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Nobelpreis - Referat



Nobelpreis,

auf die testamentarische Verfügung A.Nobels zurückgehende, hoch angesehene internationale Auszeichnung, jährlich finanziert durch die Nobelstiftung mit dem Jahreszins ihres Vermögens, und zwar für Leistungen auf den Gebieten Physik, Chemie, Physiologie oder Medizin und Literatur sowie für Verdienste um die Erhaltung des Friedens (Friedensnobelpreis). Nobel bestimmte, dass die Preisträger für Physik und Chemie von der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften, die der Physiologie oder Medizin vom Karolinska Medikokirurgiska Institutet in Stockholm, die Literaturpreisträger von der Königlich Schwedischen Akademie (der schönen Künste) in Stockholm und die Friedenspreisträger durch einen fünfköpfigen Ausschuss des norwegischen Parlaments ausgewählt werden sollen. In der Regel wird der Friedensnobelpreis vom norwegischen König in Oslo verliehen, die anderen Nobelpreise überreicht der schwedische König in Stockholm am Todestag Nobels (10.12.). Die Höhe eines (ungeteilten) Nobelpreises liegt (2003) bei rd. 10 Mio. Schwedischen Kronen. Der Fonds des 1969 von der Schwedischen Reichsbank anlässlich ihres 300-jährigen Bestehens gestifteten Nobelpreises für Wirtschaftswissenschaften (Preis für Ökonomische Wissenschaften in Erinnerung an Alfred Nobel) ist von dem der Nobelstiftung getrennt.

Der »alternative Nobelpreis« (Right Livelihood Award) wurde 1980 von dem schwedischen Publizisten J.von Uexküll (*1944) ins Leben gerufen. Er wird jährlich von der Right Livelihood Foundation an Personen und Organisationen verliehen, »die mit praktischen und exemplarischen Lösungen an den wirklichen Problemen unserer Zeit arbeiten«. Die Preisverleihung findet am 9.12. in Stockholm statt, die Höhe liegt (2002) bei insgesamt 2Mio. Schwedischen Kronen.








Nobel,

Alfred, schwedischer Chemiker und Industrieller, *Stockholm 21.10. 1833, San Remo 10.12. 1896; erfand 1867 das Dynamit, das seinen Reichtum begründete; bedeutend war auch die Entwicklung der Sprenggelatine (1875) und des rauchschwachen Pulvers (Ballistit, 1887). Aufgrund seiner Erfindungen und Patente entstanden Sprengstofffabriken in vielen Industrieländern, so in Deutschland 1865 die Firma Alfred Nobel&Co., die heutige Dynamit Nobel AG (mg technologies ag). Nobel hinterließ sein Vermögen einer Stiftung (Nobelpreis).
















Nobelstiftung: Das Vermächtnis - Werden, Wachsen und Wandel

Alfred Nobel hatte sein Testament am 27. November 1895 in Paris eigenhändig abgefasst und im Sommer 1896 bei der »Stockholms Enskilda Bank AB« in der schwedischen Hauptstadt deponiert. Die Verfügungen über die Preise hatten auf einem einzigen Blatt Papier Platz. Das Testament wurde am 31. Dezember 1895 eröffnet. Sein Inhalt gelangte am 2. Januar 1896 in die Presse. Die Nachricht schlug wie eine Bombe ein: Verwandte, Freunde, Mitarbeiter und Amouren erhielten Zuwendungen in Höhe von 1,6 Millionen Schwedenkronen. Der Löwenanteil von Nobels Vermögen, 31,6 Millionen Schwedenkronen, sollte in einen gemeinnützigen Fonds sicherer Wertpapiere für wissenschaftliche und ideelle Zwecke eingehen.


Die Nobelpreise

Die Jahreszinsen aus dem testamentarisch verfügten Fonds waren in fünf gleichen Teilen denen zugedacht, »die im verflossenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen geleistet haben«, und zwar im Bereich von Physik, Chemie, Physiologie oder Medizin, Literatur und in der Arbeit für den Frieden. Die Zueignung erinnerte an den Letterstedtska- Preis, den Nobel 1868 ein Jahr nach dem Patent für sein Dynamit zusammen mit seinem Vater von der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften erhalten hatte. Er wurde für »wichtige Entdeckungen, die für die Menschheit von praktischem Nutzen sind«, verliehen. Die Gebiete, die sich Alfred Nobel für seine Preise aussuchte, spiegelten seine eigenen Erfahrungen, Talente und Interessen. Er stiftete keine Auszeichnungen für Künstler, Komponisten, Architekten oder Geisteswissenschaftler, sondern hatte Forscher von eigenem Schrot und Korn im Sinn und das in handfesten Fächern wie Physik und Chemie, in denen er sich auskannte. Beträchtliche Hoffnungen setzte er auch auf den Fortschritt der Medizin, weil er sein Leben lang unter schwacher Konstitution und häufigen Unpässlichkeiten gelitten hatte. Mit dem Preis für den, »der in der Literatur das Ausgezeichnetste in idealer Richtung hervorgebracht hat«, zollte Nobel seinem eigenen Vergnügen an Büchern und zugleich seiner kritischen Sicht der Dinge Tribut. Er las viel und gern in allen sechs Sprachen, die er kannte - in Schwedisch, Russisch, Französisch, Englisch, Deutsch und Italienisch. Als junger Mann hatte er sich selbst als Schriftsteller und Dichter versucht. Was er damals schrieb, hat er allerdings später weggeworfen. Lediglich ein langes autobiografisches Gedicht im Stil von Shelley bewahrte er auf und schenkte davon manchmal engen Freunden eine Kopie. Mit 63 Jahren begann er eine eigene, ebenfalls stark autobiografisch geprägte Version von Shelleys Drama über eine Vatermörderin. Sein Theaterstück in vier Akten mit dem Titel »Nemesis«, das sein Misstrauen gegen die Justiz zeigte, gilt literarisch als wenig geglückt, aber als wertvolles persönliches Dokument.

Der Preis für »Friedensvorkämpfer« war ebenfalls persönlich motiviert. Schon früh hatte sich Nobel über die Schrecken des Krieges und die Notwendigkeit der Völkerverständigung Gedanken gemacht. Seine Bekanntschaft mit Bertha von Suttner (Friedennobelpreis 1905) und die finanzielle Unterstützung ihrer Friedenskongresse bestärkten ihn in seinem Vorhaben. Nobels Testament bestimmte, dass die Preise für Physik und Chemie von der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften, der Preis für Physiologie oder Medizin vom Karolinska-Institut, einem großen akademischen Lehrkrankenhaus in Stockholm, und der Preis für Literatur von der Schwedischen Akademie verliehen werden sollten. Der Preis für die Vorkämpfer des Friedens sollte von einem vom norwegischen Parlament gewählten Ausschuss von fünf Personen vergeben werden. Warum der Friedenspreis in Oslo vergeben werden sollte, dazu hat sich Nobel nicht geäußert. Zu seinen Lebzeiten waren Schweden und Norwegen in einer Realunion und durch den gemeinsamen schwedischen König verbunden. Als Nobel seinen letzten Willen verfügte, mag es ihm nahe liegend erschienen sein, den Unionsstaat im Norden bei der Preisverleihung zu beteiligen. 1905 erreichte Norwegen die Trennung von der schwedischen Krone. Da war die Mitwirkung Norwegens an der Preisvergabe schon etabliert.


Schwierige Abwicklung des Nachlasses

Nobels Testament erregte in der ganzen Welt Aufmerksamkeit. Vehementer Protest kam nicht nur von Seiten der Verwandtschaft, die sich um das große Erbe geprellt sah. Auch der schwedische König und mit ihm Politiker aller Couleur opponierten gegen Nobels Verfügungen und warfen Nobel »unvaterländisches« Verhalten und mangelnden Patriotismus vor, weil er als Schwede seinen Besitz international verteilen wolle, statt ihn seinen Landsleuten oder wenigstens Skandinaviern vorzubehalten. Hinzu kam die wachsende Animosität der Beziehungen zu Norwegen, sodass schwedische Kreise das norwegische Parlament höchst ungern an der Preisvergabe beteiligt sahen.

Die Verwirklichung von Nobels Testament dauerte vier Jahre. Das lag daran, dass der in vielen juristischen Auseinandersetzungen erfahrene Nobel ausgerechnet bei der Abfassung seines eigenen Testaments bewusst auf rechtlichen Rat verzichtet hatte.

Für die enttäuschten und zur Anfechtung entschlossenen Erben wäre es eigentlich ein Leichtes gewesen, das Testament nach französischem Recht für ungültig erklären zu lassen. Der agile Testaments-vollstrecker Ragnar Sohlmann sorgte jedoch in einer dramatischen Nacht-und-Nebel-Aktion dafür, dass alle in Pariser Banken deponierten Wertpapiere nach Schweden gebracht wurden. Ebenso verfuhr er mit kleineren Depots in Deutschland und England. Schließlich erreichte er, dass sich das Landgericht in Karlskoga, in dessen Bezirk sich Nobel die Waffenfabrik Bofors und sein Gutshaus Björkborn gekauft hatte, für zuständig erklärte.

Wie der Streit mit den Erben nach schwedischem Recht ausgegangen wäre, brauchte das Gericht letztlich nicht zu entscheiden. Nobels Neffe Emanuel von der russischen Linie und eine Art Oberhaupt der Familie bewog 1898 die Verwandtschaft, ihre Klage zurückzuziehen - freilich erst nach finanziellen Zugeständnissen.

