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Walther von der Vogelweide - Ein Biographie - Referat
Walther von der Vogelweide - Ein Biographie
1) Einleitung
Aus alt- und frühmittelhochdeutscher Zeit sind nur die wenigsten Dichtungen unter dem Namer ihrer jeweiligen Dichter bekannt. Für diese Zeit war es allgemein üblich, Dichtungen anonym zu sammeln. Der Dichter trat hinter seinem Werk zurück (Voetz: S.237). Auch machen die Fülle der Überlieferungen aus dieser Zeit vor allem lateinische Texte aus.
Obwohl das Werk Walthers von der Vogelweide in seiner ursprünglichen Gesamtheit unbekannt ist und uns nur im Umfang der überlieferten Abschriften zugängig wurde, gehört Walther zu den uns heute am reichlichsten überlieferten Dichter / Sänger seiner Zeit.
Seine Lebenszeit wird in den Zeitraum von ungefähr 1170 bis nach 1228 datiert. Walther selbst ist als Person nur einmal, für das Jahr 1203, urkundlich nachweislich belegt. In der Reisekostenaufstellung von Wolfger Bischof von Passau (Hahn: S.21). Ein weiterer urkundlicher Beleg muß hypothetisch bleiben, da es an direkten biographischen Zeugnissen fehlt, um genaue Angaben über das Leben und die Person Walthers von der Vogelweide zu machen. Allerdings beziehen sich Walthers Spruchdichtungen auf historische Gestalten und deren, urkundlich faßbares, Wirken, so daß man einen recht genauen zeitlichen Abriß von seinen Lebensstationen erhält, da er zudem seine eigene Person in , für die damalige Zeit, sehr hohem Maße in seine Spruchdichtung einbringt.
Die meisten der erhaltenen Abschriften Walthers sind allerdings erst lange nach seinem Tod angefertigt worden; ein Autograph Walthers ist bislang nicht
bekannt.
Daß sich große Teile seines Schaffens erhalten haben, hat zwei Gründe. Ein Grund liegt in dem glücklichen Umstand, daß gerade in und kurz nach der Zeit des Wirken Walthers von der Vogelweide ein Interessenswandel einsetzte. Man begann, vor allem in dem Jahrhundert nach Walthers Tod, auf breiter Basis deutsche lyrische Texte zu sammeln und sie in Büchern zusammenzufassen. Dabei war auch die Person des Dichters wichtig, da sie im Zusammenhang mit der Dichtung für die Sammler von großer Bedeutung war.
Zum anderen war das Werk Walthers von der Vogelweide im Mittelalter innerhalb des deutschsprachigen Raumes weit verbreitet, er selber war als Dichter namentlich sehr bekannt (was es in den kommenden Jahrhunderten vereinfachte seine Werke zuzuordnen). Dafür sorgte neben seinem unsteten Wanderleben auch der Umstand, daß seine Dichterkollegen, zeitgenössische und nachfolgende, ihn in ihren Werken oft erwähnten.
Eine umfassende Edition zum Werk Walthers von der Vogelweide gab Karl Lach -
mann (1793-1851) im Jahre 1827 heraus, indem er die von Friedrich August Wolf entwickelte philologische Textkritik als erster auf mittelalterliche Texte anwandte. Seine Edition wurde bis heute zwar mehrfach bearbeitet, bildet aber bis heute im Kern immer noch die Grundlage aller wissenschaftlicher Arbeiten zu Walther (Hahn: S.18).
Im weiteren Verlauf des Referates werde ich allerdings nicht näher auf die Beschreibung der verschiedenen Handschriften (es gibt heute ca. 30 bekannte) eingehen, sondern mich der genaueren Betrachtung des Lebens Walthers wittmen.
Insbesondere geht es dabei um eine genauere Erörterung seiner Heimat, seines Namens, seines Standes und seiner Lebensstationen.
2) Die Biographie des Walther von der Vogelweide
2.1) Die Heimat
Walthers Heimat als Forschungsgebiet hat sich im Laufe der Jahre zu einem Forschungsproblem entwickelt.
Abgesehen von einem einzigen außerliterarischen Zeugnis über seinen Aufenthalt und Lebensstandard (Heger, 1970) läßt sich Walthers Biographie nur aus seinen Gedichten und anhand einiger Äußerungen von Dichterkollegen in ihren Werken erschließen.
