benehmität! Ich glaub gar, daß du sie mir verwöhnst - also nur das nicht, lieber Oskar! Das rächt sich bitter!“ (S. 23 Z26-28) . Er verlangt mir aller Kraft, dass sich seine Tochter in das Rollenbild der Frau einfügt und sieht in ihr neben der Altersvorsorge sein Dienstmädchen. „Zauberkönig: Wo stecken denn meine Sockenhalter? […] Zauberkönig: Jetzt frag ich aber zum allerletztenmal: wo stecken meine Sockenhalter! Marianne: Ich kann doch nicht zaubern! Zauberkönig brüllt sie an: Und ich kann doch nicht mit rutschende Strümpf in die Totenmess! Weil du meine Garderob verschlampst! Jetzt komm aber nur rauf und such du! Aber avanti, avanti!“ (S. 19 Z. 21 – S. 20 Z. 22) Mariannes Leidenschaft die rhythmische Sportgymnastik, die für viele Frauen in den zwanziger und dreißiger Jahren ein Symbol der Emanzipation bedeutete und der Wunsch danach ein eigenes Institut zu eröffnen hat für ihren Vater keiner Stellenwert, da es für Marianne ein großer Schritt in Richtung Unabhängigkeit wäre. „Du hast mich ja nichts lernen lassen, nicht einmal meine rhythmische Gymnastik, du hast mich ja nur für die Ehe erzogen -“
(S. 86 Z. 5-7 ). Als sie sich letztendlich aus ihren gesellschaftlichen Fesseln und vor allem von denen ihres Vaters befreit indem sie mit Alfred zusammenzieht und sogar ein Kind von ihm bekommt, wendet er sich völlig von ihr ab und wirft ihr völlige Amoralität vor. Der Zauberkönig selbst jedoch begibt sich in fragwürdige Etablissements und belästigt Frauen, er lässt seinen Trieben freien Lauf ohne sich bestimmten Wertvorstellungen zugehörig zu fühlen. „Zauberkönig: Bravo, bravissimo! Heut bin ich wieder der alte! Er greift einem vorübertanzenden Mädchen auf die Brüste.“ (S. 72 Z. 4– 6) Hier offenbart sich neben seiner Doppelmoral ein weiteres Frauenbild des Zauberkönig: er sieht sie vorrangig als Sexualobjekte, die er einerseits gerne benutzt, kann aber andererseits seiner Tochter, die in ihrer Notlage als Nackttänzerin arbeiten muss, kein Verständnis entgegenbringen, weil es der gesellschaftlich konstruierten, zeitlichen Moral widerspricht. „Zauberkönig: Laß dein Mutterl aus dem Spiel, bitt ich mir aus! Wenn sie dich so gesehen hätt, so nacket auf dem Podium herumstehen- dich den Blicken der Allgemeinheit preisgeben.- Ja schämst dich denn gar nicht mehr? Pfui Teufel!“ (S. 85 Z. 30- 34). Entgegen der echten, wertvollen Moral ist er nicht bereit seinem einzigen Kind zu verzeihen und seinen Enkel zu akzeptieren. Er lässt Marianne nicht nur gesellschaftlich abrutschen, sondern gibt ihr unter Vorwand bigotten Gesellschaftsnormen einen weiteren Stoß. „Marianne: Du bist doch mein Papa, wer denn sonst!? Und jetzt hör mal- wenn das so weitergeht- ich kann nichts verdienen – und auf den Strich gehen kann ich nicht, ich kann mich nur einem Mann geben, den ich aus ganzer Seele mag- ich hab ja als ungelernte Frau sonst nichts zu geben- dann bleibt mir nur der Zug. […] Zauberkönig: So! Das auch noch. Das willst du mir auch noch antun! […] Marianne: Denk nicht immer nur an dich! Zauberkönig hört auf zu weinen, starrt sie an, wird wütend: So wirf dich doch vor den Zug! Wirf dich doch, wirf dich doch! Samt deiner Brut!! […] Denk lieber an deinen Himmelvater! An unseren lieben Herrgott da droben.“ (S. 86 Z. 13- 34) Letztendlich findet die Versöhnung mit seiner Tochter nur aus der Hoffnung statt, sein Geschäft und somit seine Existenz mit ihrer Hilfe zu retten. „ Valerie: […] Versöhn dich doch lieber du alter Trottel- versöhn dich, und du wirst auch dein Geschäft wieder weiterführen können, es wird alles wieder besser, besser, besser!“ (S. 96 Z. 21- 23)
Die Figur des Zauberkönigs unterstreicht die Behauptung des Autors in dem er dessen Vorstellungen von Dummheit vielfältig erfüllt: Seine egoistischen Bedürfnisse nach materieller und sexueller Befriedigung maskiert er mit der Betonung von Sitte und Moral, ohne dabei zu merken wie er selbst gegen die wahre Moral verstößt - dem Zauberkönig fehlt jegliche Weitsicht und Fähigkeit sein eigenes Verhalten zu reflektieren.