Der junge Ragnar Sohlmann, vormals Assistent von Nobel und bei seinem Tod erst 26 Jahre alt, aber von Nobel als einer der beiden Vollstrecker des Testaments eingesetzt, erledigte die Hauptarbeit bei der Verwirklichung des letzten Willens seines Meisters. Sohlmanns beharrlichem Einsatz war es zu danken, dass die im Testament benannten Institutionen Schwedens und Norwegens und die Regierung schließlich zur Mitwirkung bei der Preisvergabe bereit waren. Nach langen, zähen Verhandlungen wurden am 29. Juni 1900 endlich von Schwedenkönig Oscar II. im Staatsrat die Statuten genehmigt, die die Errichtung einer Nobelstiftung und die Bestimmungen über die Preisverteilung regelten. Diese Statuten waren eine wesentliche Erweiterung und Präzisierung von Nobels Testament.


Die Nobelhierarchie: Stiftung, Komitees, Institute

Zunächst wurde eine Nobelstiftung ins Leben gerufen. Sie wurde als unabhängige, private Organisation und als alleiniger Eigentümer des Vermögensfonds gegründet. Als zentrales Nobelorgan hat sie zwei wichtige Aufgaben: die wirtschaftliche Verwaltung des Geldnachlasses und die praktische Durchführung der Preiverleihung im Namen der auf schwedischer Seite zuständigen Organisationen. An der Auswahl der Laureaten ist die Nobelstiftung nicht beteiligt. Die preisverleihenden Institutionen treffen ihre Entscheidungen absolut unabhängig von der Stiftung und von allen regierungsamtlichen Stellen. Ihre Autonomie wird als unabdingbar für ihre Objektivität und die Qualität ihrer Urteile angesehen. Das gilt auch für das norwegische Nobelkomitee. Es handelt unabhängig vom norwegischen Parlament und wählt im Übrigen nicht nur die Friedenspreisträger allein aus, sondern überreicht auch die Preise selbst.

Nach bescheidenen Anfängen in der Stockholmer Norrlandsgatan 6 residiert die Nobelstiftung inzwischen seit 1926 im eigenen, fünfstöckigen »Nobelhaus« in der Sturegatan 14, wo auch die wissenschaftliche und literarische Bibliothek Nobels, große Teile seiner Korrespondenz und Instrumente aus seinen Labors aufbewahrt werden. Vor dem Ersten Weltkrieg war an einen repräsentativen, palastartigen Neubau gedacht worden, der nicht nur die Verwaltung beherbergen, sondern auch festliche Räume für die Verleihung bereithalten sollte. Nachdem Stockholm ein aufwendiges, neues Konzerthaus und eine architektonisch beeindruckende Stadthalle errichtet hatte und diese Gebäude für die Nobelfeiern genutzt werden konnten, verzichtete die Nobelstiftung auf ihre kostspieligen Pläne. Sie begnügte sich mit dem Kauf und Umbau ihres jetzigen Gebäudes.

Höchste Instanz der Nobelstiftung ist ein Kuratorium, das aus den Abgesandten der vier preisverleihenden Körperschaften gebildet wird - also der Königlichen Akademie der Wissenschaften, des Karolinska-Instituts, der Schwedischen Akademie und des Norwegischen Nobelkomitees. Die preisverleihenden Körperschaften entsenden insgesamt 15 Kuratoren, für jeden Preis drei. Die Akademie der Wissenschaften benennt sechs Kuratoren, weil sie zwei der klassischen, testamentarisch verfügten Preise, nämlich die für Physik und Chemie, vergibt. Inzwischen ist bei der Akademie der Wissenschaften, allerdings ohne personelle Konsequenzen im Kuratorium, die Verantwortung für einen weiteren Preis, nämlich den für Wirtschaftswissenschaften, hinzugekommen. Dieser Preis ist kein Nobelpreis im Sinne der Statuten, sondern wurde 1968 von der Schwedischen Reichsbank anlässlich ihres 300-jährigen Jubiläums »zu Alfred Nobels Gedächtnis« gestiftet. Er wird in gleicher Höhe und nach denselben Kriterien wie die Nobelpreise vergeben.

Die Mitglieder des Kuratoriums wählen den Verwaltungsrat der Nobelstiftung. Seinen Vorsitzenden und dessen Stellvertreter benannte bis zum Jahr 1995 der schwedische König höchstpersönlich. Inzwischen bestimmt der Verwaltungsrat aus seiner Mitte sowohl den eigenen Vorsitzenden und dessen Stellvertreter als auch den Geschäftsführenden Direktor. Geschätzt werden an der Spitze von Verwaltungsrat und Direktorium Juristen und Finanzexperten. 1951 wurde mit Jacob Wallenberg erstmals ein Bankier als Vorsitzender des Verwaltungsrats berufen. Ihm folgte 1968 sein Bruder Marcus Wallenberg.

Der hauptamtliche Geschäftsführende Direktor hat den Bestand des Stiftungsvermögens zu verantworten. Seit die Stiftung in den 1950er-Jahren eine aktive Investititionspolitik begonnen hat, ist dazu noch mehr Sachverstand nötig. Verlangt werden in dieser Position ferner Gespür für den Umgang mit der Öffentlichkeit und ganz allgemein Managementqualitäten. Denn der Direktor hat auch die Informationspolitik der Stiftung zu steuern und die jährlichen Nobelfeiern auszurichten.

Einer der frühen Direktoren der Stiftung war Nobels einstiger junger Mitarbeiter Ragnar Sohlmann, ohne dessen energischen Einsatz die Verwirklichung von Nobels Vermächtnis kaum zu einem guten Ende gefunden hätte. Er amtierte in den Jahren 1929 bis 1946 und war hochgeachtet. Der heutige Geschäftsführende Direktor heißt Michael Sohlmann und ist Ragnar Sohlmanns Enkel.

Die drei schwedischen Institutionen, die Preise verleihen, haben besondere Komitees mit jeweils fünf Mitgliedern, die die mit der Auswahl der Preisträger verbundene Arbeit übernehmen und am Ende Kandidaten vorschlagen. Jedes Komitee kann externe Fachleute zu den Beratungen heranziehen. Expertenhilfe kommt auch von den Nobelinstituten. Sie helfen bei der Prüfung der Vorschläge für Preisträger. Sie sind selbstständige Forschungseinrichtungen, die Arbeiten aus den Fachbereichen der Nobelpreise fördern. Im Einzelnen gibt es: Das Nobelinstitut der Akademie der Wissenschaften (seit 1905) mit Abteilungen für Physik (seit 1937) und Chemie (seit 1944); das Nobelinstitut des Karolinska-Instituts mit Abteilungen für Neurophysiologie (seit 1945) sowie Zellforschung und Genetik (ebenfalls seit 1945); das Nobelinstitut der Schwedischen Akademie mit der Nobelbibliothek für moderne Literatur (seit 1901); das Norwegische Nobelinstitut mit seiner Bibliothek von Veröffentlichungen über den Frieden und die internationalen Beziehungen der Völker (seit 1902).


Höhen und Tiefen der Stiftungsfinanzen

Von den 31,6 Millionen Schwedenkronen aus Alfred Nobels Hinterlassenschaft gab die Stiftung 28 Millionen in den Fonds, aus dem die Preise finanziert werden. Der Rest wurde gesonderten Fonds für Gebäude, Organisation, Nobelinstitute und Reserven zugewiesen. Zehn Prozent der jährlichen Zinsen und Erträge aus dem Hauptfonds werden dem Kapital zugeschlagen, die restlichen 90 Prozent als Geldpreise ausgezahlt.

Bei der erstmaligen Verleihung 1901 standen für jeden Preis 150 000 Schwedenkronen zur Verfügung. Das entsprach damals dem 20fachen Jahresgehalt eines Universitätsprofessors. Im Jahr 2000 war der einzelne Preis neun Millionen Schwedenkronen wert und seine Höhe damit ungefähr identisch mit der Summe von 1901. Die Nobelstiftung hat also ihr altes Zahlungsniveau wieder erreicht.

Der Weg dorthin war mühsam. Denn in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatte sich der reale Wert der Preise drastisch verschlechtert und war teilweise bis auf ein Drittel der ursprünglichen Höhe gesunken. Schuld daran waren zunächst die immer rigideren schwedischen Steuergesetze. Die Nobelstiftung hatte nämlich jahrelang Einkommensteuer zu zahlen - bis 1914 nur zehn Prozent und damit vergleichsweise wenig, ab 1915 den doppelten Satz und allein 1922 nach einer weiteren Steuererhöhung so exorbitant viel, dass die Steuern, die die Stiftung entrichten musste, die Summe übertraf, die 1923 für die Preise zur Verfügung stand. In diesem Jahr erreichten die Nobelpreise mit je 115 000 Schwedenkronen denn auch ihren absoluten Tiefpunkt.

