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Popp und Mingel - Referat
Marie Louise Kaschnitz: Popp und Mingel
Umformung in ein Gedicht
…Und dann weiß man plötzlich, dass man kein Kind mehr ist
Noch immer fragen sie alle sich,
wie das gekommen sei,
sie sagen es war doch nicht das erste Mal,
das ich in der Wohnung war allein
und sie konnten sich bisher immer verlassen auf mich.
Es war doch auch zu essen da,
Bratkartoffeln und Wurst.
Ich hätte sie nehmen dürfen, klar,
aber ich hatte keine Lust.
Es gab auch Äpfel, Bananen und Nüsse,
ich hätte mir alles nehmen dürfen
und keiner hätte mir Vorwürfe gemacht,
aber ich verstehe nicht warum sie immer wieder
das Essen so sehr betonen müssen.
Außerdem begreifen sie nicht,
warum ich, wenn ich etwa Angst gehabt hätte, so allein,
nicht einfach fortgegangen sei;
zu den Kindern im Hof und ins Kino sogar,
genug Taschengeld hätte ich ja.
Ja, natürlich, das alles hätte ich tun können,
ich hätte auch warten können, bis die Eltern von der Arbeit nach Hause kommen,
und mir in der Zeit ein Schläfchen in meinem Bett gönnen.
Als ich aber an dem Tag nach Hause kam,
habe ich zuerst die Butter in den Kühlschrank getan
und die Betten habe ich auch gemacht,
damit es wieder etwas ordentlicher war.
Essen gab es zwar, sogar ganz viel, aber ich wollte sogleich mich vertiefen in mein Spiel.
Alle Erwachsenen haben später wissen wollen,
was ich am liebsten spiele.
Ihnen wäre es recht, wenn ich gesagt hätte mit der Feuerwehrmaschine,
oder etwas ähnlichem, kurz mit Feuer oder Licht.
Das habe ich aber nicht gesagt,
ich habe gesagt mit meinen kleinen Autos und dem verdammten NS-Soldat.
Natürlich wollte ich an dem Tag gar nicht mit den Autos spielen,
sondern mit meiner Familie,
und davon brauchen meine Eltern nie etwas zu erfahren, nie!
Mein Vater heißt Popp und ist ein Ball,
ein alter Fußball um genauer zu sein.
Meine Mutter ist eine komische Puppe, eine kleine,
sie heißt Mingel und hat keine Beine.
Mein Bruder heißt Harry und ist eine Schachfigur,
er ist der Älteste und hat eine sehr lustige Natur.
Luzia, der verschrumpelte Luftballon, ist meine Schwester,
sie ist von der Farbe her rosa und auch etwas älter.
Bei ihnen habe ich mich nie gefühlt allein.
Sie hatten immer Zeit mit mir was zu machen
und so unternahmen wir viele aufregende Sachen.
So sollte eine richtige Familie sein.
Man wird ja verstehen, dass ich nicht wollte zu den Jungen im Hof,
die frech sind, und die reinste Plage, und zu jeden Ding, egal was es ist,
das gleiche sagen: Scheiße und Bockmist.
Die sind einfach doof.
Doch eines Tages war meine Familie nicht da,
ich habe sie gesucht, überall;
im Schrank, unter dem Schrank, auf dem Schrank, unter dem Bett,
aber sie waren nicht da, einfach weg!
Da kam mir ein furchtbarer Gedanke auf einmal,
ich bin in die Küche gerannt,
und habe den Mülleimer aufgemacht,
drin war nur zerknülltes Seidenpapier,
das warf ich auf den Gasherd,
doch meine Familie war nicht hier.
Das war der Moment, wo ich gar nichts mehr verstand.
Als ich endlich aufhörte mit dem suchen wusste ich eins:
ich würde immer so allein sein wie jetzt,
in dieser dunklen Wohnung, die still ist und öde.
Ich wusste nicht, wie ich das aushalten würde!
Eigentlich habe ich überhaupt nichts gegen meine Eltern,
sie sind wie sie sind, und ich habe sie gern,
Nur, dass es eben gewisse Dinge gibt, die man den Eltern nicht erzählen kann,
und irgendwann,
wenn die Jungs von der Bande pfeifen im Hof,
die früher waren doof,
man die Treppe hinuntergeht,
weiß man plötzlich, dass man kein Kind mehr ist!
Dieses Referat wurde eingesandt vom User: --ana--
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