Oskar, der zukünftige Gatte von Marianne stellt eine Spiegelfigur des Zauberkönigs dar. Auch er verhält sich sehr bigott, jedoch versteht er es sich deutlich besser zu maskieren. Nach außen hin präsentiert er sich stets mit einer weißen, sauberen Schürze und manikürt sich die Fingernägel und bemüht sich so eine Weltgewandtheit zu präsentieren – dieser Versuch scheitert jedoch an dem Kontrast, dass die Maniküre in der Öffentlichkeit und mit einem Messer stattfindet was nicht nur sein eigentliches Wesen als Kleinbürger und Proletarier entlarvt, sondern auch seinen Hang zur Brutalität, das Messer dient hier als Symbol. „Oskar mit weißer Schürze; er steht in der Tür seiner Fleischhauerei und manikürt sich mit seinem Taschenmesser“ (S 16 Z 5f.) Augenscheinlich scheint seine Liebe zu Marianne schier unendlich zu sein; als sie in auf der eigenen Verlobungsfeier mit Alfred betrügt und mit ihm bricht, wirkt Oskar nicht besonders erbost. „Oskar tritt zu Marianne: Mariann, ich wünsch dir nie, daß du das durchmachen sollst, was jetzt in mir vorgeht- und ich werde dich auch noch weiter lieben, du entgehst mir nicht - und ich danke dir für alles.“ ( S. 43 Z 4 -6) Das Versprechen, dass Oskar Marianne noch ewig weiter lieben wird erscheint auf den ersten Blick sehr romantisch und selbstlos, doch kann es hinsichtlich des Gesamtkontext tatsächlich als eine subtile Drohung verstanden werden, wie sich besonders in der letzten Szene erkennen lässt. „Oskar: Mariann. Ich hab dir einmal gesagt, daß ich es dir nie wünsch, daß du das durchmachen sollst, was du mir angetan hast- und trotzdem hat dir Gott Menschen gelassen – die dich trotzdem lieben – und jetzt, nachdem sich alles so eingerenkt hat. - Ich hab dir einmal gesagt Mariann, du wirst meiner Liebe nicht entgehen- „ (S. 106 Z. 19- 24) Da dieser Dialog stattfindet, kurz nachdem Marianne von der Ermordung ihres Kindes erfährt und sie von allen Personen der Geschichte nur benutzt und misshandelt wurde, zeichnet dieses Zitat weniger Oskar großes Herz und seine Empathie aus, als dass es ihn als besessen und mit einem Hang zum Sadismus entlarvt. Nicht nur verbal zeigt er seine Brutalität, sondern auch in körperlichen Handlungen; er fügt Marianne bei jeder sich bietender Gelegenheit Schmerz zu. „Oskar: […] Ein Bussi, Mariann, ein Vormittagsbussi- Marianne gibt
ihm einen Kuß, fährt aber plötzlich zurück: Au! Du sollst nicht immer beißen!“ ( S. 22 Z. 10- 13 ); „Oskar: Meine Damen und Herren, ich werde Ihnen etwas sehr Nützliches demonstrieren, nämlich habe ich mich mit der japanischen Selbstverteidigungsmethode beschäftigt. […] - Er stürzt sich plötzlich auf Marianne und demonstriert an ihr seine Griffe. Marianne stürzt zu Boden: Au! Au! Au!- […] Oskar: Aber ich hab doch den Griff nur maskiert, sonst hätt ich ihr doch das Rückgrat verletzt!“ (S. 33 Z. 12- 23) ; Als sie vom Tod ihres Kindes erfährt und sich auf die Mörderin, Alfreds Großmutter stürzen möchte, wird Oskar sehr explizit gewalttätig: „Marianne beobachtet sie- stürzt sich plötzlich lautlos auf sie und will sie mit der Zither,die auf dem Tischchen liegt, erschlagen. Oskar drückt ihr die Kehle zu. Marianne röchelt und läßt die Zither fallen.