Lange Zeit blieb die Nobelstiftung der größte einzelne Steuerzahler in Schweden. Bis 1946 hatte sie rund 13,5 Millionen Schwedenkronen an den Fiskus abgeführt und wurde nach langen Debatten im Parlament endlich von der Einkommensteuer befreit, was schon bei ihrer Errichtung angestrebt worden war. Das erlaubte eine Trendwende bei ihren Finanzen. Ein anderer Grund für den Verfall des Wertes der Preise war die testamentarische Verfügung Nobels, das Geld aus seinem Nachlass in sicheren Wertpapieren anzulegen. Mit dem Ausdruck »sichere Wertpapiere« meinte Nobel seinerzeit Staatsschuldpapiere, die fest an den Goldwert gebunden waren. Das war am Ende des 19. Jahrhunderts keine unsinnige Idee, wurde es aber spätestens 1931, als der Goldstandard aufgegeben wurde und sich die wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse wandelten. Deshalb musste die Art der Anlage von Nobels Vermögen dringend geändert werden. Im Jahr 1953 genehmigte die schwedische Regierung der Nobelstiftung eine revolutionäre Liberalisierung ihrer Investitionspolitik. Seitdem hat die Stiftung alle Freiheit, ihr Kapital unabhängig zu verwalten, und kann es am Immobilien- und Aktienmarkt, sogar am ausländischen, investieren und mehren. Die Wende von passiver zu aktiver Finanzpolitik, verbunden mit Steuerfreiheit und kompetentem Sachverstand im Direktorium der Stiftung, brachte den Aufwärtstrend. Der Kapitalschwund wurde gestoppt, und in den 1960er- und 1970er-Jahren multiplizierte sich der Wert der Nobelpreise in Schwedenkronen. Die rasche Inflation allerdings wirkte kontraproduktiv und beließ die Preise letztlich auf ihrem niedrigen Niveau. In den 1980er-Jahren jedoch stiegen sie endgültig an, als sich der Aktienmarkt belebte und der Immobilienbesitz an Wert gewann. Die Stiftung trennte sich vom Großteil ihrer Immobilien, bevor es Anfang der 1990er-Jahre zur Immobilienkrise kam.

Heute verfügt die Nobelstiftung über ein stolzes Nominalkapital von vier Milliarden Schwedenkronen. Seit dem 1. Januar 2000 erlauben es die veränderten Statuten sogar, Kapitalgewinne aus dem Verkauf von Vermögenswerten den Preissummen zuzuschlagen. Der Wandel schien nötig, um den Nobelpreisen langfristig durch die Möglichkeit steigender Preissummen ihren besonderen Rang zu bewahren.


















Nobelpreis: Die Kür der Kandidaten- Vorschläge, Auswahl und Verleihung

Wenn Wissenschaftler und Literaten im Dezember in aller Welt zur festlichen Nobelpreisverleihung in Stockholm rüsten, sind die Juroren in den in Alfred Nobels Testament genannten Institutionen längst am Werk, die Preisträger für das nächste Jahr zu ermitteln. Die praktische Arbeit bei der Nominierung der Kandidaten fällt den Nobelkomitees zu, von denen es für jeden Preis eines mit je fünf Mitgliedern gibt. Jedes Nobelkomitee bittet im Herbst vor dem Jahr der Preisvergabe einen in den Statuten der Nobelstiftung festgelegten Kreis von Fachleuten formell um ihr Votum. Als ständige Nominatoren gehören dazu alle bisherigen Nobelpreisträger und die jeweiligen Fakultäten aller skandinavischen Universitäten. Hinzukommen jedes Jahr mindestens sechs wissenschaftliche Institutionen in der ganzen Welt sowie geeignete Einzelpersonen.

Kandidaten für den Literaturpreis können von früheren Literaturnobelpreisträgern, von Mitgliedern der Schwedischen Akademie und ähnlichen Institutionen, von ausgewählten Universitätsprofessoren für Literatur und Philosophie sowie von Präsidenten repräsentativer Autorenverbände vorgeschlagen werden.

Das Vorschlagsrecht für den Friedenspreis haben alle vormaligen Friedensnobelpreisträger, gegenwärtige und ehemalige Mitglieder des Nobelkomitees des Norwegischen Parlaments, Berater des Norwegischen Nobelinstituts, Mitglieder der Parlamente und Regierungen aller Staaten und Mitglieder der Interparlamentarischen Union, Mitglieder des Internationalen Schiedsgerichtshofes in Den Haag, Mitglieder des Ständigen Internationalen Friedensbüros, Mitglieder und assoziierte Mitglieder des Institut de Droit International sowie Universitätsprofessoren der Politologie, Jurisprudenz, Geschichte und Philosophie. Nur Einzelpersonen, die den in den Statuten genannten Körperschaften angehören, haben das Recht, Kandidaten zu benennen. Dazu können weitere, als qualifiziert erachtete Personen um Vorschläge gebeten werden. Auf diese Weise werden jeweils etwa 1000 Personen zur Nominierung eingeladen.

Als Nobelpreiskandidaten kommen gleichfalls nur Einzelpersonen infrage. Ausgenommen davon ist der Friedensnobelpreis, der auch an Institutionen und Vereinigungen gehen kann. Offizieller, auch diplomatischer Druck hat keinen Einfluss auf die Auswahl. Die schwedischen Institutionen legen Wert darauf, dass auch informeller Druck interessierter Kreise sie unberührt lässt. Wer sich selbst vorschlägt, wird disqualifiziert. Die befragten Personen werden ermahnt, die Einladung zum Vorschlag vertraulich zu behandeln, um Pressionsversuche zu vermeiden. Die schriftlichen Namensvorschläge müssen zusammen mit der Begründung und den für preiswürdig erachteten, gedruckten Veröffentlichungen des Kandidaten jeweils bis zum 31. Januar bei den jeweiligen Nobelkomitees eingegangen sein, damit sie berücksichtigt werden können.


Auswahl der Preisträger und Entscheidung

Auf diese Weise kommen bis zum Einsendeschluss am 31. Januar des folgenden Jahres einige hundert preiswürdige Namen zusammen. Alljährlich am 1. Februar beginnen die Nobelkomitees damit, die eingegangene Post zu sichten. Jede ernsthafte Empfehlung wird sorgfältig geprüft. In den Naturwissenschaften kommen je Preis über 200 Vorschläge zustande, die mithilfe von Fachleuten zur Beurteilung des engeren Kreises der Kandidaten bewertet werden müssen. Vor allem skandinavische, aber auch ausländische Fachleute werden um Gutachten gebeten, die bis zum Ende der Sommerferien vorliegen müssen. Im September werden auch die Akademiemitglieder in den Auswahlprozess einbezogen, allerdings nur die Mitglieder der jeweils fachorientierten Klassen. So diskutieren die Mitglieder des Physikkomitees mit den etwa 50 in der Klasse für Physik organisierten Fachkollegen den engeren Kreis der Kandidaten. In einem manchmal kontroversen und langwierigen, bisweilen aber auch zügigen und einfachen Prozess wird ein Vorschlag erarbeitet, der Mitte Oktober der gesamten Akademie zur endgültigen Beschlussfassung unterbreitet wird. In der Regel schließt sich das Plenum der Akademie den Vorschlägen der Experten an.

Abweichend von der Akademie werden im Karolinska-Institut die Vorschläge des Nobelkomitees direkt der aus 50 Mitgliedern bestehenden Nobelversammlung dieses Instituts unterbreitet. Bei diesem kürzeren Weg kann es gelegentlich zu Konflikten kommen, insbesondere über die Bewertung der biomedizinischen Grundlagenforschung einerseits und klinisch orientierter, dem Patienten direkt nutzender Arbeiten andererseits. So verwarf 1979 die Nobelversammlung den damaligen, grundlagenorientierten Komiteevorschlag und bestimmte die Erfinder der Computertomographie zu Preisträgern. Dass sich damals hinter verschlossenen Türen eine Kontroverse abgespielt hatte, war nur daran zu erkennen, dass bei der öffentlichen Bekanntgabe des Medizinpreises den wartenden Journalisten keine Pressemitteilung ausgehändigt werden konnte.

Die perfekte Mauer der Verschwiegenheit, die die Nobelpreisnominierung bis zur Bekanntgabe der Preisträger umgeben soll, ist beabsichtigt und streng verteidigt. Keinerlei Informationen sollen an die Öffentlichkeit dringen, ehe die endgültigen Entscheidungen gefällt sind. Und selbst dann gibt es nur eine kurze Begründung zur Entscheidung. Der Friedensnobelpreis muss gar nicht begründet werden. Alle Entscheidungen sind endgültig und können nicht angefochten werden.

Zum Nimbus des Preises gehört sein Überraschungseffekt: Kein Kandidat soll im Vorhinein wissen, wenn er zum Nobelstar des Jahres auserkoren wird. Alle Laureaten spielen mit und tun bereitwillig so, als habe sie der Preis aus heiterem Himmel getroffen, wenn der ersehnte offizielle Anruf aus Stockholm kommt. Dabei wissen hochkarätige Wissenschaftler meist seit Jahren, wenn sie als Nobelkandidaten gehandelt werden, und erfahren in der Regel von Kollegen, sobald sich ihre Chancen verdichten.


Probleme und Pannen

Nöte bei der Preisvergabe haben die Nobelkomitees trotz aller Diskretion und Zurückhaltung zur Genüge. Das gilt nicht nur für die Bereiche Frieden und Literatur, sondern auch für die wissenschaftlichen Sparten. Zwar einigt man sich über die nachweislichen Leistungen von Naturwissenschaftlern und Medizinern häufig leichter als über die ethischen Qualifikationen von Friedenpreiskandidaten und über die künstlerischen Leistungen von Aspiranten auf den Literaturpreis, zumal ihrem Werk laut Vorgabe von Nobels Testament »eine ideale Richtung« zugrunde liegen soll. Dennoch gibt es auch in den wissenschaftlichen Fächern für die Preisrichter zahlreiche Klippen.

