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Interpretation Parabel „Heimkehr“ - Referat



Der jüdische Schriftsteller Franz Kafka gilt als einer der einflussreichsten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Die Werke des in Prag geborenen Dichters thematisieren oft die distanzierte Beziehung zu seinem Vater und zeigen einen Vater-Sohn-Konflikt auf. Den Höhepunkt dieser zerrissenen Beziehung stellt ein vierzig- seitiger Brief an Hermann Kafka dar, in welchem sein Sohn ihn anklagt, für seine innere Zerrissenheit verantwortlich zu sein. In der im Jahre 1920 entstandenen Parabel „Heimkehr“ verarbeitet Kafka erneut die schwierige Beziehung und die Auswirkungen auf ihn.

Die Parabel ist 1920 entstanden, nachdem der Dichter von einem mehrwöchigen Kurbesuch und einem vorübergehenden Aufenthalt bei seiner Schwester zu seinen Eltern zurückkehrt. Veröffentlicht wurde sie 1936 von Max Brod, einem engen Vertrauten Kafkas. Die Parabel erzählt von der Heimkehr eines Mannes zu dem alten Hof seiner Eltern, auf welchem er scheinbar aufgewachsen ist. Als der personale Erzähler sich auf dem Hof umblickt, überkommt ihm ein Gefühl der Fremde und Unsicherheit. Dieses Gefühl verstärkt sich zunehmend und er zweifelt, ob er seine Familie wiedersehen will.

Zunächst beschreibt der Mann seine Ausgangssituation („Ich bin zurückgekehrt, ich habe den Flur überschritten und blicke mich um.“ Z.:1), dann die Umgebung („Die Pfütze in der Mitte.“ Z. :2) und äußert in einem inneren Monolog anschließend seine innere Situation. Dabei äußert er zunächst Zweifel und Unsicherheit an einer Rückkehr („Wer wird mich empfangen?“ Z.:5) und kommt zur Erkenntnis, dass eine Annäherung zur Familie nicht möglich ist („Wäre ich nicht selbst wie einer, der sein Geheimnis wahren will.“ Z.: 18-19). Dennoch bleibt am Ende offen, ob der Erzähler den Hof verlässt oder die Küche betritt.

Die Wiedergabe sachlicher Eindrücke auf dem Hof erfolgt mit parataktischen Sätzen, welche eine Ruhe aufzeigen, aber auch verdeutlichen, dass der Mann keine Bindung zu den Gegenständen und dem Hof hat („Die Pfütze in der Mitte. Altes, unbrauchbares Gerät, ineinander verfahren, verstellt den Weg zur Bodentreppe“ Z.: 2-3). Die Parataxen spiegeln eine Ordnung wieder, welche im Widerspruch mit der äußeren Umgebung steht. Die elliptischen Sätze spiegeln den Gedankengang der Hauptperson wider. Der Zurückkehrende nimmt den Weg zu dem Haus und seiner Familie als verstellt war, da „altes, unbrauchbares Gerät“ den Weg versperrt („Altes, unbrauchbares Gerät, ineinander verfahren, verstellt den Weg zur Bodentreppe.“ Z.: 2-3). Der Autor bringt somit zum Ausdruck, dass alte Erinnerungen und Konflikte die Beziehung zum Vater belasten und ein enges, emotionales Verhältnis behindern. Der Protagonist findet auf dem Hof ein „zerrissenes Tuch“ vor, welches ihn an seine Kindheit erinnert und Zweifel hervorruft. Durch die Beschreibung des Hofes mit negativ konnotierten Adjektiven drückt der Mann seine innere Gefühlslage aus: Auf ihn wirkt die eigentlich gewohnte Umgebung „kalt“ (Z.: 8) und ein deutliches Unbehagen wird spürbar. Dieses Gefühl wird durch die Metapher "Die Katze lauert auf dem Geländer" unterstützt, da Katzen Gefahr darstellen. Die vielen rhetorischen Fragen („Wer wird mich empfangen?“ Z.: 5; „Ist dir heimlich, fühlst du dich zu Hause?“ Z.: 7) weisen zudem eine Unsicherheit auf. Schließlich gesteht der Erzähler sich ein, dass er „sehr unsicher“ (Z.: 7-8) ist.

