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Literarische Erörterung zu Faust, der Tragödie erster Teil - Referat
Erörterung eines literarischen Textes
„Faust. Der Tragödie erster Teil“
Faust und Magarete - eine Liebesgeschichte wie sie nur selten vorkommt. Oder sollte es eher „Magarete und Faust" heißen?
Bernhard Greiner befasst sich mit diesem Thema in seinem Text „Magarete in Weimar. Die Begründung des „Faust" als Tragödie", der im Jahre 1999 erschien, indem er die Bedeutung und Namensgebung Gretchens in der Tragödie „Faust I" analysiert.
In dem Drama geht der Protagonist Heinrich Faust einen Pakt mit der Teufelsgestalt Mephisto ein, der dessen Seele erhalten wird, wenn er es schafft, den Sterblichen wahrhaftig glücklich zu machen. In diesem Zuge nimmt der Professor einen Verjüngungstrank zu sich, der zugleich seine sexuellen Triebe erweckt. An dieser Stelle folgt auf die sogenannte Gelehrten-Tragödie die Gretchen-Tragödie, da Faust die vierzehnjährige Magarete trifft und beschließt, sie als Affäre zu erobern. Nachdem Mutter und Bruder des Mädchens durch Heinrichs Schuld verstorben sind und sich herausstellt, dass Gretchen schwanger ist, verlässt er sie, nur um wenige Szenen später zu ihr zurückzukehren, da seine Geliebte wegen Kindsmord im Gefängnis auf ihre Hinrichtung wartet. Er und Mephisto versuchen sie zu retten, doch Magarete beschließt, für ihre Sünden einzustehen und nicht vor ihrem Tod zu fliehen, wodurch sie von Gott begnadigt wird und letztendlich in den Himmel kommt.
Bernhard Greiner bezieht sich in seinem Text auf die Entwicklung, die Magarete durchmacht und beginnt damit, das häufig verwendete Diminutiv ihres Namens zu begründen: „Gretchen" sei das unschuldige, naive Mädchen, das von der Hauptfigur geradewegs ins Verderben geführt wird, während vielmehr Magarete die entscheidende Person für die Handlung und Tragik des Dramas darstelle. Diese stellt er als von ihrer Umgebung stark beeinflusste und eingebundene Person dar, die zugleich eine Art Opferposition einnehme. Zudem ist er der Meinung, dass sie, als sie die Verantwortung ihrer Sünden in der Kerkerszene über- und wahrnimmt, sich zur tragischen Statur des Werkes mache und eine Verbindung des Dramas „Faust I“ mit der Freiheit durch Gretchens determinierte Daseinsform darstelle.
Die These des Textes „Magarete in Weimar. Die Begründung des „Faust" als Tragödie" lautet: Die Bedeutung Magaretes ist größer für die Handlung der Tragödie, als allgemeinhin vermittelt wird. Hierbei befasst er sich unter anderem mit der Magareten-Tragödie. Die Tragödie allein wird, neben der Komödie, allgemein als wichtige Vertreterin des Dramas bezeichnet und behandelt eine Hauptfigur, die in einem tiefen Konflikt steckt, der sich im Verlauf des Werkes verschlimmert. Die Bezeichnung „tragische Statur“ bedeutet folglich, dass die Gattung Tragödie hier durch Gretchen erfüllt wird, da sie diese Position einnimmt.
Die Entwicklung Gretchens kann man, neben der Handlung, vor allem an den Sprecherangaben eindeutig erkennen, wieder Verfasser des Textes behauptet. Wirft man einen Blick in das Drama, ist tatsächlich auffällig, dass sie, seitdem sie zum ersten Mal in der Szene „Straße I“ (S.75) auftritt, bis zum Ende der Szene „Marthens Garten“ (S.103) Magarete genannt wird und ab „Am Brunnen“ (S.103) der Diminutiv verwendet wird. Erst ab der Seite 130 („Kerker“) wird sie wieder mit ihrem vollen Namen angeredet. Diese Veränderung lassen sich mit Magaretes inneren Einstellung begründen: Bis S. 103 lernt sie Faust erst kennen und hat sich ihm noch nicht vollends hingegeben. Als sie ihm jedoch schließlich nachgibt und ihn buchstäblich in ihr Bett einlädt (V.5306 „Ich ließ dir gern heut Nacht den Riegel offen“) wird sie zu der verführten Gretchen, die für ihren Geliebten sämtliche Risiken eingeht, was ihr bewusst ist. Sie meint sogar, dass „[ihr] zu tun nichts mehr übrig bleibt“ (V.3520), was sie für Faust machen kann. Bis zur entscheidenden Kerkerszene bleibt sie in diesen naiven und vollkommen von Heinrich eingenommenen Zustand, bis sie schließlich aus ihrer Illusion von einer perfekten Liebesgeschichte erwacht und realisiert, was sie alles für ihre Affäre getan hat. Magarete, die nun als solche bezeichnet wird, nimmt alle Schuld auf sich und bedauert den begangenen Kindsmord. Auf diesen Moment bezieht sich Greiner besonders und meint, dass durch diese Schlüsselszene das junge Mädchen die Beeinflussbarkeit mit der Selbstverantwortung, eine Art der Freiheit, verbindet. Dies ist durchaus nachvollziehbar, da sie ab diesem Moment nicht mehr von der Gesellschaft und Faust eingebunden ist, sondern das Wichtige erkennt und umsetzt, indem sie die Strafe für ihre Vergehen akzeptiert, obwohl sie die Möglichkeit hat, vor dem Tod zu fliehen.