Schuld sind auch hier die unbestimmten Formulierungen im Testament: So sollten nach dem Willen Nobels die Zinsen aus dem nachgelassenen Kapital in den Wissenschaften »an diejenigen verteilt werden, die im abgelaufenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen erwiesen haben.« Mit der hohen Preissumme wollte Nobel jungen, viel versprechenden Wissenschaftlern in den Steigbügel helfen und ihnen finanzielle Unabhängigkeit geben, damit sie sich in Zukunft ganz ihren Aufgaben widmen konnten.

Der Typus des jungen, um seine Anerkennung kämpfenden, gleichwohl unzweifelhaft erfolgreichen Forschers scheint allerdings eine äußerst rare Spezies, die kaum einmal auszumachen ist. Das Durchschnittsalter der Nobelpreisträger liegt denn auch seit der Premiere des Preises im Jahr 1901 praktisch unverändert bei 62 Jahren. Kritiker sagen: An die Belohnung von Greisen, die über die Zeit ihres Schaffens längst hinausgeraten, weithin anerkannt und mit materiellen Mitteln zur Genüge ausgestattet sind, habe Alfred Nobel nie gedacht. Schuld an dieser Fehlentwicklung seien allein die Nobelkomitees, die keinen Mut zum Risiko hätten und niemals auf weniger bekannte, geschweige denn umstrittene Namen bei der Preisverteilung setzten.

Auch die zweite Direktive Nobels, die zeitliche Beschränkung der auszuzeichnenden wissenschaftlichen Leistung auf »das Jahr zuvor«, konnten die Nobelkomitees schon wegen des langwierigen Nominierungsprozesses nicht einhalten und sind bereits in den Statuten davon abgewichen. Dort steht geschrieben, dass die Leistungen nicht unbedingt »im Verlauf des vergangenen Jahres« vollbracht worden sein müssen, sondern auch ausgezeichnet werden können, sofern ihre Bedeutung erst im vergangenen Jahr sichtbar geworden ist. In der Regel lässt sich über den Wert oder Unwert wissenschaftlicher Entdeckungen, technischer Erfindungen und medizinischer Verbesserungen erst nach geraumer Zeit abgewogen urteilen. Nur selten ist die Lage dabei so eindeutig, dass man den Terminvorstellungen Nobels nahe kommen kann. Dies war 1987 der Fall, als Georg Bednorz und Alexander Müller nicht einmal zwei Jahre nach ihrer Arbeit über »warme Supraleiter« den Physiknobelpreis erhielten. Seit einem peinlichen Zwischenfall im Jahr 1926 üben sich die Nobeljuroren sonst eher in einer Strategie der Vorsicht und des Abwartens. Damals wurde mit dem Nobelpreis für Medizin ein Aufsehen erregender Fehlgriff getan: Die zunächst als Sensation gewertete Theorie des dänischen Preisträgers Johannes Fibiger, dass sich aus den Stoffwechselnebenprodukten von parasitären Würmern Krebs entwickele, erwies sich zum Entsetzen des Nobelkomitees nicht lange danach als falsch.

So nimmt die Nobelstiftung lieber in Kauf, dass ihr die Kandidaten wegsterben, als dass die Komitees eine Entscheidung treffen, bevor eindeutig feststeht, dass Beiträge zum wissenschaftlichen Fortschritt nicht von späteren Ereignissen überrollt werden. Durchschnittlich dauert es 15 Jahre, bis eine bedeutende Entdeckung mit dem Nobelpreis gekürt wird.


Einzelkämpfer und Frauen in der Minderzahl

Noch in einem dritten Punkt werden die Stockholmer Juroren Alfred Nobels Vermächtnis notgedrungen immer wieder untreu: So wie es von Anfang an praktisch unmöglich erschien, junge Forscher auszuzeichnen und noch dazu für eine im Vorjahr erbrachte Bravourleistung, so erwies es sich im Laufe der Zeit immer mehr als Unding, »Pioniere« für Ein-Mann-Erfolge zu belohnen, wie es dem Stiftungsbegründer eigentlich vorgeschwebt hatte.

In den letzten Jahren jedenfalls sind die naturwissenschaftlichen Nobelpreise kaum mehr an Einzelpersonen verliehen worden. Meistenteils werden sie an zwei oder drei Forscher aus einer Gruppe aufgeteilt. Der Franzose Jacques Monod, Medizinpreisträger von 1960, ist einer der wenigen, der ehrlich zugibt, dass ausgerechnet er bei der Preisverteilung das große Los gezogen hat. Er sagt: »An der Arbeit, für die ich den Nobelpreis bekommen habe, haben mindestens 30 Forscher gleichrangig nebeneinander gearbeitet. Keiner von uns hat dabei mehr geleistet als die anderen.«

Angesichts zunehmender Kooperation treten erfolgreiche Einzelkämpfer als Wissenschaftlerpersönlichkeiten tatsächlich immer seltener in Erscheinung. Die entscheidenden Etappen in Forschung und Entwicklung werden in wachsendem Maße kollektiv erreicht - häufig von fünf, zehn, ja sogar 80 und mehr Forschern gemeinsam. Derartige Gruppen oder Teams sind aber zu groß, als dass eine Entdeckung noch nach den Statuten prämiert werden könnte. Denn: »In keinem Fall kann ein Preis von mehr als drei Personen geteilt werden.« Damit kommen ganze Bereiche aus Physik, Chemie und Medizin für eine Nominierung nicht infrage, oder es können nur der oder die wichtigsten Köpfe geehrt werden.

Pannen scheinen auch bei wissenschaftlicher Arbeitsteilung im kleineren Stil nicht ausgeschlossen. So erhielten 1923 Professor John MacLeod und der junge Arzt Frederick Banting, beide aus Toronto, den Medizinpreis für die Entdeckung des Insulins. Professor MacLeod war jedoch an der Arbeit überhaupt nicht beteiligt und hatte sich zur fraglichen Zeit im heimatlichen Schottland aufgehalten. Übersehen wurde dagegen Charles Best, gleichfalls ein junger Arzt, der gemeinsam und gleichberechtigt mit Banting gearbeitet und publiziert hatte. Im Gegensatz zu Professor MacLeod war Banting generös genug, aus eigener Initiative seinen Preis mit Best zu teilen und die Goldmedaille durchzusägen. Best durfte seither als inoffizieller Preisträger an zahlreichen Nobelfeiern teilnehmen.

Ein ähnlicher Fall endete misslicher: Weniger großzügig nämlich erwiesen sich die beiden amerikanischen Physiker asiatischer Abkunft Tsung Dao Lee und Chen Ning Yang, die 1957 gemeinsam den Nobelpreis in ihrem Fach erhielten. Ihre Kollegin, die chinesische Physikerin Wu, Professorin an der New Yorker Columbia University, hatte Entscheidendes zur Anerkennung der wissenschaftlichen Leistung von Lee und Yang beigetragen. Denn sie allein war es, die mit einem raffinierten Experiment die höchst gewagten theoretischen Spekulationen der beiden Männer bewiesen hat. Mit fatalem Ergebnis: Lee und Yang wurden binnen Jahresfrist mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Die kluge Frau Wu dagegen hatte das Nachsehen.

Dabei hatte Alfred Nobel in seinem Vermächtnis ausdrücklich auch Frauen berücksichtigen wollen und in der ersten Fassung seines Testaments vom 14. März 1893 noch explizit geschrieben: »Es ist mein ausdrücklicher Wunsch, dass alle in diesem Testament in Aussicht genommenen Preise dem Verdienstvollsten zuerkannt werden, ohne die geringste Rücksicht darauf, ob er Schwede oder Ausländer, ob er Mann oder Frau ist.« Die rund 700 Nobelpreise im ersten Jahrhundert der Verleihung spiegeln ziemlich genau jene intellektuelle Arbeitsteilung wider, nach der Frauen in den Naturwissenschaften kleine Minderheiten sind. In Physik, Chemie und Medizin stellen weibliche Forscher nach wie vor nur bescheidene zwei Prozent aller Nobelpreisträger. Beim Literatur- und beim Friedenspreis kommen Frauen immerhin auf etwa zehn Prozent.

Nobels Auflage, der Preis solle nur solchen Persönlichkeiten zufallen, die im vergangenen Jahr »der Menschheit den größten Nutzen geleistet haben«, scheint eine gleichfalls heikle, schwer interpretierbare Formel. Manch eine Entdeckung nämlich, die zunächst nur von marginaler Bedeutung war, hat mit der Zeit hervorragenden praktischen Wert gewonnen. Andererseits hat der Lauf der Geschichte nicht selten segensreiche Fortschritte der Wissenschaft nach und nach in Furcht und Schrecken verkehrt. Das galt beispielsweise für den Medizinnobelpreis von 1948. Der Schweizer Paul Müller hatte ihn für die Entdeckung der hohen Wirksamkeit von DDT als Insektengift bekommen, weil dadurch die Ausrottung vieler
gefährlicher Krankheiten wie etwa der Malaria in den Bereich des Möglichen gerückt war. Zwei Jahrzehnte später wurde DDT als Ursache einer weltweiten Umweltkrise identifiziert und seine Verwendung bald darauf in den Industrieländern verboten.