Der Mann nimmt in der Küche die Anwesenheit von Personen wahr, da Rauch aus dem Schornstein kommt und Kaffee gekocht wird („ Rauch kommt aus dem Schornstein, der Kaffee zum Abendbrot wird gekocht“ Z.:6-7). Seine Selbstzweifel lassen ihn vor der Küchentür verharren: Der Sohn des Landwirtes fragt sich, ob er seiner Familie etwas nützt und denkt, dass er einen praktischen Wert besitzen muss, um aufgenommen und geliebt zu werden. Dieser Gedanke ist allerdings paradox, da Eltern ihre Kinder unbegründet lieben sollten. Es wird zunehmend die Distanz zum Vater deutlich, da der Mann Tätigkeiten seines Vaters nicht kennengelernt hat („ Meines Vaters Haus ist es, aber kalt steht Stück neben Stück, als wäre jedes mit seinen eigenen Angelegenheiten beschäftigt, die ich teils vergessen habe, teils niemals kannte.“ Z.: 8-10). Das Adjektiv „kalt“ bezieht sich ebenso auf die Beziehung Vater und Sohn,
welche wie die Stücke auf dem Hof nur nebeneinander leben, als miteinander.

Den Erzähler trennt nur noch eine Küchentür von seiner Familie. Die Tür steht für den Eintritt in das Familienleben, allerdings klopft er nicht an, sondern bleibt in einiger Entfernung stehen, um zu horchen. Die Wiederholung von „von der Ferne horche ich“ (Z.:12) zeigt, dass er sich wie ein Eindringling fühlt und Angst vor einer Begegnung hat („Ich wage nicht an der Küchentüre zu klopfen,…“ Z.:11-14). Es wird deutlich, dass der Sohn kein Familienmitglied mehr ist und die von der Familie ausgestrahlte Geborgenheit verwehrt bliebt. Die mehrmalige Verwendung von „Ferne“ (Z.: 12; 13) untermauert dies ebenso wie die Tatsache, dass die Personen in der Küche ein Geheimnis vor ihm haben („Was sonst so in der Küche geschieht, ist das Geheimnis der dort Sitzenden, das sie vor mir wahren.“ Z.: 15-16). Der Autor schafft mit „der dort Sitzenden“ und dem Wechsel zum unpersönlichen „man“ („Je länger man vor der Tür zögert, desto fremder wird man.“ Z.:16-17) erneut Distanz und Entfremdung. Dem Mann wird durch einen „leichten Uhrenschlag“ (Z.:14) bewusst, dass es zu spät ist, sich wieder anzunähern und er nun ein Fremder bleiben wird. Durch das Fehlen des Fragezeichens beim letzten Satz wird deutlich, dass für ihn die Situation klar ist: Er hält eine Annäherung für unmöglich („ Wäre ich dann nicht selbst wie einer, der sein Geheimnis wahren will.“ Z.:18-19).

Während die Parataxen zeigen, dass der Sohn sich nach einer Ordnung sehnt, stellt das hypotaktische Satzgefüge die komplizierte Beziehung zum Vater da. Der Vater wird als autoritär dargestellt und könnte seinem Sohn diese Ordnung geben. Der Konjunktiv („ Ich wage nicht an der Küchentüre zu klopfen,…, nicht so, dass ich als Horcher überrascht werden könnte.“ Z.:11-13) spiegelt die Unsicherheit des Erzählers wider.

Der Titel „Heimkehr“ steht im Widerspruch zu dem Inhalt. Das Heim ist ein Ort, an dem man sich sicher und geborgen fühlt. In der Parabel löst dieser Ort bei der Hauptperson allerdings Unsicherheit und das Gefühl des Fremdseins aus. Somit kehrt der Protagonist nicht heim. Ebenso spricht er von „Meines Vaters Haus“ (Z.: 2; 8) und nicht von seinem Zuhause oder das Haus seiner Eltern. Es wird deutlich, dass der Mann den Vater als Familienhaupt ansieht und die Mutter, welche in der Parabel nicht erwähnt wird, ihm untertänig ist.

Der Dichter Franz Kafka fühlte sich auch durch seinen Vater von der Familie ausgeschlossen. Die Parabel zeigt Parallelen zu Kafkas Leben: Er nahm nicht an den abendlichen Kartenspielen seiner Eltern teil und grenzte sich somit aus. Ebenso war sein Vater autoritär und übermächtig. Mit den alten, in einander verfahrenen Geräten (vgl. Z.2-3) könnte Kafka sich auf die Konflikte und unterschiedlichen Ansichten seines Vaters beziehen.




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