“ (S. 104 Z. 24- 28) Auch er versteckt sein eigentlich Wesen, nämlich seinen Sadismus, hinter der Moral und vor allem den christlichen Grundsätzen. Offenbart wird dies durch eine Schlüsselszene in der er über Marianne und dem strafendem Gott redet. Plötzlich bekommt er Lust die Sau zu schlachten, bei der er zuvor seinen Gehilfen Havlitschek gebeten hatte es für ihn zu tun. „Oskar: Wer weiß. Gottes Mühlen mahlen langsam, mahlen aber furchtbar klein. Ich werd an meine Mariann denken- ich nehme jedes Leid auf mich, wen Gott liebt, den prüft er,- den straft er. Den züchtigt er. Auf glühendem Rost, in kochendem Blei- Valerie schreiht ihn an: Hörens auf, seiens so gut! Oskar lächelt. Havlitschek kommt aus der Fleischhauerei: Also was ist jetzt? Soll ich die Sau abstechen oder nicht? Oskar: Nein, Havlitschek. Ich werd sie jetzt schon selber abstechen, die Sau-“ (S 66- 67 Z. 10) Nicht nur dass er sich den Tod von Mariannes Kind herbeisehnt, Oskar erfreut sich an der Vorstellung wie Marianne gequält wird so sehr, dass er Lust darauf bekommt ein Schwein zu erstechen. Die Aussage „Ich nehme jedes Leid auf mich.“ zeigt nicht die Liebe auf die so groß ist, dass er Mariannes Leid auf sich nehmen oder teilen würde, sondern die Vorstellung ihr Leiden selbst zu verursachen. Dies wird untermauert von dem Satz „Ich werd sie schon selber abstechen, die Sau.“, dessen Bau schon darauf hinweist dass es sich bei dem Abstechen nicht vorrangig um die eigentliche Sau dreht. Auch Marianne ist in den Augen Oskars eine Sau, wie Havlitschek einige Szenen zuvor verrät. „ Oskar: Drehts sichs um die Sau? Havlitschek: Es dreht sich schon um eine Sau, aber nicht um dieselbe Sau [...]“ Havlitschek als Gehilfe und eigentliches Bewusstsein Oskars entlarvt nicht nur die Sichtweise auf Marianne als
wertloses Vieh ohne Rechte sondern auch das Bild auf die Frau generell. „Havlitschek: ,[...]Die Weiber haben keine Seele, das ist nur äußerliches Fleisch!“ ( S. 46 Z. 11f.) Der Vergleich mit einem Stück Fleisch deckt nicht nur Havlitscheks und somit auch Oskars Blick auf die Frau als Sexualobjekt, sondern auch als Ventil für Aggression und Gewalt, insbesondere für die beiden als Fleischer.
Die Tatsache, dass Oskar Marianne jedoch nur unter der Bedingung wieder zurücknehmen würde, dass ihr Kind verschwindet, besten Falles stirbt, zeigt dass er um jeden Preis seine Fassade von Moralität aufrechterhalten möchte. Wie alle Figuren bedient auch er sich häufig dem Bildungsjargon und zitiert aus der Bibel und bekannten literarischen Werken, meist in falschen Zusammenhängen und gibt somit vor etwas zu sein, was er nicht ist. „Alfred: Nur wer sich wandelt, bleibt mit mir verwandt. Oskar zu Marianne: Denn solang du dies nicht hast, dieses Stirb und Werde! Bist du noch ein trüber Gast aus der dunklen Erde!“. (S. 100 Z. 29- 34) Marianne kommentiert dieses unpassende Zitieren zweier berühmter Schriftsteller sarkastische und treffen: „Gott seid ihr gebildet.“ (S. 100 Z. 35) .
Wie auch der Zauberkönig verkörpert auch Oskar die Dummheit im Stück durch seine Scheinheiligkeit und sein Frauenbild, jedoch kommen bei ihm besonders vorrangig die im Kontrast stehenden Aspekte der Religion und der Gewalt hinzu.