Derartige Schwierigkeiten tun allerdings der Überzeugung des Nobelkomitees keinen Abbruch, dass es sich dabei um eine einst sehr nützliche und damit nobelpreiswürdige Entdeckung gehandelt habe. In Stockholm verficht man auch weiterhin die Meinung, dass ein Nobelkomitee gar nicht erst anfangen solle, bei einer Entdeckung mit möglichen Fehlentwicklungen zu rechnen. Denn Skrupel irgendwelcher Art ließen sich fast immer anmelden, und das würde die ganzen Nobelpreise nichtig machen.


Tadel und Kritik

Streit um die Wahl der Preisträger in der Wissenschaft gibt es alljährlich auch, weil heutzutage angeblich die preiswürdigen, großen Taten fehlen. Den Nobelkomitees wird der Vorwurf gemacht, sie kämen immer mehr von der Kür eines einzigen ersten Preises in Physik, Chemie und Medizin ab und würfen stattdessen mit schöner Regelmäßigkeit drei kleine, sozusagen »dritte« Preise für voneinander unabhängige Forschungen aus. Diese Praxis sei eine Notlösung, die Alfred Nobels Intentionen zuwiderlaufe.

Als unangenehm wird außerdem empfunden, dass die Nobelpreise nur für die klassischen Fächer verliehen werden, unsere heutige Welt aber viel komplexer ist. Tatsächlich existieren manche neue Disziplinen wie die Ökologie für die Nobeljuroren deshalb nicht, weil die Statuten eine Beschäftigung damit nicht hergeben. Anstatt die strengen Kriterien der Nobelpreise aufzuweichen, verweist die Wissenschaftsakademie darauf, dass sie seit 1980 den von einem schwedischen Industriellen gestifteten »Crafoord-Preis« verleiht, der Disziplinen wie Geo- und Biowissenschaften berücksichtigt. Dieser ebenfalls jährlich vergebene Preis ist zurzeit mit 500 000 Dollar dotiert. Es liegt nicht an der Akademie, sondern an der beschränkten Wahrnehmung der Öffentlichkeit, vielleicht aber auch an dem fehlenden traditionellen Zeremoniell, dass dieser Preis nicht annähernd die Reputation der Nobelpreise erlangt hat.

Ganz anders ist das große öffentliche Interesse an dem finanziell weitaus bescheideneren Preis der »Right Livelihood-Foundation«: Dieser Preis wird alljährlich in Stockholm just am Tag vor dem Nobelfest an drei oder vier Empfänger für Verdienste auf dem Gebiet von sozialer Gerechtigkeit, Minderheitenschutz, Abrüstung und alternativer Technologien verliehen und deshalb in den Medien als »alternativer Nobelpreis« bezeichnet. Die Nobelstiftung sieht über die Konkurrenz hinweg, obwohl es ihr vermutlich lieber wäre, wenn der Preis ohne die Erwähnung von Nobels Namen vergeben würde.

Getadelt an den Entscheidungen der Nobelkomitees wird nicht nur, dass sie bestimmte Forschungsgebiete ganz übersehen, sondern auch andere bevorzugen. So werden zuweilen zeitlich gehäuft Auszeichnungen für nahe beieinander liegende Themen vergeben, wie im Fall der Nobelpreise für Medizin 1975 und 1976, die an insgesamt fünf amerikanische Forscher für Arbeiten über Viren gingen. Als sich Baruch S. Blumberg und Daniel Charleton Gajdusek 1976 den Medizinpreis teilten und alle Welt bei ihren Entdeckungen an einen neuen Zugang zum Verständnis von Infektionen durch langsame Viren im Hinblick auf Schafs- Scrapie und die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit beim Menschen dachte, sprach das vorsichtige Nobelkomitee des Karolinska-Instituts in seiner Preisbegründung allerdings nur von einer »Entdeckung, betreffend neue Mechanismen für den Ursprung und die Ausbreitung infektuöser Krankheiten«. Es lag auf der Hand, dass an diese Entdeckung große Erwartungen hinsichtlich der Bekämpfung spongioformer Enzephalopathien geknüpft wurden. Inzwischen hat sich gezeigt, dass nicht die langsamen Viren die Ursache für Hirnveränderungen wie Rinderwahn oder Creutzfeldt-Jakob-Krankheit sind, sondern veränderte Eiweißkörper, die Prionen, für die der Amerikaner Stanley Prusiner 1997 wiederum den Medizinnobelpreis erhielt.

So wie in den ersten Jahrzehnten der Nobelpreisverleihung Deutsche die meisten wissenschaftlichen Preise einheimsten, haben seit dem Zweiten Weltkrieg vor allem amerikanische Wissenschaftler in Stockholm das Rennen gemacht. Tatsächlich spiegelt die Nationenbilanz der wissenschaftlichen Nobelpreise ziemlich gut die aktuelle Vitalität und Stärke der Forschung einzelner Staaten. Zum Bild heute gehört das forschungspolitische Ungleichgewicht zwischen den Vereinigten Staaten und Europa, zwischen Industrienationen und Entwicklungsländern.

Allerdings existiert die Dritte Welt auch im Bereich der Literatur für die schwedischen Juroren nur am Rande, und lediglich Entscheidungen des norwegischen Komitees für den Friedenspreis kompensieren gelegentlich das Bild einseitiger Nationenwertung im Nord-Süd-Gefälle. So ist wohl der Verdacht nicht von der Hand zu weisen, dass es bei der Verleihung der Nobelpreise trotz unzweifelhafter Berücksichtigung von überragender, individueller Leistung nicht ohne Proporzdenken und ohne den Einfluss guter Freunde geht. Inwieweit das im Einzelnen der Fall ist, lässt sich für Außenstehende kaum ausmachen. Unentschieden bleibt bei strittigen Entscheidungen der Komitees die Frage, ob es in den betreffenden Fächern an geeigneten Vorschlägen mangelte, ob im Auswahlkomitee bestimmte Fraktionen besonders starken Einfluss errungen hatten oder ob es im Fach einfach an entscheidenden Fortschritten und interessanten Entwicklungen fehlte.

Lückenhaftigkeit in der Wahl wird dabei allen Komitees vorgeworfen. Besonders ins Gerede gekommen ist in letzter Zeit die Schwedische Akademie, deren Komitee für den Literaturnobelpreis verantwortlich ist. Ihre Entscheidungen werden in jedem Herbst stets aufs Neue als Konsequenzen einer systematisch betriebenen Kulturpolitik, persönlicher Vorlieben und interner Intrigen gedeutet. Offenbar tut sich die Akademie, die seit jüngsten Enthüllungen aus ihrer Mitte als Schlangennest gilt, mit ihren Beschlüssen besonders schwer. Angeblich tobt dort hinter den Kulissen der Kampf um Länderproporz, Positionen und Personen besonders heftig.


Die Nobelfeiern

Inzwischen sind die Nobelpreise zum international renommierten Markenartikel Schwedens und zum außenpolitischen Werbeposten geworden: Jedes Jahr am 10. Dezember, wenn an Alfred Nobels Todestag in Stockholm feierlich die Preise für Physik, Chemie, Medizin, Wirtschaftswissenschaften und Literatur verliehen werden und gleichzeitig in Oslo der Friedenspreis vergeben wird, schaut die ganze Welt nach Nordeuropa, und alle Nachrichtensendungen in Funk und Fernsehen und alle Zeitungen berichten über die Nobelfeiern. In Schweden selbst hat das Ereignis im Lauf der letzten 100 Jahre den Charakter eines Nationalfeiertags erlangt.

Die Preisträger pflegen bereits einige Tage vorher nach Stockholm oder Oslo anzureisen, um ihre einzige, mit der Ehrung verbundene Pflicht zu erfüllen, nämlich in der Nobelvorlesung vor dem preisverleihenden Gremium über ihre preisgekrönte Arbeit zu berichten. Die Vorträge können allerdings auch bis zu sechs Monate später gehalten werden. Seit dem Beginn im Jahre 1901 sind sie lückenlos in der Schriftenreihe der Nobelstiftung »Les Prix Nobel« abgedruckt.

Die eigentliche Preisverleihung, der Höhepunkt der Preisträgerwahl, ist eine höchst festliche Zeremonie in Frack und Grande Robe am späten Nachmittag des 10. Dezember, bei der den Preisträgern Nobelgoldmedaille und Diplom feierlich überreicht werden. Früher gab es dazu auch den Scheck über das Preisgeld in die Hand. Heute wird die geldliche Seite per Banküberweisung erledigt und rechtzeitig die Kontonummer erfragt.

In Stockholm findet die Preisverleihung seit den 1920er-Jahren in der damals neu erbauten Konzerthalle statt, und die Laureaten nehmen die Preise für Physik, Chemie, Medizin, Literatur und inzwischen auch Wirtschaftswissenschaften vom König höchstpersönlich entgegen. In Oslo geht es demokratischer zu: Den Friedenspreis übergibt der Vorsitzende des norwegischen Nobelkomitees und zwar in der dortigen Universität. Aber auch in der norwegischen Hauptstadt ist die königliche Familie anwesend.

