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Nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik - Nachfragesteuerung durch antizyklisches Eingreifen des Staates - Referat



Die Wirtschaft ist seit jeher ein Bereich, der zahlreichen äußeren Einflüssen unterworfen ist. Seit den Zeiten der Naturaltauschwirtschaft hat es immer wieder Ansätze, Theorien und Mechanismen gegeben, die das freie Handeln aller beteiligten Akteure beeinflussen. Diese in der Regel von Staaten ausgeübten Einflüsse nennen wir Wirtschaftspolitik. Ebenso unterschiedlich wie die Ziele, die damit verfolgt werden, sind die Ansätze selbst. Der klassischen Finanzpolitik, die das Eingreifen des Staates kritisch sieht, steht beispielsweise die nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik gegenüber.

Grundlagen und Maßnahmen nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik
Die auch als Nachfragepolitik bekannte Strömung der Wirtschaftspolitik besagt, dass der Staat aktiv in die Wirtschaft eingreifen muss, da die natürlichen Marktmechanismen (unsichtbare Hand des Marktes) nicht dazu in der Lage sind, Angebot und Nachfrage bei gleichzeitiger Vollbeschäftigung in Einklang zu bringen. Charakteristisch ist dabei die Annahme, dass das gesamtwirtschaftliche Angebot ebenso wie der Beschäftigungsgrad von der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage geregelt wird.

Die nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik ist eine sogenannte antizyklische Konjunkturpolitik. Das bedeutet, dass sie sich an den natürlichen Auf- und Abschwüngen der Wirtschaft orientiert, um nachfrage- oder angebotsorientierte Maßnahmen zur Stabilisierung der Konjunktur zu ergreifen und so letztendlich für eine Vollbeschäftigung zu sorgen. In der überwiegenden Anzahl der Fälle betreffen die Maßnahmen allerdings die Ankurbelung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage.

Antizyklisches Handeln des Staates
Kern der Antizyklik ist der Gedanke, dass der Staat vor allem in Konjunkturabschwüngen beziehungsweise Rezessionen eingreift, um die Nachfrage durch staatliche Investitionen und Konjunkturprogramme anzufachen. Solche Programme werden auf vielfältige Weise umgesetzt, indem beispielsweise große Infrastrukturprojekte ins Leben gerufen werden oder der Staat Geld zur Verfügung stellt, um neue Arbeitsplätze zu schaffen respektive zu erhalten. Öffentliche Ausgaben werden dabei im Rahmen des sogenannten »deficit spending« über Kredite finanziert. Eine weitere Option besteht darin, Steuern zu senken, um die Nachfrage der privaten Haushalte nach Konsumgütern zu steigern.

Während die nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik in Abschwüngen also Investitionen durch den Staat vorsieht, die gegebenenfalls mit der Aufnahme von Schulden verbunden sind, ist es in Hochkonjunkturphasen genau anders herum. Durch die anziehende Konjunktur steigt neben der Produktivität und der Nachfrage auch das Maß der Steuereinnahmen. Diese sollten der Theorie der Nachfragepolitik gemäß dazu genutzt werden, Überschüsse zu generieren. Ziel ist es, aufgenommene Staatsschulden zurückzuzahlen und Haushaltsrücklagen für den nächsten Abschwung zu bilden.

Der Vater der nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik
Diese Form der Wirtschaftspolitik geht auf den britischen Mathematiker und Ökonom John Maynard Keynes zurück und wird deshalb auch als Keynesianismus bezeichnet. Keynes wurde im Jahr 1883 in Cambridge geboren und ist nicht zuletzt dadurch, dass seine Theorien bis heute einen großen Einfluss haben, einer der wichtigsten Ökonomen des 20. Jahrhunderts. In den Jahren nach dem großen Börsencrash 1929 beschäftigte er sich mit den Auslösern und Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise und entwickelte aus seinen Erkenntnissen unter anderem seine Theorie für die nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik. Mit dieser wollte er sicherstellen, dass der Staat unter Wahrung individueller Entscheidungs- und Unternehmungsfreiheit die Gesamtwirtschaft steuert (Globalsteuerung), um die Produktivität zu optimieren.