Diese genannte Eingebundenheit Gretchens von ihrer Umgebung verwendet auch Bernhard Greiner als Teilaspekt seines Textes. Er ist der Meinung, dass die weibliche Hauptfigur des Dramas stark von den Menschen ihres Umfelds und der Religion beeinflusst wird, was man häufig im Text belegen kann. Magarete hat beinahe während des Gesamten Verlaufes der Handlung keinen eigenen Willen und trifft ihre Entscheidungen nur nach einer virtuellen Absprache mit den gesellschaftlichen Normen und ihren Pflichten als junge Frau: Sie zieht sich zunächst vor Faust zurück, fragt diesen später nach seiner Religion und zögert, bevor sie die Verbindung mit ihm eingeht. Wie auch im Außentext beschrieben, wird sie von der Anwesenheit des Protagonisten aus diesem beeinflussten Zustand herausgerissen, doch was nicht genannt ist, ist, dass sie weiterhin determiniert wird, doch nun von einer viel mächtigeren Person. Es scheint sich um eine Art Charakterzug von Gretchen zu handeln, dass sie eigene Entscheidungen ablehnt und nur zum Wohle anderer handelt, wobei man allerdings ihr junges Alter als Grund anführen könnte. Ihr Fokus wechselt lediglich von der gegebenen Ordnung auf einen Mann, der einen Pakt mit einer Teufelsgestalt eingegangen ist.
Durch diese Eingebundenheit begründet Greiner die Handlungen Gretchens und stellt sie als Opfer dar. Doch ist sie wirklich so unschuldig? Schließlich sind ihr alle Folgen und Risiken ihres Handelns bewusst, auch wenn sie durch die Determinierung Fausts hervorgerufen werden: In Marthens Garten zum Beispiel fordert sie einige Reaktionen von diesem heraus, um Bestätigung zu erlangen. Sie stellt sich bewusst als perfekte Ehefrau und Mutter dar, indem sie von ihrer Vergangenheit erzählt, um Mitleid und Bewunderung für sich in ihm zu erregen. Wenig sorgt sie mit dem Blüten-Spiel dafür, dem Mann ein Liebesgeständnis zu entlocken. Außerdem lässt sie letztendlich ihre Entjungferung zu, die nicht etwa durch Gewalt Fausts zustande kam, sondern tatsächlich von ihr gewollt wurde. Man muss natürlich abermals anmerken, dass ihr Alter und die Tatsache, dass sie einfach zu manipulieren ist, eine Rolle spielen, dennoch ist ihrerseits kein nennenswerter Widerstand gegen Faust zu erkennen, ihr hinauszögern von seinem Ziel scheint eher Plänkelei zu sein, um sein Interesse an ihr aufrechtzuerhalten.
Die These des Textes „Magarete in Weimar. Die Begründung des „Faust" als Tragödie" von Bernhard Greiner ist durch seine Ausführungen im Großen und Ganzen belegbar: Die Figur Magarete stellt eine für die Handlung des Dramas entscheidende Rolle dar, deren Entwicklung die Definition der Tragik beziehungsweise Tragödie bestätigt: Ihr Konflikt steigert sich ohne Ausweg bis ihr Leben schließlich endet. Somit erlangt das Stücke überhaupt seinen tragischen Charakter, da der entscheidende Konflikt Fausts und „seine eigene“ Tragödie erst im zweiten Teil folgt.
Zu widerlegen gilt allerdings Gretchens Unschuld an ihrem eigenen Konflikt und die angebliche Tatsache, dass sie seit ihre Begegnung mit Faust nicht mehr beeinflusst wird.
Auch heute noch ist die Determinierung von sowohl Frauen als auch Männern ein großes Thema, da gesellschaftliche Normen, Sitten, Geschlechterrollen und in manchen Fällen sogar Gesetze die persönliche Entfaltung von Menschen verhindert. Natürlich liegt es in unserer Natur, uns an der Außenwelt zu orientieren, aus ihr zu lernen und uns anzupassen, doch wenn diese Grenze überschritten wird und, wie es leider in einigen Ländern der Fall ist, aus der gesellschaftlichen Moral im schlimmsten Falle Unterdrückung wird, gilt es, diesen Zustand nicht einfach hinzunehmen und selbstständig und bewusst dagegen anzugehen. Nur dadurch gelangen in der Vergangenheit viele wichtige Emanzipationsschritte oder Maßnahmen gegen die Diskriminierung von Minderheiten.
Die Rolle Gretchens beinhaltet somit durchaus Aktualität und die These und Aussagen des Außentextes von Bernhard Greiner weisen zusätzlich auf entscheidende Rollen von Personen hin, die oft nicht angemessen wahrgenommen werden, wie man vor allem am Thema Emanzipierung erkennen kann.
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