In Stockholm schließt sich an die feierliche Preisverleihung ein pompöses Bankett mit Ball für die Nobellaureaten und ihre Familien an. Das glitzernde Fest im Blauen Saal der Stadthalle gilt als gesellschaftlicher Höhepunkt der Saison in der schwedischen Hauptstadt. Mit dabei sind auch hier der König und die Königin sowie andere Mitglieder des Königshauses und Vertreter der schwedischen Regierung und des Parlamentes. In jedem Jahr entbrennt aufs Neue ein Kampf, mit zu den insgesamt 1300 Geladenen gehören zu dürfen. Die Zahl schließt 250 durch Los ermittelte, weißbemützte Studenten in Abendgarderobe ein, die den Gästen den Weg zu ihren Sitzen an den langen, verschwenderisch mit Kristall, Silber und Blumen aus San Remo gedeckten Tafeln weisen. Das Bankett beginnt um Punkt sieben Uhr abends mit lautem Fanfarenklang, der den Einmarsch der Majestäten, Laureaten und Ehrengäste von der Ballustrade die Freitreppe hinunter in den Saal ankündigt. Als Erster kommt der König und an seinem Arm traditonellerweise die Frau des Physikpreisträgers. Die nächsten drei Stunden verbringt die Festgesellschaft mit einem aufwendigen Menü, dessen Speisenfolge bis zu diesem Abend ein wohlgehütetes Staatsgeheimnis ist. Zum Essen gibt es tänzerische und musikalische Darbietungen und zum Eisdessert mehr oder weniger launige Dankesworte der Laureaten an die schwedischen Gastgeber. Danach wird im Goldenen Saal getanzt. Das Königspaar zieht sich in die Prinzengalerie zurück, wo die frisch geehrten Nobelpreisträger und ihre Familien zum Small Talk vorbeikommen dürfen: Der vornehmste Titel der internationalen Geistesaristokratie pflegt auch äußerlich gern die Nähe zum Adelsprädikat.




Nobel: Der Mann hinter den Preisen

Alfred Nobel (1833-96) hielt nichts davon, Einzelheiten aus dem Leben anderer Leute zu erfahren. Er meinte: »Wer hat Zeit, Biografien zu lesen, und wer kann so naiv und liebenswürdig sein, sich dafür zu interessieren?« Und so war er denn auch im eigenen Fall allenfalls zur Mitarbeit in sarkastischem Telegrammstil bereit: »Erbärmliches Halbleben, hätte von menschenfreundlichem Arzt erstickt werden sollen, als er schreiend in dieses Leben trat. Größte Verdienste: die Fingernägel rein zu halten und nie jemandem zur Last zu liegen. Größte Fehler: keine Familie zu haben, keine frohe Laune, keinen guten Magen. Größter und einziger Anspruch: nicht lebendig begraben zu werden. Größte Sünde: nicht dem Mammon zu huldigen. Bedeutende Ereignisse in seinem Leben: keine.« Der Mann, der mit 54 Jahren diese Zeilen schrieb, gehörte zu den prominentesten und reichsten Personen Europas. Er starb sieben Jahre später am 10. Dezember 1896. Sein Stiftungstestament stammt vom 27. Dezember 1895. Die berühmten, hochkarätigen Preise, die auf dieses Testament zurückgehen, werden seit 1901, also nunmehr ein ganzes Jahrhundert lang, vergeben. Sie sind die begehrtesten und angesehensten Auszeichnungen in der Physik, Chemie, Medizin, Literatur und schließlich auch in der Arbeit für den Frieden. Die Personalunion von Sprengstoffexperte und Friedenspreisstifter hat Nobel den Ruf eingetragen, dass er den Preis aus Gewissenskonflikten gestiftet habe. Tatsächlich hat er viele Jahrzehnte, bevor das Gleichgewicht des Schreckens aktuell wurde, leidenschaftliches Interesse für Friedensfragen entwickelt und später die Möglichkeit eines Friedens durch Superwaffen in Betracht gezogen. Zwar bestritt Nobel die Verantwortung des Wissenschaftlers für die Anwendung seiner Erfindung, aber die Stiftung des Preises in seinem Testament kann in gewissem Umfang durchaus auch als Ausdruck schlechten Gewissens verstanden werden. Denn sein Leben lang war der Schwede tief getroffen von den Vorwürfen, dass seine Erfindungen Tod und Elend über die Menschen gebracht hätten.


Erfolg kostet

Alfred Nobel, dessen ungeheurer Reichtum aus seinen Entdeckungen von Sprengstoffen herrührte, war ein Selfmademan, wie man ihn sich typischer kaum denken kann - Chemiker, Geschäftsreisender, vielfacher Firmengründer, Großunternehmer, Multimillionär und besessen von der Arbeit. »Ohne Arbeit wäre es unerträglich«, schrieb er. »Aber die Arbeit verschönert alles, und die Gedanken schaffen ein neues Leben, in dem man Luxus und Komfort entbehren kann, ohne sie zu vermissen, und in dem man nicht dazu kommt, den bleiernen Druck der Langeweile zu fühlen.« Ihn reizte nie Forschung im Elfenbeinturm, sondern immer industrielle Entwicklungsarbeit. Wie ein Besessener experimentierte er bis ins hohe Alter im Labor - oft unter Lebensgefahr und ohne zu essen und zu schlafen. Mit Arbeitswut und Leseeifer kompensierte der gebildete Autodidakt seine Menschenscheu, den Hang zu Depressionen und seine Einsamkeit. 1893 verlieh ihm die Universität Uppsala einen Ehrendoktor für Philosophie. Er hat den Titel nie benutzt.

Nobels Privatleben war unglücklich und er selbst ein zerrissener Mensch: Schon der von Literatur und Poesie begeisterte 18-Jährige schrieb als Fingerübung ein langes, lethargisches Gedicht im Stile Shelleys, in dem er sein bisheriges Leben darstellte und in einer unglücklichen Liebe enden ließ. 25 Jahre später, im Mai 1876, hatte er mit der österreichischen Gräfin Bertha Kinski, die kurz darauf einen Baron von Suttner heiratete, eine wenige Tage dauernde, unerfüllte Romanze. Noch im gleichen Jahr begann Nobel mit der blutjungen Blumenverkäuferin Sofie Hess, ebenfalls einer Österreicherin, eine lange, glücklose Affäre.

Das Bild der oft als rätselhaft beschriebenen, zwiespältigen Persönlichkeit Alfred Nobels wird aus einer Vielzahl von Briefen deutlich. Die erhaltene Korrespondenz des schwedischen Magnaten ist ungewöhnlich umfangreich. Die Briefe verstärken den sattsam bekannten Eindruck von Nobels Charakter als den eines menschenfeindlichen und depressiven Zeitgenossen. Die Korrespondenz zeigt auch das ganze Elend seiner traurigen Amoure mit der koketten, 23 Jahre jüngeren Sofie Hess, die ihren vermögenden Liebhaber fast zwei Jahrzehnte lang nach Strich und Faden ausnahm und selbst aus seinem Tod noch Kapital schlug: Als Nobel 1896 starb, drohte sie mit einem Skandal, falls die Nachlassverwalter Nobels Briefe nicht bei ihr auslösten, und konnte mit Mühe und Not mit einer horrenden Summe Geld zum Schweigen gebracht werden.


Aus bitterer Armut zum Großbürgerssohn

So menschlich anrührend die aufreibende Liebesaffäre des melancholischen, einsamen Millionärs gewesen sein mag, sozialhistorisch interessanter ist ohne jeden Zweifel die technisch-wissenschaftliche und die unternehmerisch-industrielle Seite im Leben Alfred Nobels: Der Schwede war vor allem ein genialer Tüftler und ein cleverer Geschäftsmann, der seine Erfindungen mit ungeheurer Energie und gegen alle Widerstände rund um den Globus vermarktete und aus dem Nichts ein Wirtschaftsimperium zu geradezu atemberaubendem Erfolg führte. Prägend für die Aktivitäten des späteren Industriemagnaten war dabei seine eigene, frühe Familiengeschichte, die von bitterer Armut zu großbürgerlichem Wohlstand und neuerlichen wirtschaftlichen Existenzkrisen des Vaters führte.

Zu den Vorfahren Alfred Nobels zählte Olof Rudbeck, Schwedens bedeutendster Gelehrter im 17.Jahrhundert, der als Professor der Medizin und Rektor an der Universität Uppsala lehrte. Rudbeck galt als Universalgenie, weil er nicht nur das menschliche Lymphsystem entdeckte, sondern auch Häuser und Brücken, Wasserleitungen, Schleusen und botanische Gärten zu bauen verstand und sich ebenso auf dem Gebiet der Ballistik und Pyrotechnik auskannte. Der Familienchronik nach danken Alfred Nobel, sein Vater und seine Brüder ihre technischen Talente und ihre Lust am Tüfteln eben diesem Ahnherrn.

Rudbecks Tochter Wendela heiratete den Juristen und späteren Richter Petrus Nobelius, der seinen südschwedischen Geburtsort Nöbbel auf Schonen zum Familiennamen latinisierte, als er sich zum Studium in Uppsala einschrieb. Dessen Enkel Immanuel, ein Regimentsarzt, kürzte den Namen zum vornehm klingenden »Nobel« - mit der Betonung auf der letzten Silbe. Sein Ururenkel Immanuel wurde Alfreds Vater. Er hatte sich aus kleinsten Verhältnissen zum Architekten und Baumeister hochgearbeitet. In Alfreds Geburtsjahr 1833 musste Immanuel Nobel Konkurs anmelden, und es dauerte zehn Jahre, bis er alle Gläubiger befriedigt hatte.