So kam es, daß sich im Laufe der Waltherforschung die verschiedensten Theorien über seine Heimat entwickelten. Beim Erforschen von Walthers Heimat wurde zwischen seiner Jugendheimat und seiner Geburtsheimat differenziert.
2.1.1 Jugendheimat:
Obwohl Walther von der Vogelweide in jungen Jahren anfing zu reisen, hat man seine Jugendheimat, oder geistige Heimat wie einige Forscher sagen, eindeutig in Österreich gefunden. Kurt Herbert Halbach sieht Walthers Jugendheimat in Nieder-Österreich, Wien. Er begründet diese Wahl u.a. mit Walthers Satz `ze Ôterrîche lernte ich singen und sagen′ (32,14), d.h., daß Walther auf dem Klosterneuburger Hof
(bei Wien) die Kunst des Singens und Dichtens erlernt haben soll.
Einen weiteren Beweis für Österreich als Jugendheimat Walthers sieht Halbach in dem Vers `wol ûf mit mir und vare wir dâ heim in Ôsterrîche′, in dem Walther (mit seiner Ritterschaft, darum das `wir′) es nicht mehr erwarten kann `heim′ zukommen.
Den Vers aus Walthers Lebensrückblick, der Elegie, `liute unde lant dâr inne/von kinde ich bin erzogen′ (124,1ff), in dem Walther sich über die Entfremdung zu seiner Jugendheimat beklagt, ist ein weiterer Beweis für Halbach, die Jugendheimat, geistige Heimat Walthers begründet in Österreich zu sehen.
Auch Manfred Günter Scholz sieht die Jugendheimat Walthers in Österreich. Bei seiner Beweisführung folgt Scholz der Linie Halbachs. Auch für ihn sind die Verse `ze OEsterrîch lernde ich singen unde sagen′(32,14), `liute und lant, dar inn ich von kinde bin erzogen′ (124,7) aus der Elegie und `wol ûf mit mir, und vare wir dâ heim in Osterrîche′ (XXIX,7; Cormeau 1996, S.58) glaubhafte Beweise für eine Jugendheimat in Österreich. Da in dem Vers aus der Elegie kein wörtlicher Verweis auf Österreich existiert, er aber im `österreichischen′ Metrum der Kürenberger-Langzeile geschrieben ist, dürfte seiner Meinung nach Österreich gemeint sein.
Österreich also scheint durch diese Zeugnisse faßbar zu werden als das Land, in dem Walther von Kind an gelebt, Erziehung und künstlerische Ausbildung genossen hat, das Land, das ihm zur Heimat geworden ist, wenn es nicht von Anfang an seine Heimat war. (Scholz: S1)
`liute und lant, dar inn ich von kinde bin erzogen′- [Land und Leute, wo ich von Kindheit an aufgewachsen bin, sind mir fremd geworden, als ob es eine Lüge sei].
So übersetzt Hermann Reichert den von Walther geschriebenen Vers. Obwohl im Vers selber kein Verweis auf eine bestimmte Landschaft existiert, läßt aber, laut Reichert, die (siebenhebige) Versform (Kürenberger-Langzeile) darauf schließen, daß Walther sich auf den Raum zwischen Passau und Wien bezieht.
Auch Reichert, wie schon zuvor Halbach und Scholz, betrachtet dies als Beweis, daß Walther seine Jugendheimat in Österreich hatte, bzw. dieses als seine geistige Heimat sah.
2.1.2. Geburtsheimat:
Schon bei dem Versuch die Jugendheimat Walthers zu bestimmen, gingen die Meinungen der Forscher auseinander. Definitive Beweise dazu waren schwer zu finden, allerdings gab es einige, von der Mehrheit der Forscher akzeptierten Textgrundlagen, die doch zu einem , im Großen und Ganzen, einheitlichen Bild von seiner Jugendheimat verhalfen.
Bei dem Versuch Walthers Geburtsheimat zu bestimmen, unterscheiden sich die Ergebnisse der Forscher jedoch erheblich mehr.
Waren schon die in den Texten vorkommenden Hinweise auf seine Jugendmeimat gering, so sind jene, die auf seine Geburtsheimat verweisen überaus spärlich.
So kommt es, daß die Textstellen, die eventuell auf die Geburtsheimat verweisen könnten, sehr subjektiv, meistens national-ideologisch interpretiert wurden.