Als weiteres Beispiel für eine typisch dumme Figur, kann der Beichtvater an den sich Marianne in ihrer Not wendet, um die Gnade Gottes zu erfahren genannt werden. Statt als religiöser Seelsorger zu agieren und Mariannes Opferrolle zu erkennen, steht auch er auf der Seite der prüden, bigotten Gesellschaft. „Also rekapitulieren wir: Du hast deinem armen, alten Vater, der dich über alles liebt und der doch immer nur dein Bestes wollte, schmerzlichstes Leid zugefügt, Kummer und Sorgen, warst ungehorsam und undankbar - hast deinen braven Bräutigam verlassen und hast dich an ein verkommenes Subjekt geklammert, getrieben von deiner Fleischeslust - still! Das kennen wir schon! Und so lebst du mit jenem erbärmlichen Individuum ohne das heilige Sakrament der Ehe schon über das Jahr, und in diesem grauenhaften Zustand der Todsünde hast du dein Kind empfangen und geboren […].“ (S 67, Z 17-20). Ohne die Fakten zu kennen richtet sich sein Blickwinkel sogleich gegen Marianne als Frau und gibt ihr die Alleinschuld an ihrem Zustand. Sein Urteilsvermögen ist ebenfalls von den Normen und Sittenvorstellungen der Gesellschaft zur damaligen Zeit geprägt, an einen Blick über den Tellerrand ist nicht zu denken. Schließlich verweigert er ihr die Absolution, weil sie nicht bereut ihr Kind auf die Welt gebracht zu haben. „Beichtvater: Und daß du dein Kind im Zustand der Todsünde empfangen und geboren hast - bereust du das? Stille. Marianne: Nein. Das kann man doch nicht- Beichtvater: Was sprichst du da? Marianne: es ist doch immerhin mein Kind - Beichtvater: Aber du - Marianne unterbricht ihn: Nein, das tu ich nicht. - Nein, davor hab ich direkt Angst, daß ich es bereuen könnt.- Nein, ich bin sogar glücklich, daß ich es hab, sehr glücklich - „ (S. 68- 69) Dass der Beichtvater lediglich nach der zeitlichen Moral und nicht nach einer echten Moral handelt, dass er nur die Worte der christlichen Lehren, nicht aber ihren wahren Geist verkörpert, zeigt dass auch er nur Teil der spießbürgerlichen, bigotten Gesellschaft ist. Diese Scheinmoral und das sture Folgen von gesellschaftlichen Normen weist auf sein falsches Verständnis von religiösen Werten bei gleichzeitiger Überheblichkeit , also seine Dummheit hin. Der Autor demaskiert diese Figur durch Aufzeigen ihrer mangelnden Empathie die sie in ihrer Funktion eigentlich zeigen sollte und abermals der Frauenfeindlichkeit.

Ödön von Horvath greift mit seinem Volksstück „Geschichten aus dem Wienerwald“ die Gesellschaftsproblematik des frühen 20. Jahrhundert auf, verursacht durch die Folgen des ersten Weltkrieges und die Weltwirtschaftskrise. Die Bevölkerung litt unter der hohen Arbeitslosigkeit und es herrschte große Unsicherheit, das Kleinbürgertum wütend und in seiner Existenz bedroht war auf der Suche nach Schuldigen. So ist es wenig verwunderlich, dass in dieser Zeit einerseits natürlich der Nährboden für den Nationalsozialismus angelegt wurde, aber auch die Frauenwelt ihre ersten zaghaften Schritte in Richtung Emanzipation wagte. In den zwanziger Jahren gab es Parteien die sich für das Wahlrecht der Frau einsetzten und immer mehr Frauen wurden berühmt, erlangten akademische Abschlüsse und schmückten sich mit eigentlich männlichen Leitsymbolen wie dem Rauchen und Motorradfahren. Trotz dieser ersten kleinen Erfolge erfuhr die Befreiung der Frau mit dem beginnendem Nationalsozialismus und den Auswirkungen der Wirtschaftskrise Rückschläge. Die am Existenzminimum kämpfende Gesellschaft sah in der Frau auf dem Arbeitsmarkt Konkurrenz und jeder für sich entwickelte einen Egoismus und Materialismus zum Selbstschutz, was Ödön von Horváth schließlich als Anlass für seine Gesellschaftskritik nahm. In all seinen Werken kämpfte er gesellschaftliche Dummheit und Lügen an. "Wie in allen meinen Stücken versuche ich möglichst rücksichtslos gegen Dummheit und Lüge zu sein, denn diese Rücksichtslosigkeit dürfte wohl die vornehmste Aufgabe eines schöngeistigen Schriftstellers darstellen, der es sich manchmal einbildet, nur deshalb zu schreiben, damit die Leute sich selbst erkennen. Erkenne dich bitte selbst!“ (Randbemerkungen zu „Glaube, Liebe,Hoffnung“,1932)
Sein Leitmotiv „Nichts gibt so sehr das Gefühl als wie die Dummheit.“ lässt sich mir dem berühmten Zitat von Albert Einstein vergleichen: „Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.“. Ausschlaggebend für diese Annahmen sind die immerwährenden Gesellschaftskonflikte, die es zu jeder Zeit gegeben hat und geben wird, da der Schatz an Nichtwissen immer größer sein wird, als der Schatz an Wissen.







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