Alfred Bernhard Nobel, das dritte von acht Kindern, von denen allerdings nur die Hälfte groß wurde, erlebte von wirtschaftlicher Not bedrängte, frühe Jahre, in denen lange Zeit der Vater fehlte. Der zog 1838 nach St. Petersburg, um dort eine mechanische Werkstatt zur Herstellung von Tretminen für die russischen Streitkräfte zu gründen, für die er die eigene schwedische Regierung nicht hatte interessieren können. Die Mutter Andriette blieb mit dem fünfjährigen Alfred und seinen beiden älteren Brüdern Robert und Ludwig in Stockholm zurück und ernährte sich und die Kinder bescheidenst mit einem kleinen Geschäft für Milch und Gemüse. Es heißt, Alfred, Robert und Ludwig hätten auf der Straße Zündhölzer verkauft, um der Mutter beim Unterhalt zu helfen, und die Erzählung scheint keine sozialromantische Ausschmückung der Biografen Nobels.

Als Alfred neun Jahre alt war, holte der Vater die Familie nach St. Petersburg. Seine neue Firma, in der nun auch Wagen- und Kanonenräder sowie Warmwasserzentralheizungen hergestellt wurden, prosperierte und erlaubte einen zunehmend großbürgerlichen Lebenszuschnitt. Für die Söhne wurden namhafte Hauslehrer engagiert, die sie in Mathematik, Physik und Chemie, Geschichte, Philosophie und Literatur sowie Russisch, Französisch, Englisch und Deutsch unterrichteten.


In den Fußstapfen und in der Firma des Vaters

Mit 16 Jahren war Alfred Nobel ein kluger, gebildeter, junger Mann, der fünf Sprachen beherrschte. Er liebte die Literatur, aber auch die Chemie und dort besonders das Experimentieren, das er bei den beiden russischen Professoren Julij Trapp und Nikolai Sinin gelernt hatte und bald als Assistent seines Vaters praktizierte.

Den 17-Jährigen schickte der Vater in den Jahren 1850-52 auf eine Studienreise nach Deutschland, Frankreich, Italien und den Vereinigten Staaten. Er sollte dort seine Chemiekenntnisse komplettieren und sich zum Nutzen der väterlichen Firma auf dem Gebiet der Sprengstofftechnik umsehen. Die Familie hoffte wohl auch, dass er sich den Gedanken aus dem Kopf schlagen würde, Schriftsteller zu werden.

Alfred Nobel verbrachte ein Jahr im Pariser Laboratorium des Chemikers Jules Pelouze, um sich mit explosiven Substanzen zu befassen. Vermutlich hörte er dort erstmals vom Nitroglycerin. Der hochexplosive, schwer hantierbare Sprengstoff war 1847 von dem Italiener Ascanio Sobrero entdeckt worden. Bei Pelouze schloss Alfred Nobel seine Ausbildung als Chemiker ab. Nach seiner Rückkehr nach Russland wurde er wie seine Brüder in der väterlichen Firma angestellt.

Als 1854 der Krimkrieg ausbrach, gehörte Vater Immanuel Nobels Fabrik zu den wichtigsten russischen Unternehmen, die mit Staatsaufträgen die Streitkräfte ausrüsteten. In dem Betrieb, der zu besten Zeiten 1000 Arbeiter beschäftigte, wurden Land- und Seeminen mit Ladungen aus Schwarzpulver und Schießwolle, Geschütze und Schnellfeuergewehre, aber auch große Schrauben für Dampfschiffe hergestellt. Mit dem Kriegsende 1856 kam die Katastrophe für Immanuel Nobel, der davon lebte, Kriegsmaterial zu produzieren. Die öffentlichen Aufträge entfielen, und die Fabrik machte Konkurs. Die Eltern kehrten heim nach Schweden, und der Vater mietete in dem Landgut »Heleneborg« ein paar Zimmer, wo er sich ein neues, kleines Laboratorium einrichtete und mit dem jüngsten Sohn Emil weiter an Sprengstoffen arbeitete. Die drei älteren Söhne blieben in St. Petersburg, um die Firma zu liquidieren und zu retten, was zu retten war. Sie ventilierten mögliche Projekte für einen Neubeginn und ließen sich dabei von ihren früheren Lehrern beraten. Der Professor und General Nikolai Sinin erinnerte sie an die Möglichkeiten des Nitroglycerins.


Sprengöl - das erste, wichtige Patent

Alfred Nobel sah in der hochexplosiven Chemiekalie eine wirtschaftliche Chance. In den nächsten Jahren führte er immer wieder riskante Experimente mit der schwierigen Substanz durch, bis es ihm 1860 erstmals gelang, Nitroglycerin in ausreichender Menge herzustellen. Er mischte den heiklen Stoff mit Schwarzpulver und brachte die Mixtur tatsächlich auf der zugefrorenen Newa mit einer Zündschnur zur Explosion. Unter dem Namen »Sprengöl« reichte er die neue Methode, »Pulver sowohl zum Sprengen wie zum Schießen zu nutzen«, im heimischen Stockholm beim Patentamt ein. Das Patent wurde ihm am 14. Oktober 1863, eine Woche vor seinem 30. Geburtstag, erteilt. Der junge Erfinder blieb in Schweden und setzte in einem primitiven Schuppen in Heleneborg seine Experimente fort. Er vereinfachte die Herstellung von Nitroglycerin und dachte sich ein geeignetes Zündhütchen für die Sprengladung aus, das zunächst aus einem Holzpfropfen mit Schwarzpulver, sehr bald verbessert aus einer bis heute verwendeten Metallhülse bestand. Schon 1864 gab es dafür das nächste Patent.

Nobels Initialzünder galt als Revolution in Theorie und Praxis der Sprengstofftechnik, wichtiger als das drei Jahre später gefundene Dynamit. Erst durch diesen Zünder konnte das Nitroglycerin wirksam als Sprengstoff genutzt werden. Auch Nobel selbst wusste, dass ihm mit seinem Zündhütchen Bahnbrechendes gelungen war: 1864 habe »das wirkliche Nitroglycerinalter« begonnen, sagte er später.


Ein unermüdlicher Erfinder

Der Erfolg war teuer erkauft: Am 3. September 1864 flog der Schuppen in Heleneborg, in dem die Experimente durchgeführt wurden, in die Luft. 300 Pfund Nitroglycerin sollen in seinem Inneren explodiert sein. Nobel selbst wurde nur leicht verletzt. Aber fünf andere Menschen kamen bei der Katastrophe ums Leben - ein Ingenieur, ein Arbeiter, ein Laufbursche, ein Dienstmädchen und Alfreds jüngerer Bruder Emil. Vater Immanuel verkraftete das Unglück nicht, sondern erlitt kurz danach einen Schlaganfall, der ihn für den Rest seines Lebens zum Wrack machte.

Trotz der Todesfälle und der damit verbundenen Anfeindungen und polizeilichen Auflagen arbeitete Alfred Nobel unbeirrt weiter. Zunächst auf einem Schleppkahn, der auf dem Mälarsee verankert war, später in einer neuen Fabrik in Vinterviken südlich der Stockholmer Stadtgrenze und bald darauf auch in einem Betrieb in Krümmel bei Hamburg produzierte er Sprengöl. Zugleich versuchte er, die Verwendung der diffizilen Substanz in immer neuen Experimenten sicherer zu machen, damit sich ihre Risiken beim Transport und bei der Aufbewahrung minderten.

Nobel erkannte, dass Nitroglycerin von porösem Material aufgesogen und mit diesem gemischt werden musste, wenn man es mit weniger Problemen handhaben wollte. Er probierte Holzkohle, Sägespäne, Ziegelstaub und Zement als Zusatzstoffe. Erst in der Kieselgur fand er schließlich die ideale Beimischung.

Die pulvrige, poröse Masse aus den Panzern abgestorbener Algen, die in unmittelbarer Nähe seiner deutschen Niederlassung abgebaut werden konnte, saugte Nitroglycerin zu einer zähen Substanz auf. Aus dieser Masse ließen sich Stäbe formen, die betriebssicher transportiert und in Bohrlöcher gesteckt werden konnten. Sie explodierten nicht spontan, sondern erst, wenn eines von Nobels Zündhütchen sie in Brand setzte.

Nobels hantierbare Variante des hochempfindlichen Nitroglycerins wurde 1867 als »Dynamit« patentiert, zuerst in England, Schweden und den USA. Das Dynamit machte Nobel schlagartig berühmt und reich. Es wurde das gängige Sprengmittel. Der Erfinder selbst gab dem Explosivstoff den Namen - nach dem griechischen Wort für »Kraft«. Die deutschen Mitarbeiter hatten das Dynamit »Sprengkitt« nennen wollen. Aber Nobel meinte, das höre sich an, als sollten Fensterscheiben gesprengt werden, und das sei wohl kaum beabsichtigt. Gedacht war an ganz andere Größenordnungen: Es war die Zeit großer Anlageprojekte, und Nobels Erfindung beförderte durch die Möglichkeit, Erdmassen zu sprengen und zu versetzen, allerorts den Bau von Eisenbahnen, Häfen und Brücken, Kanälen und Straßen, Bergwerken und Tunnels. Was mit friedlichen Unternehmungen begann, interessierte bald auch die Militärs, und sie verwendeten Dynamit in Bomben und Granaten.