Um 1600 nahm die Schweiz in Anspruch, Walthers Geburtsheimat zu sein. Lokalforscher ehrten ein alt Schloss im oberen Turgow, sogar eine um St.Gallen ansässige Patritzierfamilie Vogelweyder, Nachfahren des Walther von der Vogelweide zu sein. So war von Goldast über Bodmer (1748) bis zu Uhland (1822) Walther zum Schweizer geworden. (Halbach: S.11)
Lachmann (1843) entdeckte, wie zuvor schon Jacob Grimm (1819), einen scheinbaren baiwarisch - südostdeutschen Charackter in Walthers Sprache. Daraufhin folgte eine Gleichsetzung der Jugend - und Geburtsheimat Walthers in Österreich. (Halbach: S.1)
Im gleichen Stil kam Franken zu der Ehre Geburtsheimat zu sein. Mit der Kombination, daß Walther sein Reichslehen im Alter, und also sein Alterswohnsitz, vielleicht doch eben in seiner Geburtsheimat sich habe zuteilen lassen, setzte man von Oberthür (1818) bis zu Pfeiffer (noch 1860) auf Würzburg, bzw. (Main-) Franken als Geburtsheimat.
Trotz der Feststellung Plenios (1917), daß eine Anpaßung von Walthers Dichter - Sprache an die jeweilige Landschaft stattfand, wurde immer wieder versucht dialektale Besonderheiten auf seine Geburtsheimat zu beziehen (z.B., Main - Franken: (...lant) danne bzw. dannan ich von kinde ibn begorn (statt, vermutlich: erzogen). (Halbach: S.11)
Desweiteren hat man in Würzburg, wie auch später in Bozen (1899) und Dux in Böhmen (1911) versucht, durch Denkmäler (z.B., dem Neumünster - Stift) eine Verbindung zu Walthers Geburtsheimat zu zeigen. (Halbach: S.11)
In Südtirol (Franz Pfeiffer 1864) hat man es mit einer altertümlichen Vogelweide versucht. Daraufhin entfachte eine große Woge der Volksbereitschaft zur Entdeckung von Vogelweidhöfen, welche zur populärsten aller Walther - Mythen, dem des Südtirolers Walther, gefürt haben. Ausschlaggebend dafür war der im `Layener Ried, im Grödnertal, links von Eisach, oberhalb Waidbruchs′ entdeckte `Waltherische′ Vogelweidhof, woraufhin dann das Bozener Waltherdenkmal erschaffen wurde. (Halbach: S.12)
Neben Südtirol, Österreich und Franken (Würzburg) wurde noch versucht u.a. Frankfurt (Franken), Feuchtwangen (Franken), Bayern, Meißen und das Waldviertel als die Geburtsstätte Walthers zu etablieren.
Davon wurden allerdings Frankfurt, Meißen und Bayern als unzulänglich recht schnell widerlegt.
Zum Fall Frankfurt ist zu sagen, daß alle jemals erwähnten Dokumente (Friedrichs 1979) entweder verloren oder später zu datieren sind. (Scholze: S.5)
Die für Bayern herangezogene Beweise sind auch nicht stichhaltig genug, um eindeutig die Geburtsheimat Walthers darin zu sehen. In einer Urkunde von 1349 wird ein `Walther der Vogelwaid von Belthain′ genannt. Allerdings kann zu jenem Walther, welcher etwa 150 Jahre nach `unserem′ Walther von der Vogelweide lebte, kein verwandschaftliches Verhältnis nachgewiesen werden. Der Ausdruck `Vogelwaid′ ist von dessen Beschäftigung hergenommen und bezeichnet keineswegs einen Geschlechtsnamen.
Eine einzelne Strophe aus dem Jahre 1212 weißt darauf hin, daß Walther im Dienste des Bayernherzog Ludwig stand, welcher Walther einer gewissen Ehre würdigte, in dem er ihm zu Lichtmess eine Kerze zuschickte (W. und R. Str.29; V.Nr.105). Allerdings ist diese Textstelle die einzige, die auf ein näheres Dienstverhältnis zum Herzog von Bayern hinweißt. Zudem wurde sie verfasst, als Walther schon in sehr hohem Alter war. (Menzel: S.7)
Spangenberg weißt Walther dem Adlesgeschlecht `von der Heyd′ in Meißen zu. Seine `Beweise′ beziehen sich aber lediglich auf Überlieferungen von Meistergesängen aus dem 15. und dem Ende des 16. Jahrhunderts. In diesen wird allerdings so willkürlich mit dem Namen Walthers verfahren, daß sie als Beweismaterial unzulänglich sind. (Menzel: S.8)
Beispiel: ` Die 12 alten Meister im Rosengarten′ (15.Jhd)
`Herr Walther von der Wit,
dem tzir fogel dem was so jach,
inn rosen wat er frech.′
Auch wenn man also seine Dichtungen als autobiographisch sieht, ist trotzdem keine Sicherheit in der Frage von Walthers (Geburts-) Heimat zu gewinnen. Vielmehr bleibt der größte Teil der Forschung weiterhin Vermutung.