Kritik am Ansatz von John Maynard Keynes
Auch wenn der Ansatz von Keynes zweifelsohne einleuchtend klingt, wird er berechtigterweise kritisiert. Ein großer Kritikpunkt liegt beinahe schon in der Natur der Sache eines dynamischen Wirtschaftszyklus. Denn ebenso wie die Auswirkungen von Abschwüngen zeitverzögert sichtbar werden, trifft das auch auf die Anzeichen eines Konjunkturanstiegs zu. Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass der Staat auf einen Konjunkturrückgang erst bei ernsthaften Anzeichen wie großen Entlassungswellen oder Kurzarbeit reagiert. Die folgenden Maßnahmen greifen dementsprechend oft zu spät oder sogar erst dann, wenn sich die Konjunktur ohnehin bereits wieder erholt. Im schlimmsten Fall führt das staatliche Eingreifen damit nicht zu einer Glättung der Konjunkturwellen,
sondern zu einer Verstärkung der Zyklen.

Einen weiteren Anlass zur Kritik gibt die Praxis der kreditfinanzierten Nachfrageausweitung durch staatliche Maßnahmen. Kritisch am »deficit spending« ist dabei weniger die Staatsverschuldung in der Rezession als vielmehr die Tatsache, dass die meisten Staaten die Rückzahlung der Staatsschulden im Aufschwung zu vergessen scheinen. Dieser Effekt ist allerdings nicht Keynes und seiner Theorie anzukreiden. Es liegt einzig an den verantwortlichen Regierungen, die selbst in wirtschaftlichen hervorragenden Zeiten nicht zu politisch unpopulären Maßnahmen greifen und anstatt die Staatsschulden zu reduzieren die Staatsschulden unter anderem durch Wahlgeschenke ungebremst in die Höhe treiben.

Da die meisten Staaten die Kehrseite der nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik missachten, liegt es auf der Hand, warum das System in dieser Form nicht funktionieren kann. Um das zu verstehen, musst du dir einfach vorstellen, du selbst würdest deine privaten Finanzen nach diesem Muster handhaben. Weiterhin kommt hinzu, dass die Ausweitung des staatlichen Sektors zu einer Reduktion der Leistungsanreize für Individuen führt, was wiederum die Produktivität und damit die Einnahmen des Staates senkt.

In welchen Ländern wird eine nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik praktiziert?
Zu den weltwirtschaftlich bedeutendsten Ländern, in denen die Nachfragepolitik vergleichsweise stark praktiziert wird, zählen Japan und Deutschland. Ein sehr praxisnahes Beispiel für eine konkrete antizyklische Maßnahme ist die sogenannte Abwrackprämie, die im Jahr 2009 im Zuge des Konjunkturpakets II eingeführt wurde. Der Anreiz ein eventuell noch lange funktionstüchtiges Auto für 2.500 Euro verschrotten zu lassen führte tatsächlich dazu, dass der inländische Automobilabsatz im Jahr 2009 ein Rekordhoch von 3,81 Millionen Fahrzeugen erreichte. Der deutschen Wirtschaft, die in nicht unerheblichem Maße direkt und indirekt vom Automobilbau lebt, hat dies aber nicht im erhofften Maß geholfen.

Erstens floss ein großer Teil der staatlichen Investition ins Ausland, da bei weitem nicht alle Neufahrzeuge deutsche Fabrikate waren. Und zweitens sank der Fahrzeugabsatz im Inland im Folgejahr dramatisch auf 2,92 Millionen. Auch sieben Jahre später liegt der Absatz mit 3,35 Millionen Stück noch weit unter dem des Krisenjahres 2009. In der Praxis ist die Nachfragepolitik also gerade im Angesicht einer immer komplexer und globaler werdenden Wirtschaft, die sich immer weniger zentral planen lässt, ein zweischneidiges Schwert.

Weitergehende Literatur zur Wirtschafts- und Nachfragepolitik
Wenn du dich tiefergehend mit dem spannenden Feld der Wirtschaftspolitik und insbesondere den Theorien, Maßnahmen und Auswirkungen der nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik auseinandersetzen möchtest, empfehlen wir dir die folgenden Bücher:

- Bofinger, Peter; Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, Pearson, München, 2007
- Altmann, Jörn; Wirtschaftspolitik - Eine praxisorientierte Einführung, UTB, Stuttgart, 2007
- Mussel, Gerhard; Pätzold, Jürgen; Grundfragen der Wirtschaftspolitik, Vahlen, Stuttgart, 2011



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