Eine verbesserte Variante des Dynamits wurde 1875 als »Sprenggelatine« patentiert. Nobel hat selbst erzählt, welcher Zufall ihn zur Entdeckung dieses stoß- und friktionssicheren Sprengstoffs führte. Er hatte sich in den Finger geschnitten und strich sich in seinem Labor als Pflasterersatz etwas Kollodium auf die Wunde, also in Alkohol und Äther gemischten, leimartigen, nitrierten Zellstoff. Dabei kam ihm die Idee, Kollodium und Nitroglycerin in einer Schale zu mischen. Das Nitroglycerin löste sich sofort auf, und es entstand ein Gelee, das sich je nach Mengenverhältnis beliebig fest oder flüssig halten ließ.

Nobel experimentierte die ganze Nacht. Am nächsten Morgen präsentierte er seinen Mitarbeitern die Sprenggelatine als neues, überlegenes Produkt mit stärkerer Sprengkraft als reines Nitroglycerin und dabei chemisch stabil und unempfindlich gegen Stöße. Ein knappes Jahrzehnt später, im Jahr 1884, erfand Alfred Nobel das erste rauchlose Pulver, das er »Ballistit« nannte. Dieses Gemisch aus Nitrozellulose und Nitroglycerin, das bald »Nobel-Pulver« hieß, machte Schluss mit den Rauchschwaden beim Zünden von Handfeuerwaffen und hinterließ nur noch Wasserdampf. Es ersetzte bald das seit dem 15. Jahrhundert in Europa gebräuchliche Schwarzpulver in Gewehren und Pistolen. 1887 erhielt Nobel in Frankreich das erste Patent auf sein neues Pulver.

Nobel ließ sich nicht nur immer wieder Neues zu Sprengstoffen und zur Waffenchemie einfallen. Er kümmerte sich auch intensiv um die Entwicklung neuer Materialien - beispielsweise synthetischen Gummi, Kunstseide und Kunstleder. Zugleich arbeitete er an Lokomotivbremsen, Alarmanlagen, Fernmeldetechnik, Flugzeugkonstruktionen und Kühlschränken für den Haushalt. Die Ideen und die Lust am Experimentieren gingen ihm bis ans Lebensende nicht aus, zuletzt hatte er 355 Patente.


Auch als Unternehmer ein Talent

Alfred Nobels zahlreiche Patente entstanden zunächst in seinen Laboratorien in Hamburg und Paris. Später richtete er sich auch Labors in Ardeer in Schottland und in Bofors in Südschweden ein, wo er sich eine Kanonenfabrik gekauft hatte. Selbst in seiner sommerlichen Villa in San Remo gab es ein großes Laboratorium und eine Bibliothek.

Bei aller Forschung und Entwicklung hatte Nobel aber stets die industrielle Verwertung im Blick und ein untrügliches Gespür für Marktchancen. Diese Doppelbegabung von talentiertem Erfinder und erfolgreichem Unternehmer scheint das erstaunlichste Phänomen an Alfred Nobel. Er war einer der wenigen Forschungsingenieure, der in eigener Person äußerst geschickt kommerziell zu nutzen verstand, was unter seinen Händen im Labor entstanden war.

Schon als 30-Jähriger agierte Alfred Nobel mit resoluter Entschlossenheit und unbeirrbarem Selbstvertrauen, als er sich daran machte, sein soeben bewilligtes Patent für Sprengöl industriell zu nutzen. Weder die tödliche Explosion in der Fabrik außerhalb Stockholms noch die aufgebrachte Öffentlichkeit oder die Auflagen der Polizei hinderten ihn an der Verwirklichung seiner Pläne. Er gründete im Oktober 1864 seine erste Aktiengesellschaft »Nitroglycerin Aktiebolaget« und produzierte unter anfangs äußerst schwierigen Bedingungen Sprengöl. Als die Nachfrage in Schweden wuchs, ließ sich Nobel sein Sprengöl auch in England, Norwegen und Finnland patentieren. Bereits im November 1865 genehmigten ihm die deutschen Behörden den Bau einer Nitroglycerinfabrik. In Krümmel an der Elbe südöstlich von Hamburg entstand seine erste ausländische Firma.


Auf dem Weg zu einem Weltimperium

Ein halbes Jahr später reiste er in die Vereinigten Staaten, um auch dort eine kontinuierliche Sprengstoffproduktion in Gang zu bringen. Das war ein schwieriges Unterfangen, da sich kurz zuvor mehrere tödliche Unfälle mit Nitroglycerin ereignet hatten, einer davon direkt vor einem Hotel in New York. Der amerikanische Kongress beabsichtigte deshalb ein totales Transportverbot des heiklen Stoffes.

Alfred Nobel ergriff die Flucht nach vorn: Er erwirkte vom New Yorker Bürgermeister die Erlaubnis, seine Methode der Handhabung von Sprengöl vor Publikum öffentlich demonstrieren zu dürfen. Im Mai 1866 leitete er eine spektakuläre Probesprengung in einem unbebauten Teil Manhattans. Die Öffentlichkeit verlor ihre Furcht, und der Kongress begnügte sich damit, für die gefährlichen Transporte nurmehr deutliche Warnschilder vorzuschreiben. Am Tag nach dem Kongressbeschluss gründeten Nobel und seine amerikanischen Teilhaber die »United States Blasting Oil Company«. Die erste amerikanische Dynamitfabrik entstand im Herbst 1867 in Rock House Canyon bei San Francisco. Sie musste bereits nach zwei Jahren erweitert werden.

Der nächste Standort wurde Frankreich. Auch hier war der Start mühsam. Aber der Deutsch-Französische Krieg 1870/71 veränderte die Lage zugunsten Nobels, und Anfang 1871 baute der Schwede zusammen mit seinem französischen Kompagnon Paul Barbe im Rekordtempo eine Dynamitfabrik im südfranzösischen Paulilles. 1872 folgte eine Produktionsstätte im schottischen Ardeer, und »das Dynamit begann sich,« so Nobel, »zur Weltindustrie auszuweiten«. 1873 verfügte Alfred Nobel bereits über 17 eigene Fabriken, darunter auch solche in Österreich, Spanien, der Schweiz, Italien und Portugal. Aus Sorge, andere könnten seine Patente illegal verwenden und ihn um den wirtschaftlichen Ertrag seiner Erfindungen bringen, suchte Nobel überall einen schnellen Zugang zum Markt und Betriebsgrößen, die mögliche Konkurrenten von vornherein ausschalteten. Als der Firmengründer und multinationale Unternehmer 1896 starb, besaß er mehr als 90 Sprengstofffabriken in 20 Ländern und damit auf fünf Kontinenten ein globales Industrieimperium ohnegleichen. Nobel engagierte sich nicht nur im Sprengstoffgeschäft, sondern auch in der Erdölindustrie. Seine Brüder Robert und Ludwig Nobel, die in Russland geblieben waren und dort das marode Industrieunternehmen ihres Vaters saniert hatten, erschlossen später die Ölfelder von Baku in Aserbaidschan und ließen den ersten Öltanker sowie die erste Pipeline der Welt bauen. Ludwig Nobel erwarb sich Ruhm und Ansehen als Russlands ungekrönter Ölkönig, und Alfred Nobel wurde Teilhaber und finanzieller Bürge der Ölgesellschaften seiner Brüder, was sein ohnehin bereits immenses Vermögen noch weiter mehrte.


Einsam im Leben und im Tod

Reichtum und Erfolg fielen Alfred Nobel nicht in den Schoß. Sein Leben als Forscher und Erfinder, Unternehmer und Industriemagnat war rastlos und voller Stress und seine Gesundheit meist angegriffen. Seit seiner Kindheit schwach und kränklich, hatte er ständig mit Migräne, Rheuma und Magenbeschwerden, später auch mit Angina pectoris zu tun. Er rauchte nicht, trank nicht, aß Diät und suchte häufig Ärzte und Kurorte auf.

Als Ironie des Schicksals empfand er es, dass ihm die Mediziner im letzten Lebensjahr ausgerechnet Nitroglycerin als Medikament zur Einnahme gegen seine Herzbeschwerden verordneten. Wegen seiner Geschäfte ständig unterwegs, war Alfred Nobel letztlich heimatlos und »der reichste Vagabund Europas«. Als Person blieb der Schwede weitgehend anonym. Er galt als schweigsam, schüchtern und anspruchslos. Er heiratete nie, hatte auch keine eigenen Kinder, aber eine enge Bindung an seine Mutter und die Brüder, die alle vor ihm starben. Seine Ehelosigkeit war eher unfreiwillig: Die österreichische Baronin und spätere Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner, die kurze Zeit Nobels Privatsekretärin in Paris war und mit ihm lebenslang befreundet blieb, wäre wohl seine Frau geworden, wenn sie nicht schon anderweitig liiert gewesen wäre. Auch bei der 23 Jahre jüngeren Sofie Hess dachte Nobel zunächst an Heirat. Die kostspielige Verbindung mit dem Blumenmädchen dauerte fast zwei Jahrzehnte und entwickelte sich zum L
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