2.2) Lebensstationen
2.2.1) (Zeittafel)
Es gibt lediglich einen einzigen außerliterarischen, belegten Hinweis auf Walthers Leben (siehe Punkt 2.2.1). Alle anderen Daten zum Leben Walthers sind ausschließlich seinen Texten zu entnehmen. Die verschiedene Stationen seines Lebens kann man also hauptsächlich an den Strophen festmachen, die im Herrendienst entstanden sind. Allerdings lassen sich die Strophen eher auf einen Zeitraum als auf einen bestimmten Zeitpunkt beziehen. Trotzdem kann man anhand des vorhandenen Datenmaterials eine verhältnismäßig genaue Zeittafel errichten.
- um 1170
- um 1130
- um 1190
- 1198
- nach 1198
- 1201
- 1201
- 1203
- 1204/05
- 18.3.1212
- Ende 1213/Anf.,Mitte 1214
- 1214/15
- 1215/16?
- event. 1216/17
- 1219 (Herbst)
- 1220 (April)
- 1219/20
Ab 1220 werden die Daten über Walthers Aufenthalte ungenau:
- nach 1220
- um 1224/25
- ca. 1225-1228
- um 1227
-Geburt
-Tod
-Dichter am Wiener Hof, Anfänge als Minnesänger (beides gefolgert aus einer Stelle in der Eligie-66,27:wol vierzec jâr hab ich gesungen oder mê)
-endeten seine Lehrjahre mit dem Tod vom österreichischen herzog Friedrich I. (beider Verhältnis ist nicht genau bestimmbar)
-Wechsel an den Stauferhof zu Phillip von Schwaben
-Abwendung vom Stauferhof (nachdem Anerkennung und der Lohn nicht im erhofften Maße ausfallen)
-findet Gönner im antistaufisch gesinnten Landgrafen Hermann von Thüringen
-Aufenthalt in Wien bei der Hochzeit von Herzog Leopold VI.
-in Thüringen
-beim Frankfurter Hoftag Kaiser Ottos IV.(im Gefolge des Markgrafen von Meißen)
-Wechsel zu Friedrich II. von Staufen
-Aufenthalte in Thüringen und Wien (Landgrafenpreis - 35,7; Dreifürstenpreis - 34,34)
-am Hofe Bernhards II. von Kärnten
-Wien (Wiener Hofton - 36,1)
-Wien (Leopoldsbegrüßung - 18,11)
-beim Hoftag des Friedrich II. in Frankfurt/M (Fürstenrat - 29,15)
-Schenkung eines Lehens von Friedrich II
-in Katzenellenbogen im Taunus bei Graf Diether II
-im Umkreis des Erzbischof Engelbrecht von Köln (dem Reichsverweser)
-Walther bewegt sich Umkreis von Fürsten, die die Politik Friedrich II. unterstützen
-in Österreich (Wien) (Eligie - 124,1)
2.2.2) Der einzige außerliterarische, historische Beweis
Die einzige Walthers Person betreffende, außerliterarische Notiz, die einen bestimmten Zeitraum seines Lebens fixiert, stammt aus dem Jahre 1203. In ihr wird über einen bestimmten Zeitpunkt dokumentierte Auskunft über seinen Aufenthalt gegeben.
In der Reinschrift der Reiserechnung des Bischofs Wolfger von Passau, dem späteren Patriarch von Aquileja, steht notiert, daß Walther von der Vogelweide am 12. November 1203 ( ein Tag nach dem Martinstag) im österreichischen Zeiselmauer fünf lange Schillinge, d.h. 150 Denare (Silberpfennige), erhalten hat, um sich davon einen Pelzrock kaufen zu können.
Die Reinschrift des Wolfger enthält wichtige Bemerkungen, die über seinen sozialen Rang, bzw. seinem zeitweise bestehenden sozialen Rang Auskunft geben könnten.
`sequenti die apud zei [zemurum] walthero cantori de vogelweide pro pellicio. V. sol. longos.′
Über die Bedeutung von `cantori′ gehen die Meinungen auseinander. Deutet `cantori′ auf einen gewissen sozialen Rang von Walther, etwa dem eines Chordirigenten im Passauer Dom (Hahn: S.21), oder aber trägt das Wort `cantori′ dem Umstand Rechnung, daß Walther eine spezielle geistliche Schulbildung genossen hat? (Scholz: S.12)
Es ist bis heute noch nicht geklärt, ob `cantori′ sich auf den Stand Walthers bezieht, oder ob es lediglich Auskunft über das gibt, was er macht - singen.
Außergewöhnlich für jene Zeit ist allerdings die Höhe des Geldbetrages, ja sogar, daß überhaupt Geld anstatt Materialien gegeben wurden. Doch ist diese Bezahlung wohl eher auf die guten künstlerischen Darbietungen Walthers zu beziehen, als auf seinen Stand. Laut Curschmann zwingt nichts in dem notierten Vorgang mehr zu sehen als gut angemessene Belohnung für qualitätvolle Darbietung des fahrenden Dichter - Sängers Walther. (Hahn: S. 21)
2.3) Der Stand, der Beruf
Bei der Diskussion, die um das Wort `cantori′ entstanden ist, kann man schon sehen, daß auch der Stand und der Beruf von Walther von der Vogelweide umstrittene Themen sind.
Die Frage des Standes kann weder anhand von Selbstzeugnissen noch durch Hilfe externer Kriterien beantwortet werden.
Der Standesordnung früherer Jahrhunderte angemessen, war es selbstverständlich, daß ein Sänger von solchen künstlerischen Fähigkeiten und Mut an offener Kritik an Kaiser, Pabst, Politik und Gesellschaftsordnung nur ein Angehöriger des Adelsstandes gewesen sein konnte, Gestützt wurden diese Behauptungen dadurch, daß Walther in seinen eigenen Sprüchen immer im engsten Umkreis mit Fürsten erscheint und sich selbst ,,Herr Walther" nennt.
Im 19. Jahrhundert wurde das Mittelalter als eine Epoche des ,,Rittertums" stilisiert, also mußte Walther dem Adel zugewiesen werden. Obwohl es darüber keine Zeugnisse gab, ordnete man ihn dem niederen Adel zu.
In der Romantik suchte man dementsprechend geradezu krampfhaft nach einem Rittergeschlecht, einer romantischen Burg oder wenigstens einem edelfreien Gehöft zur Vogelweide aus der Zeit um 1200. (Friederichs: S.12f)
Rudolf Menzel sagt noch, ,,[...] daß Walther von edler Geburt war, ist nahezu allgemein bekannt [...]". Menzel folgt noch der allgemeinen Annahme, daß das mittelalterliche `hêr′ dem Adel, bzw. dem Klerus verbehalten war.
Heute herrscht darüber Konsens, daß die Anrede `hêr′, von Walthers Seite selbst, als auch von Zeitgenossen und Nachfolgern, mehr ein Zeichen der Konvention, der Achtung ist. Auch die Frage des Lehens, welches er von Friedrich II erhalten hat, weißt nicht auf eine adlige Herkunft hin (`Ich hân mîn lêhen, al die werlt, ich hân mîn lêhen′ - 28,31). Vielmehr scheint dieses Lehen eine besondere Auszeichnung (Bezahlung?) für besondere künstlerische Darbietungen zu sein. Walther bittet ja auch in ganz besonderer Weise um dieses Lehen (`lât iuch erbarmen / daz man mich bî sô rîcher kunst lât alsus armen′ - 28,1f), denn darin klagt er nicht auf die Befreiung von Armut mit dem Hinweis auf seine ständische Herkunft. (Scholz: S.10f, Hahn:S.22f)
In den Reisekosten des Wolfger taucht Walther mit dem Titel `cantori′ auf. `Cantor′ bedeutete im Mittelalter soviel wie ausübender Musiker, aber auch `musicus artificiales′ , der fachlich geschulte und gebildete Musiker, der Experte. Im Mittellateinischen bedeutet `cantor′ soviel wie Dichter, fahrender Sänger. Da ist der berufliche Status Walthers wohl auch am ehesten einzuordnen; Ein fahrender Sänger, immer auf der Suche nach einem Gönner.
2.4) Der Name
Den Beinamen Walthers umgeben ebenso viele verschiedene Vermutungen, wie seinen Stand.
Zu Zeiten der Idealisierung des Rittertums suchte man nach einem Adelsgeschlecht ,,von der Vogelweide", oder einem Vogelweidhof, welcher namensgebend für Walther gewesen sein könnte. Menzel sieht in der Patrizierfamilie Vogelweyder aus St. Gallen die direkten Nachfahren Walthers.
Diese Idee hat man mitlerweile aber verworfen, auch konnte keiner der bisher ausgemachten Vogelweiden nachgewiesen werden, daß sie aus Walthers Zeit stammt.
Ein anderer Ansatzpunkt ist, daß Walther ähnlich wie Spervogel, Falchelinus oder Heinrich von Meißen (Frauenlob), einen Beinamen angenommen hat. Demnach wäre `von der Vogelweide′ kein Geschlechtsname, sondern ein Künstlername. (Wenzel 1983: S. 8)
Es gibt was die Namensforschung Walthers angeht, allerdings noch mehr, wenn auch recht unsinnige, Thesen. So behauptet Walter Exner, daß der Beiname `Vogelweide′ auf die Homosexualität Walthers hinweist. Belege, oder Andeutungen dafür, sieht er in Walthers Tugend Frauen zu preisen (Preislied: Ir sult sprechen willekomen / si sint mir ze hêr) und darin, daß Homosexualität unter fahrenden Sängern und Künstlern weit verbreitet gewesen sein sollte. (Exner: S. 102ff)
Nachdem, was man in de Waltherforschung alles zusammengetragen hat, sind Exners Interpretationen wohl eher zu vernachlässigen.
3) Der politische Charakter Walthers von der Vogelweide
Walther von der Vogelweide befand sich meistens im Umkreis von Fürsten und Grafen und suchte für seine Darbietungen bewußt die Zentren der Macht. Seine so entstandenen Strophen zielen oft ins Innere des Reichgeschehens, der Fürsteninteressen. Trotz seiner häufigen Anwesenheit bei Hofe, war er doch ein Außenseiter der höfischen Gesellschaft, da seine Aufenthalte wohl doch eher auf sein künstlerisches Können zurückzuführen sind.
Seine (politischen) Strophen bewerten meist das politische Verhalten eines Fürsten, in dessen Dienste er stand.
Hermann Reichert gesteht Walther zu, daß er die Möglichkeit hatte sich politisch frei zu äußern, und daß seine Strophen sein eigenes freies politisches Denken widerspiegeln. (Reichert: S. 25)
Da kommt mir allerdings die Frage, ob Walther sich das als ein fahrender Sänger leisten konnte. Auch ist fraglich, ob sich seine politischen Aussagen objektiv betrachten lassen, wenn man bedenkt in wie weit seine materielle Abhängigkeit seine Parteinahme beeinflussen kann.
So gesehen stand Walther letztlich am Rande des politischen Geschehens. Er diente wohl eher zur Unterhaltung, höchstens aber zur Weckung förderlicher Emotionen für politische Projekte (z.B.: Kreuzzüge). (Mück: S.1ff/S.75ff)
4) Zusammenfassung
Im Vergleich zu anderen Dichter - Sänger seiner Zeit ist es doch möglich, einen recht guten Rahmen seiner Biographie zu erhalten. Dank der häufigen `Ich - Anwendungen′ in seinen Strophen, läßt sich so ein verhältnismäßig gutes und umfangreiches Bild seines Lebens erstellen. Trotzdem muß man bedenken, daß es keine urkundlichen Beweise zu seinem Leben gibt, keine, bis auf das einzige existierende Lebenszeugnis durch Wolfger von Passau. So gilt es, alle Forschungsergebnisse mit einem mehr oder minder großem Fragezeichen zu versehen, da diese letztlich alle hypothetischer Natur sind.
Die Forschung zu Walther ist bis heute noch nicht zu einem Endpunkt gelangt, die Hoffnung auf zukünftige Entdeckungen alter Handschriften mit Walthertexten erscheint durchaus realistisch zu sein. (Konrumpf: S. 158)
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